Kultur

Pride is the Ultimate Freedom

Einmal über die Neckarbrücke, weiter bis zur Neuen Aula und über den Stadtgraben wieder zurück bis zur bin Uhlandstraße 50. Diese Strecke legen die Demonstrierenden des CSD Tübingen Anfang Juli gemeinsam zurück. Um 14 soll es losgehen und mit etwas Verspätung marschiert der Demozug los. Voller Vorfreude und höchst motiviert, auch bei Regenwetter.

Ab auf die Straße für…

Der farbenfrohe Streifen zieht sich einmal quer durch die Tübinger Altstadt. Besonders die liebevoll handgefertigten Schilder stechen kunterbunt aus der Masse hervor. Mit kreativen Sprüchen zeigen die Anwesenden, wofür sie heute auf die Straße gehen. Von persönlichen Botschaften wie “Being straight was my phase” und “Love is only for the brave” bis hin zu politischen Statements wie “The cistem kills“. Die Demonstrierenden schrecken nicht davor zurück, ihre Stimme für Gerechtigkeit zu erheben. Genauso bezieht auch das Orga-Team des CSD Tübingen ganz klar Stellung zu dem neuen Selbstbestimmungsgesetz. Wie? Mit dem diesjährigen Motto „Selbstbestimmung endet nicht bei unseren Namen!“ 

CSD Demo-Schild “CSD statt AfD”. Bild: Romina Palazzo.

Doch nicht nur für Gerechtigkeit innerhalb der Queeren Community wird heute protestiert. Klimagerechtigkeit und Friedensappelle stehen ebenfalls auf der Agenda: “Free Love Free Palestine” und “No Pride in Genocide” schreiben die Demonstrierenden auf ihre Schilder.

“Eines von vielen Kampffelder.”

CSD-Teilnehmer*in ohne Namen

In dieser Antwort auf die Frage „What is pride for you?“, spiegelt sich der Protestcharakter des Tübinger CSD wider. Dennoch lässt eben diese Frage, was Pride denn für einen selbst wirklich ist, die meisten kurz innehalten und überlegen. Die Antworten fallen letztlich so vielfältig aus, wie die Befragten.

Pride is for me…

“Pride is for me … Zugehörigkeit. Ein bisschen das Gefühl nach Hause zu kommen.”

Leonie (she/ they) 20

Noch immer mit einem Lächeln auf den Lippen berichtet Leonie, wie sie sofort anfangen musste zu grinsen, als sie schon aus der Ferne die bunte Menge erblickte. Gemeinschaft wird ohne jeden Zweifel nicht nur groß, sondern obendrein direkt in Fettdruck geschrieben und doppelt unterstrichen. Da sind sich alle Anwesenden einig. Zur Sicherheit und als durchgängige Ansprechpartner*innen begleitet das Awareness Team des CSD die Parade von Anfang an durch dir Straßen der Tübinger Altstadt. Erfolgreich einen sicheren Rahmen zur Selbstentfaltung zu schaffen, ist schließlich nicht nur Ziel, sondern vielmehr Voraussetzung einer erfolgreichen Pride-Parade.

Selbstentfaltung und Fürsorge

“Pride for me is… a place where I can be myself.”

Julia (she/ her) 18

So definiert Julia Pride nämlich für sich selbst. Wert auf persönliche Selbstentfaltung, sich selbst frei vom Urteil anderer ausleben zu können, legen merklich alle Angesprochenen. Das Mitwirken vieler engagierter Menschen macht es möglich: Die Organisator*innen des CSD, die anwesenden Vereine wie die Aidshilfe, Peta, das Queere Zentrum Tübingens und viele mehr. Für Verpflegung in Form von Essen, Trinken und dem ein oder anderen Axolotl-Sticker ist gesorgt. Kein Wunder also, dass sich der Weg über die Neckarbrücke dann trotz Regen anfühlt like walking on sunshine. Alle sind bester Laune.

Farbenfroher Demo-Zug bei Regen. Bild: Romina Palazzo.

Dancing in the Rain

“Pride is for me… gute Musik.”

Anna (she/her) 20

An diesem verregneten Tag gibt es letztlich nur noch eines zu tun: Im Regen tanzen. Und genau das tun die Menschen. Von ABBA über Todrick Hall, Katy Perrys Klassiker “I kissed a girl“ oder Lady Gaga reicht die musikalische Bandbreite bis zu Queen. Für jeden ist was dabei. Zurück an der Uhlandstraße wird erstmal eine Runde ausgelassen getanzt und gefeiert. “Wir machen nochmal ein ganz kleines bisschen Party und dann wird’s politisch“, so lautet die Ansage der Orga-Teams. 

Schon immer eine Protestbewegung

“Pride is for me… a riot.”

Lili (they/ them) 20

Ursprünglich entstand der Christopher Street Day schließlich aus einer Protestbewegung. Aus den Stonewall-Aufständen gegen die willkürliche Polizeigewalt, die den Alltag der Queeren Community New Yorks prägten. Am 28. Juni 1969 fand erneut eine von zahlreichen Razzien statt, die besonders auf die Misshandlung queerer POCs abzielten. An diesem Abend eskalierte der Machtmissbrauch der polizeilichen Gewalt im Stonewall Inn schließlich. Das Resultat waren mehrtägige Straßenschlachten, in denen sich die LGBT+ Community gegen die Repression der Polizei zur Wehr setzte. Um an diesen Meilenstein im Kampf um queere Freiheit zu erinnern soll unter anderem auch die Kundgebung im Anschluss an die Demo dienen. Der symbolische Backstein den eine*r der Redner*innen mitbringt, unterstreicht, was die Motto-Wahl bereits von vornherein als Anliegen der Demo formuliert. Jace, CSD Organisator*in, bringt es auf den Punkt: “Wir haben uns Fortschritt immer erkämpft und wir kämpfen weiter “denn wir lassen niemanden zurück.”

Einer der Redebeiträge auf der CSD Kundgebung. Bild: Romina Palazzo.

Pride kennt keine Grenzen

Die Reden schneiden zahlreiche Themen an, von Kritik an dem neuen Selbstbestimmungsgesetz, das dem Kampf um Transrechte noch lange kein Ende setzt; über ein Gedicht von Lea (sie/ es; 26) des Queeren Zentrums Tübingen über “Queer Joy” bis hin zur Fachschaft Politikwissenschaft der Universität Tübingen, die von ihrem Kampf um geschlechtsneutrale Toiletten berichten. Es lässt sich nicht bestreiten, der Kampf um queeren Liberalismus geht weiter. Eines zeigt der Tübinger CSD aber klar, wir kämpfen alle zusammen. Denn Pride ist vieles, aber vor allem ist Pride…

“… the ultimate freedom.”

Mirja (sie/ ihr) 20

Beitragsbild: Romina Palazzo.

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