Max studierte vier Semester Musikwissenschaften in Tübingen und schrieb währenddessen für die Kupferblau. Dann brach er ab, um einen Neuanfang mit seiner Band zu starten. Ein Gespräch mit einem Studienabbrecher über seinen individuellen Werdegang und neue Blickwinkel.
Warum hast du Dein Studium abgebrochen?
Da gibt es sicherlich viele Gründe. Einer der großen Gründe war auf jeden Fall das neue Projekt, das wir angefangen haben – also unser Bandprojekt. Weil wir hauptsächlich in Stuttgart die bessere Möglichkeit gesehen haben, unser Netzwerk aufzubauen, als in Tübingen, wo es gestartet hat, und in Stuttgart einfach die größere Reichweite für so eine Musikband zur Verfügung stand. Wir haben auch mit dem Gedanken gespielt, das Ganze größer aufzuziehen, Künstler kennenzulernen, mit anderen Produzenten zu arbeiten, vielleicht dann auch ein Label zu gründen in Stuttgart und… im Zuge dessen, dass wir *lacht* sowieso immer mehr unser Studium vernachlässigt haben und hauptsächlich in Stuttgart waren, wo wir bereits unser Tonstudio hatten – da hatte es sich schon nicht mehr gelohnt und dann sind wir letztendlich auch nach Stuttgart gezogen. Wir waren da wirklich Feuer und Flamme, hatten coole Ideen und schon viele Leute hinter uns, die an die Idee geglaubt und uns motiviert haben, das Ganze größer aufzuziehen und das hat mit unserer Heimatstadt besser funktioniert.
Wie hieß Deine Band?
Leitmotiv.
Wie lief das Band-Projekt?
Ziemlich, ziemlich gut. Allgemein gesprochen war es erstmal auch eine riesige Erfahrung. Wir haben sehr, sehr viel gearbeitet in sehr kurzer Zeit und deshalb haben wir auch viel geschafft. Ganz viele neue Leute kennengelernt, die dann bei diesem Projekt in irgendeiner Form beteiligt waren und viele Freunde in Stuttgart gehabt, die dann auch direkt integriert wurden. Es ging wirklich Schlag auf Schlag, tatsächlich, man hat Sponsoren gefunden und große Produzenten gefunden und Studios, in denen man aufnehmen konnte. Dann haben wir letztendlich unseren ersten Labelvertrag in Stuttgart gehabt und auch unser Labelbüro, was sich natürlich sehr angeboten hat. Viele Konzerte, viele Radioshows, kleine Festivalauftritte, coole Begegnungen mit Zeitschriften, Magazinen, Zeitungen – tolle Interviews, Kollaborationen, Supportshows gehabt, war eigentlich alles dabei… Viele, viele Songs geschrieben, ein Album, EPs und Singles produziert… ja.
Also habt ihr recht schnell einen guten Einblick in das ganze Business bekommen und wie das Ganze dann abläuft.
Ja, ich glaub‘ wir hatten eine sehr klare Linie eigentlich, vielleicht bis zu einem gewissen Punkt für eine Band, die sich abseits von der Industrie dieses Musikgeschäfts eigentlich mit der Kunst der Musik beschäftigen wollte, ein bisschen zu schnell. Wir haben uns gar nicht die Möglichkeit gegeben, unseren Stil, unsere Idee, unser Konzept als Band zu entfalten… wir haben auch Songs geschrieben, während noch gar nicht die Bandstruktur dafür bestanden hatte.
Habt ihr dabei auch andere Bands kennengelernt?
Ja, sehr viele andere Bands. Also, es gab wirklich Momente, wo wir Woche Woche mit neuen Künstlern in Kontakt gekommen sind. Ganz, ganz große Community, riesiges Netzwerk. Auch zu den richtigen Momenten am richtigen Ort sein, da funktioniert das dann wie so ein Wasserfall, du kommst einfach rein, du lernst jemanden kennen und der kennt dann jemand anderes und dann merkst du, wie vernetzt das Ganze eigentlich ist. Eigentlich kennt sich die ganze Musikbranche – und das kann vom kleinsten Studioingenieur sein bis hin zu jemandem, der live abmischt bei irgendwelchen Auftritten – Am Schluss kennen sich irgendwie alle.
Deine Band gibt es nicht mehr? Was machst du jetzt?
In so einer jungen, schnell aufsteigenden Bandkarriere oder Bandgeschichte sind wir natürlich doch auch mit gewissen Problemen konfrontiert worden, dass man sich dann irgendwann mit verschiedenen Meinungsverschiedenheiten konfrontiert sieht und auch merkt, dass vieles auch ein bisschen zu schnell geht und man dann irgendwo landet, wo man am Schluss gar nicht landen möchte. Grundsätzlich, um das gar nicht lang auszuführen, hat es am Schluss dann doch nicht geklappt – was auch nicht so schlimm war, weil es letztendlich glaub‘ ich auch das Beste für alle war und jeder nochmal frische Erfahrungen tanken und sich neu orientieren konnte. Es war trotzdem eine superwichtige Erfahrung – ich glaube, da sind wir uns alle einig – und jetzt habe ich mir im Zuge dessen, dass ich mich dann finanziell ein wenig unabhängiger machen wollte, eine Quereinstiegs-Ausbildung/Stelle gesucht und arbeite jetzt für ein Finanzdienstleistungsunternehmen im Vertrieb.
“…dann hat man plötzlich eine andere Perspektive auf etwas wie zum Beispiel so ein Studium der Musikwissenschaft”
Wie entwickelt sich dein musikalisches Projekt neben der Arbeit?
Mein Arbeitsalltag ist sehr flexibel – nicht unüblich im Vertrieb, dass man sich die Zeit selbst einteilen kann – und ich nutze eigentlich jede freie Minute, die ich habe, mich in meiner Musik weiterzubilden, kreativ zu sein, neue Songs zu schreiben. Ich habe aber gleichzeitig auch eine ganz andere Perspektive auf ganz andere Sachen bekommen, wie z.B. ironischerweise die Musikwissenschaft, die ich mir jetzt in einem viel autodidaktischeren Weg selbst nochmal beibringe, weil ich merke, dass ich mich doch sehr dafür interessiere. Sehr viel klassische Musik, Komposition und Arrangement und auch die Notation von Musik, von Partituren – und meine eigenen Kompositionen. Da schaue ich, dass ich in vielen Teilbereichen, Genres – einfach wirklich alles ausprobiere, was eigentlich geht.
Wie denkst Du heute über das Studieren und dein Fach?
Eigentlich nicht anders als davor, weil die Musikwissenschaft, auch in Bezug auf die Musiktheorie und alles Systematische und Historische was inbegriffen ist, mich schon immer begeistert hat, genauso wie es mich noch heute begeistert. Ich glaube, als junger Mensch lernt man sehr schnell und zwei, drei Jahre sind, vor allem in so einem musikalischen Bereich, wenn man auch viel probt und übt und jeden Tag dransitzt – man merkt sehr schnell Veränderung und Verbesserungen und kann sich ganz neuen Herausforderungen widmen – und dann hat man plötzlich eine andere Perspektive auf etwas wie z.B. so ein Studium der Musikwissenschaft, was im Nachhinein super toll gewesen wäre, wenn ich das Ganze abgeschlossen hätte. Einfach auch für den Titel, um einen Bachelor-Abschluss letztendlich zu haben. Auf der anderen Seite würde ich viele Seminare heute aus einer ganz anderen Perspektive sehen und nochmal mit einer ganz anderen Motivation anpacken, glaube ich.
Würdest Du tendenziell das Studium nochmal aufnehmen?
Ja! Tatsächlich spiele ich sehr aktiv mit dem Gedanken, das Studium nochmal aufzunehmen. Die Frage ist eigentlich nur, wann. Und in welchem Umfang. Es gibt viele Möglichkeiten, Musikwissenschaft zu studieren. An der Universität ist es sicherlich auch eine sehr, sehr schöne Erfahrung, weil eben das theoretische ein großer Teil davon ist und ein gewisses Interesse dazu beiträgt, dass man das auch gut hinbekommt, aber es gibt viele Möglichkeiten. Man kann ja auf Akademien gehen, die das Thema Filmmusik auch ein bisschen mehr miteinbeziehen. Ich glaub‘ auf die Hochschule pack‘ ich’s leider nicht, dazu fehlen mir dann doch die grundlegenden Fähigkeiten, die ich mir als Autodidakt eben so selbst nicht beibringen kann. *lacht*
Wie würdest Du retrospektiv deinen Werdegang bewerten?
Grundsätzlich, kann ich im Nachhinein sagen, bin ich sehr, sehr froh über diese unterschiedlichen Erfahrungen – abgesehen davon, dass ich gern ein Typ für Tapetenwechsel bin, also dieses Hin und Her fand‘ ich noch nie problematisch. In jeder Situation, in der ich mich für etwas entschieden habe, war es die richtige Entscheidung – einfach nur aus dem Affekt heraus, weil ich mir in dem Moment so sicher war, dass ich die Entscheidung getroffen habe. Allein die Tatsache, dass ich jetzt aus einer ganz anderen Perspektive über das Studium nachdenke und dann dadurch auch mit der Motivation spiele, es, wenn nicht sogar in Tübingen, nochmal anzugehen, zeigt mir eigentlich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.
Vielen Dank dir, Max!
Titelfoto: Julian Kliebhan