Der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama war bei einem Vortrag des Deutsch-Amerikanischen Institut zu Gast. Er sprach über die Zukunft der liberalen Demokratie – und erklärte auf welche Themen Biden nun setzen müsse, um die Wahl zu gewinnen.
Bei einer Veranstaltung der Gesprächsreihe „Democratic Crossroads“ war am Donnerstag Professor Francis Fukuyama von der Stanford University zu Gast. Mit ihrer Reihe möchte das Deutsch-Amerikanische Institut auf die anstehende US-Wahl aufmerksam machen. Der Moderator Tobias Endler sprach mit dem amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama über die Zukunft der liberalen Demokratie.
Das liberale System und seine Mängel
Der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama wurde vor allem durch seine in den 1990er Jahren entwickelte These zum „Ende der Geschichte“ bekannt. In der Diskussion ging es aber vor allem um sein 2022 erschienenes Buch „Liberalism and Its Discontets“. Nach einer Begrüßung durch die Direktorin des Deutsch-Amerikanischen Institutes Tübingen Katharina Luther bat Moderator Tobias Endler den Gast zunächst um eine Definition von Liberalismus. Fukuyama erklärte, dass es im Liberalismus darum gehe, dass alle Menschen das gleiche Recht auf Anerkennung ihrer Würde haben. Es geht also um Rechte wie Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit oder Gleichberechtigung. Auch gehe Liberalismus meist mit Demokratie einher, auch wenn dies wie Ungarn zeigen würde nicht immer der Fall sei.
Danach ging Fukuyama auf die Mängel von Liberalismus ein. Die Kritik der Linken beziehe sich oft darauf, dass der Liberalismus nicht halte, was er verspreche. So werden beispielsweise Menschen diskriminiert, obwohl dies gesetzlich verboten ist. Fukuyama stimmte dem zu, denn einige Dinge müssten seiner Sicht noch verbessert werden.
Fukuyama sprach auch über Identitätspolitik: Während früher der Fokus vor allem auf ökonomischer Ungleichheit war, werden nun auch engere Kategorien wie Race, Gender oder sexuelle Identität miteinbezogen. Solange es darum gehe, Menschen zu inkludieren, sei dies legitim, aber Forderungen nach einer Sonderbehandlung für einige Menschen sehe er kritisch. Es solle beispielsweise niemand nur aufgrund seines Geschlechtes oder seiner Hautfarbe eingestellt werden. Dies würde dem Konzept von Liberalismus widersprechen.
Liberalismus sichert friedliches Zusammenleben
Trotz der möglichen Schwächen von Liberalismus sieht Fukuyama diesen heutzutage als sehr wichtig an. Liberalismus könne trotz großer Diversität zu einem friedlichen und toleranten Zusammenleben führen.
„There is a gap between the promise and the performance [of liberalism]”
Prof. Francis Fukuyama
Im zweiten Teil der Veranstaltung sprachen Endler und Fukuyama konkret über die USA. Fukuyama sieht Trump als Populisten an, der eine Gefahr für den Liberalismus darstelle. Er sei einer von vielen illiberalen Staatschefs, der letzten Jahre. Weitere Beispiele seinen in der Türkei, Ungarn und Polen zu finden. Es sei problematisch, dass viele Menschen ihre liberalen Freiheiten als selbstverständlich ansähen und nicht wirklich verstünden, was auf dem Spiel stehe. So würden zum Beispiel die Republikaner den Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 herunterspielen und nicht verstehen, wie sehr das liberale System bedroht sei.
Die Rolle der jüngeren Generation bei der US-Wahl
Auf die Frage, welche Rolle die jüngere Generation in den USA bei den Wahlen spiele, antwortete Fukuyama, dass viele in der Generation sich aufgrund seines hohen Alters nicht mit Biden identifizieren könnten. Außerdem seinen viele deutlich linker eingestellt als Biden und seinen aufgrund seiner Israel-Politik wütend auf ihn. Gleichzeitig würden sie nicht erkennen, welche Gefahr Trump für ihre Freiheiten darstelle. Er habe die Sorge, dass viele aus der jüngeren Generation gar nicht zur Wahl gehen werden.
Laut Fukuyama sollte Biden einige Dinge anders machen, um mehr Stimmen zu bekommen. Der ökonomische Aufschwung, den die USA unter Biden bekommen habe, komme bei den Menschen nicht wirklich an. Stattdessen solle er darauf setzten, die Grenze zu Mexiko unter Kontrolle zu bringen, um hier Stärke zu zeigen. Auch sei es wichtig, dass das Thema des Patriotismus nicht nur von den Republikanern vereinnahmt werde; auch Biden dürfe patriotisch sein. Aber auch das Thema Abtreibung könne zur Entscheidung der Wahl beitragen. Viele seien sehr wütend über die restriktive Abtreibungspolitik der Republikaner, was Biden nutzen könnte. Gleichzeitig solle sich Biden aber auch gegen die Förderung von Trans* Rechten stark machen, um Wählerstimmen von der republikanischen Seite zurückzuholen.
Polarisierung muss überwunden werden
Die größte Gefahr für die internationale Glaubwürdigkeit der USA sieht Fukuyama in der großen Polarisierung in der US-amerikanischen Politik. Wenn die USA nicht verlässlich sind, würde dies zu großen Problemen für die NATO, den globalen Handel und die Weltordnung im Allgemeinen führen. Seine große Hoffnung sei, dass die Polarisierung überwunden werden könne, wenn Biden mit großem Vorsprung die Wahl gewinne. Dies könne die rechtsextreme Bewegung in der Republikanischen Partei schwächen.
“If Biden wins by big margin, this could signal the beginning of the end of the extreme right movement in the republican party.”
Prof. Francis Fukuyama
Mit diesem Hoffnungsschimmer endet die Veranstaltung. Der nächste Teil der Reihe „Democratic Crossroads“ wird am 04. Juni ebenfalls online stattfinden. Zu Gast für das Thema „Die (Ohn)Macht der Medien“ sind Julius Fintelmann von „The European Correspondent“ und Marie-Astrid Langer, USA-Korrespondentin der Neuen Zürcher Zeitung.
Transparenzhinweis: Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer Medienpartnerschaft mit dem Deutsch-Amerikanischen Institut Tübingen (DAI).
Beitragsbild: Colin Lloyd auf Unsplash