Kultur Musik

Aufwühlende Klassik mit “OMG Schubert” im ITZ

Mit „Du hast es so gewollt – Franz Schubert Reimagined“ läuft gerade ein Programm der ganz besonderen Art im Tübinger ITZ an. Das Duo „OMG Schubert“ mit Justus Wilcken und Konstantin Dupelius heizt aktuell das Zimmertheater mit seinen Kompositionen ein und wirbelt wieder ganz neuen Wind in die klassische Musik.

Nach Beethoven, Hölderlin und Wagner, knöpft sich das Duo den nächsten Hochkaräter vor: Grundlage für ihr neues Programm sind Franz Schuberts Melodien, dessen „Winterreise“ auch heute noch auf und ab gesungen wird. Doch wer ein rein klassisches Konzertsetting erwartet, dürfte beim Besuch buchstäblich vom Hocker gerissen werden. Schubert ist zwar ihr Fundament, aber bei ihm blieben sie nicht stehen. Denn die klassischen Melodien werden von den beiden Multiinstrumentalisten erweitert, neu gedacht und inszeniert.

Für die Entwicklung der beiden klassisch ausgebildeten Musiker war Schubert so etwas wie ein Befreiungsschlag. Ihr Einstieg in die Klassikwelt und ihr absoluter Favorit unter den Komponisten.

Kupferblau: Was macht für euch den besonderen Reiz von Franz Schubert aus?

“Das Schöne an Schubert ist halt auch, dass er so viele Projektions- und Freiflächen hat. Schubert ist nicht so wie Beethoven, der ganz dicht mit vielen kleinen motivischen Materialien gearbeitet hat, wo es ein bisschen schwerer ist, da durchzukommen und das durchzubrechen, um es in andere Stile zu übersetzen. Da gibt es bei Schubert irgendwie mehr Flächen und mehr Freiheiten und halt auch diesen krassen emotionalen Zugang über die Worte und über die Lyrik in das Lied hinein. Da kommt Schubert für mich mehr aus dem Bauch raus.“ (KD)

Mit Sturm und Drang zum Brückenbau

Sowohl die Liedtexte von Wilhelm Müller als auch die Musik, die Schubert darüber legte, sind für die beiden Künstler zeitlose Gewänder, die auch heute noch genau so entstanden sein könnten. Doch während seines Gesangsstudiums merkte Justus schnell, dass er die Lieder auch ganz anders angehen möchte, nicht nur mit den Mitteln der klassischen Interpretation. Aus diesem Interesse heraus lernten sich Justus und Konstantin kennen:

„Wir haben im Studium gelernt wie man klassisch spielt und wie das klassische Konzertsetting auszusehen hat. Aber das reicht uns nicht. Wir wollen da mehr machen. Wir wollen die Lieder irgendwie anders denken und unseren eigenen Weg finden.“ (KD).

Verleiht den Kunstliedern ein ganz neues Klanggewand: Multiinstrumentalist Justus Wilcken. Foto: ITZ

Ihr eigener Weg lässt sich am besten wohl durch experimentierfreudige Brücken beschreiben. Verbindungen zwischen den klassischen Kompositionen und ihrem eigenen, modernen Ansatz und gleichzeitig einem Aufbrechen der klassischen Formen. Man merkt dabei, dass die beiden Musiker Respekt und Hochachtung vor Schuberts Werk haben, aber sich nicht davor scheuen, neue Sachen auszuprobieren und ihre eigene Musik daraus zu machen. Und so trifft der österreichische Komponist auf E-Bass und alle Mittel des Konzertdesigns; Licht- und Videoinstallationen inklusive. Franz Schubert reimagined. Mit feinem Gespür stellen Dupelius und Wilcken dabei aus den knapp 1000 Liedern Schuberts ihre Auswahl zusammen und präsentieren sie dem Publikum.

Kupferblau: Wie seid ihr auf die Auswahl der Lieder gekommen?

„Das Eingrenzen war tatsächlich eine reine Bauchentscheidung.“ „Wir saßen den ganzen Tag lang zusammen und haben uns intensiv durch die Zyklen gehört. Und dann war es wirklich so, wo fühlen wir uns connected, also nicht einfach nur über die Message, über den Text, sondern auch einfach über diese gewaltige Emotion, die in dieser Musik drinsteckt. Mit dem Prinzip arbeiten wir eigentlich immer da, wo wir uns irgendwo emotional andocken können, da bricht für uns eine große Welt auf, und der geben wir uns dann hin.“ (JW; KD).

Kupferblau: Hattet ihr Schwierigkeiten beim Neuinterpretieren und Personalisieren der klassischen Lieder?

„Ich weiß nicht, ob es eine Schwierigkeit gibt. Aber jedes Lied gibt einem immer neue Herausforderungen, manchmal kommt es ein bisschen leichter aus einem raus, manchmal hat man eine große Vision schon und manchmal haben wir viel im Original gespielt, bis wir dann mal so langsam auf eine Idee gekommen sind. Aber dadurch, dass wir diese Vorauswahl getroffen haben mit ausschließlich Liedern, die uns was bedeuten, ging das glaube ich relativ leicht bis jetzt. Da ist auch nicht mehr so die Hürde da, jetzt irgendwie ans Original viel zu denken und da nicht so hinwegzukommen, sondern das ist eigentlich unsere Musik, zu der wir voll stehen.“ (KD).

Alle Wege führen nach …

„Du hast es so gewollt – Franz Schubert reimagined“ ist somit nicht nur ein Gang durch die Musikzyklen Schuberts, sondern auch eine sehr packende und kunstvolle Einladung in die Bewegkraft der Musik und der Welt von Dupelius und Wilcken. Indem sie Text, Melodien, Bewegbilder und verschiedene musikalische Ansätze miteinander im Zimmertheater verbinden, entstehen für jede*n ganz individuelle Zugänge zur Musik. Gerade deswegen macht ihr Programm (klassische) Musik so anschlussfähig für unterschiedliche Altersstufen und Hintergründe: von Schubertliebhaber*innen bis hin zu energiereichen Partygänger*innen – für jede*n ist was dabei. Denn Musik wird hier verbunden und verbindet. Egal welchen Ausgangspunkt man hat, letztlich führen alle Wege in ein individuelles und einzigartes musiktheatralisches Erlebnis.

Wenn ihr erleben wollt, wie Justus Wilcken und Konstantin Dupelius Schuberts Lieder neue Gewänder und Farben verpassen, dann habt ihr im ITZ in den kommenden Wochen noch die Gelegenheit dazu. Die nächsten Termine sind am 27. April und 02./03. Mai.

 

Beitragsbild: ITZ

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