Am 12. Dezember 2015 wurde das berühmte Pariser Klimaabkommen verabschiedet. Es sieht vor, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Wo stehen wir heute, 89 Monate später? Ist das Ziel noch in Reichweite? Und was ist zu tun? Antworten gab Dr. Oliver Richters am 10. Mai im Kupferbau bei der Ringvorlesung „ECOnomics and Reality“.
„SUV-Fahrer werden Freiwild“, „Gerichts-Klatsche für Klima-Kleber!“ – so lauten nur zwei der jüngsten Schlagzeilen in Bezug auf die Klimakrise. Dass es sich bei dieser um eines der relevantesten Themen unserer Zeit handelt, ist unbestritten; dass im gesellschaftlichen und politischen Klimadiskurs häufig mit Halbwahrheiten und auch Fake News operiert wird, ebenso. Daher erscheint es sinnvoll, sich in der zunehmend polarisierten Debatte von Zeit zu Zeit wieder auf die wissenschaftlichen Fakten zu besinnen. Gelegenheit dazu bot am Mittwochabend der Vortrag des Physikers und Ökonomen Oliver Richters, der im Rahmen der Ringvorlesung „ECOnomics and Reality“ stattfand.
Richters und das PIK
Um kurz nach 18 Uhr begann der Vortrag, dessen Titel in Zeiten täglich neuer klimapolitischer Hiobsbotschaften wie eine rhetorische Frage anmutet: „Können wir das 1,5-Grad-Ziel noch erreichen? Eine interdisziplinäre Perspektive“. Hörsaal 22 im Kupferbau war eher spärlich gefüllt. Richters startete mit einigen Fakten zu seiner Arbeitsstätte, dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), das zurzeit etwa 400 Mitarbeiter beschäftige. In erster Linie gehe es der Einrichtung um Forschung zu Klima- und Naturveränderung mittels Datenanalyse. Nach diesen einleitenden Bemerkungen kam Richters aber rasch zu seinem eigentlichen Thema, der Klimaveränderung.
„Je weniger, desto besser“
„Klimaveränderung hat es schon immer gegeben“ – ein häufig zu hörendes Argument der Kritiker, so Richters. Seine Entgegnung: „Das stimmt, aber eben nicht in der Geschwindigkeit“. Die Beschleunigung der globalen Erwärmung, gerade in den letzten Jahren, sei dramatisch. Der Physiker verweist auf das viel zitierte Pariser Abkommen von 2015, demzufolge der Temperaturanstieg gegenüber dem vorindustriellen Niveau auf deutlich unter zwei Grad Celsius beziehungsweise möglichst auf 1,5 Grad begrenzt werden soll. Das Übereinkommen sei von großer Bedeutung, da die Staaten hier erstmals konkrete Zusagen gemacht hätten. Allerdings seien die festgelegten Ziele einigermaßen willkürlich, da es keine zweifelsfrei bekannten Kipppunkte gebe. Vielmehr gelte im Hinblick auf die Erwärmung die Devise: „Je weniger, desto besser.“
„Die technische Entwicklung ist wesentlich schneller, als wir es erwartet haben.“
Oliver Richters
Um die Krise so gut wie möglich in Schach halten zu können, müssten, so Richters, jetzt sofort die Emissionen reduziert werden. Es sei ineffizient und technisch nicht machbar, weiterhin auf fossile Brennstoffe zu setzen und auf neue Technologien zu warten. Gleichwohl könnten die Ziele ohne Technologien, mithilfe derer CO₂ wieder aus der Atmosphäre geholt wird, nicht erreicht werden. Trotz der beunruhigenden Klimasituation verbreitet der Referent Optimismus: Die technische Entwicklung sei wesentlich schneller als erwartet; vieles sei möglich, wenn es sich lohne und wenn die Anreize entsprechend passten. So werde beispielsweise bei einigen Autokonzernen vollständig auf Elektromobilität umgeplant. In naher Zukunft, so Richters Prognose, würden Elektroautos deutlich billiger sein als andere; auch auf dem Land lebende Menschen würden diese dann nutzen. Schwieriger sei es hingegen im Bereich der Schifffahrt und des Fliegens, da hier die alternative Technologie noch nicht feststehe.
Solaranlagen, Windräder, Stromtrassen – und ein CO2-Preis
Nach wie vor gebe es viel zu tun: Einen massiven Zubau brauche es zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien, um die fossilen Energieträger überwinden zu können. Aufgrund der Dunkelflauten, also der Zeiten, in denen es dunkel ist und kein Wind weht, sei eine enorme Anzahl an Solaranlagen und Windrädern nötig. Zudem müsse der Ausbau der Stromtrassen vorangetrieben werden: „Da waren wir in den letzten Jahren alles andere als dynamisch unterwegs.“ Aus diesem Grund sei es auch nicht möglich, bereits morgen vollständig auf erneuerbare Energien umzusteigen: „Da fehlen die Speicher, da fehlen die Netze“.
„Beim Ausbau der Stromtrassen waren wir in den letzten Jahren alles andere als dynamisch unterwegs.“
Oliver Richters
Ein wichtiges Instrument im Kampf gegen die Klimakrise sei auch ein CO₂-Preis. Durch ihn würden Dinge, bei deren Produktion viel Kohlenstoffdioxid ausgestoßen wird, tendenziell teurer, sodass sich die Menschen umorientieren. Es sei für alle selbstverständlich, dass, wer die Kosten trage, auch den Nutzen haben sollte. Wer also beispielsweise eine Pizza bezahle, müsse diese auch essen dürfen. Wer aber einen Schaden an der Umwelt produziere, trage hierfür momentan nicht selbst die Kosten. In der sich anschließenden Fragerunde wird Richters noch deutlicher: Die „unheilige Zusammenarbeit“ ökonomisch mächtiger Akteure und der Politik müsse ein Ende haben. Das Pariser Klimaabkommen sei im Deutschen Bundestag einstimmig angenommen worden; nur weigere sich die deutsche Politik bislang, die Konsequenzen, die dies bedeute, zu ziehen.
Das Ziel und die Zukunft
Am Ende seines gut 45-minütigen Vortrags gibt Oliver Richters die Antwort auf die titelgebende Frage, ob das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen sei. Sie ist so erwartbar wie ernüchternd: „Es ist aus unserer Sicht nicht mehr wirklich machbar, dass wir immer unter 1,5 Grad bleiben.“ Dennoch sollten wir an diesem Ziel festhalten und, wenn möglich, dazu zurückkommen. Es gebe genug zu tun, und zwar für Wissenschaftler aus vielen unterschiedlichen Disziplinen, die zusammenarbeiten müssten – wie es auch am PIK der Fall ist. Denn: „Einfach so weiterzumachen wie bisher, ist einfach auch wirtschaftlich eine bescheidene Idee.“
Titelbild: Mika Baumeister auf Unsplash