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Studentische Themen bei der Landtagswahl 2021: Was die Parteien wollen

Am kommenden Sonntag findet die Landtagswahl in Baden-Württemberg statt. Für alle Unentschlossenen hat die Kupferblau die Positionen der aussichtsreichsten Parteien zusammengefasst und verglichen. Es geht um Themen, die die Studierenden bei dieser Wahl besonders bewegen: BAföG, Forschung und Lehre, Gleichstellung, Klimaschutz, ÖPNV und studentische Mitbestimmung.

BAföG

von Lara Peters

Von großer Wichtigkeit sind für viele Studierende die BAföG-Regelungen, die auch in der Politik immer wieder diskutiert werden. Obwohl die BAföG-Debatte auf Bundesebene stattfindet und zentrale Entscheidungen dort verhandelt werden, äußerten sich auch baden-württembergische Parteiverbände sowie manche Landtagskandidat*innen aus Tübingen dazu. Häufig diskutierte Ansätze sind dabei die Auszahlung von BAföG unabhängig vom Einkommen der Eltern, dem Alter und der Regelstudienzeit sowie die Erhöhung eines BAföG als Vollzuschuss.

Daniel Lede Abal, Landtagsabgeordneter und Kandidat der Grünen im Kreis Tübingen, träumt von einem elternunabhängigen, bedarfsgerechten BAföG ohne Verschuldung. Unabhängig von der individuellen Situation solle Studierenden eine Grundsicherung von 290 Euro zur Verfügung stehen: „Abhängig von der sozialen Situation können weitere Hilfen in Anspruch genommen werden, so dass Studierende bis zu 890 Euro im Monat (…) zur Verfügung hätten – das alles als hundertprozentige Zuschüsse“, erklärt Abal. Diese Sicherung solle für Studierende innerhalb der Regelstudienzeit plus für zwei weitere Semester ermöglicht werden. „Schon die Pandemie macht den Handlungsbedarf an dieser Stelle klar“, bekräftigt der Spitzenkandidat.

Auch die Landespressestelle der SPD betont, dass die Partei  wieder mehr jungen Menschen finanzielle Unterstützung im Rahmen des BAföG ermöglichen möchte – beispielsweise „durch eine weitere Anhebung der Freigrenze für das Einkommen der Eltern“. Tübingens SPD-Kandidatin Dorothea Kliche-Behnke ist ebenfalls für „eine umfassende BAföG-Reform, die den Zugang erleichtert, Bürokratie abbaut und höhere Beiträge auszahlt“ und darüber hinaus nicht an das elterliche Einkommen gekoppelt ist. BAföG als Vollzuschuss auszuzahlen findet Kliche-Behnke jedoch unrealistisch. „Allerdings sind Schritte in diese Richtung, beispielsweise das 50/50-Modell als Zuschuss- und Darlehensanteil, mehr als eine Überlegung wert”, so die Kandidatin.

Julian Schröder, Pressesprecher der FDP in Baden-Württemberg erklärt: „Wir befürworten eine weitreichende Reform des BAföG und die Etablierung eines Bausteinmodells mit einem nicht zurückzuzahlenden BAföG-Sockel, einem BAföG-Zuschuss für ehrenamtliche Tätige oder Pflegende sowie einem Darlehensanteil.“ Dabei solle das BAföG flexibel und vom Einkommen der Eltern unabhängig sein. Darüber hinaus plant die FDP eine Bundesratsinitiative, um auch „die Finanzierung von Weiterbildung mit (…) einem Midlife-BAföG zu erleichtern.“

Oliver Hokenmaier von der Landesgeschäftsstelle der CDU erklärt: „BAföG ist und bleibt ein stabiler Anker gerade für einkommensschwache Familien, um das Studium ihrer Kinder finanzieren zu können. (…) Als CDU wollen wir diese zielgenaue Unterstützung nicht grundsätzlich aufweichen.“ Im Rahmen der BAföG-Reform 2019 seien bereits wichtige Veränderungen vorgenommen worden: Die Erhöhung des Förderungshöchstsatzes sowie der Freibeträge und der Zuschläge. „Die Anpassung entlang der Preis- und Lohnentwicklung steht für uns auch künftig nicht zur Debatte.“

Gegenüber dem Studi-O-Mat spricht sich die Linke für BAföG als Vollzuschuss, seine Erhöhung und die Abkopplung von der Regelstudienzeit aus: „Bildung ist ein Menschenrecht. (…) Um darauf von der Landesebene aus hinzuwirken, wollen wir, dass Baden-Württemberg eine entsprechende Bundesratsinitiative anstößt.“ Darüber hinaus soll BAföG eltern- und altersunabhängig ausgezahlt werden.

Von der AfD erhielten wir leider keine Antworten auf unsere Fragen. Gegenüber dem Studi-O-Maten gab die AfD an, nicht für die Auszahlung als Vollzuschuss zu sein: „Wir halten an der Ursprungsidee fest: Das BAföG muss altersbegrenzt und nach Einkommen der Eltern gewährt werden.“

Dorothea Kliche-Behnke (39), will für die Tübinger SPD in den Landtag. © Kliche-Behnke

Forschung und Lehre

von Laura Winter

Einigkeit im gesamten Parteienspektrum ist bekanntlich rar – ein Thema bei der diesjährigen Landtagswahl vermag es aber, Brücken zu schlagen: Open Access. Freier Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen ist ein Allgemeingut, da Hochschulen mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, befinden Grüne und Linke. Außerdem verbessere der Ausbau den internationalen Anschluss der baden-württembergischen Hochschulen (SPD). Grüne und AfD weisen darauf hin, dass die Entscheidung, Publikationen frei zugänglich zu machen, letztendlich jedoch eine freiwillige Entscheidung der jeweiligen Wissenschaftler*innen bleiben müsse. Auch die CDU befürwortet den Ausbau von Open Access, hat jedoch keine Stellungnahme abgegeben.

Wenn Open Access gefördert werden soll, dann auch mehr Software-Lizenzen für Studierende? Ja, finden Linke, FDP und AfD. Die Maßnahme diene als Überbrückung zur flächendeckenden Ausstattung mit Open-Access-Software (Linke) und habe besonders im Bereich der Online-Seminare aktuelle Relevanz (AfD). Die FDP möchte durch besseren Zugang vor allem eine Verbesserung der Software erreichen. Die SPD zeigt sich neutral: sie möchte die Entscheidung über Lizenzerwerbe bei den Hochschulen lassen. Die Grünen sehen keinen Bedarf am Ausbau von Lizenzen, haben ihre Position aber dennoch neutral verortet. Die CDU ist ebenfalls neutral, hat aber keine Stellungnahme abgegeben.

Endlich einfacher digitaler Austausch, und das auch noch im ganzen Land? Linke, FDP und AfD befürworten die Einführung eines einheitlichen IT-Angebots für Hochschulen wie zum Beispiel Campus-Apps oder eine Lernplattform. CDU, Grüne und SPD sprechen sich zwar ebenfalls dafür aus, sehen die Verantwortung allerdings auf Seiten der Hochschulen und verorten sich deswegen eher neutral.

Ein weiteres Thema sind 24/7 offene Bibliotheken: Grüne und Linke sind skeptisch, befürworten aber prinzipiell verlängerte Öffnungszeiten. Die Bibliotheken rund um die Uhr zu öffnen lehnt die Linke aus Gründen des Beschäftigten- und Nutzer*innenschutzes ab. Die CDU ist der Meinung: „Lange Öffnungszeiten sind gut – rund um die Uhr ist nicht erforderlich“, begründet ihre Aussage allerdings nicht. Für eine 24/7-Öffnung plädieren FDP, AfD und SPD. Bibliotheken seien wichtige „dritte Orte“ (FDP), allerdings müssten die Belastungen der Involvierten sensibel abgewogen werden (SPD).

Wer was studieren darf, regeln zum einen die Hochschulzugangsberechtigung und zum anderen fachspezifische Tests in einigen Studiengängen. Ob künftig nur noch die Hochschulzugangsberechtigung, also das Abitur, ausschlaggebendes Kriterium bei der Zulassung zum Studium sein soll, bietet offenbar Konfliktpotential: Linke, FDP, CDU und AfD sprechen sich dagegen aus. Argumente sind vor allem die Momenthaftigkeit der Hochschulzugangsberechtigung und der Ausschluss außerschulischer formaler Qualifikationen. „Um eine bessere Durchlässigkeit von beruflicher und akademischer Bildung zu ermöglichen sollte den Hochschulen im Zulassungsrecht die Möglichkeit geschaffen werden, für beruflich Qualifizierte eine Vorabquote von bis zu 5% vorzusehen. Dieses Modell wird etwa in Bayern praktiziert, wo es damit gelungen ist, die Zahl der beruflich Qualifizierten unter den Studienanfängern erheblich zu steigern“, äußert sich die FDP Baden-Württemberg. Während die Grünen sich neutral zeigen und die Frage im “Dialogprozess Zukunftslabor Hochschule” diskutieren will, ist die SPD für die Alleinstellung des Zugangskriteriums. Bei internen Auswahlverfahren sollen jedoch Praktika, Freiwilligenarbeit und berufliche Erfahrung berücksichtigt werden.

Große Uneinigkeit herrscht auch bei der Frage, ob englischsprachige Studiengänge gezielt gefördert werden sollen. SPD und FDP wollen fördern, Linke, Grüne und CDU verorten sich neutral. Die Linke befürwortet zwar die internationale Einbindung von Hochschulen, mit der auch die SPD ihre Antwort begründet, befürchtet jedoch eine Benachteiligung derer, die über geringe Englisch-Kenntnisse verfügen. Die Grüne möchte die freie Gestaltung den Hochschulen zugestehen. Die CDU hat keine Stellungnahme abgegeben. Die AfD lehnt eine Förderung ab.

Die Linke hat große Pläne für die Zukunft der baden-württembergischen Hochschulen: eine umfassende Umstrukturierung des derzeitigen Lehrstuhl-Systems soll sich am Department-System nach angelsächsischem Vorbild orientieren. Der Landesverband erklärt seine Vision und räumt ein: „Es stimmt, dass die Umstellung eine umfassende Reorganisation der Lehre und Forschung bedeuten würde. Wünschenswert wäre dies aber auf alle Fälle: wissenschaftlich Beschäftigte unterhalb der Professur wären so freier in ihren Entscheidungen und Hierarchien an der Hochschule wären flacher.“

Gleichstellung der Geschlechter

von Laura Winter

Grüne, SPD und Linke wollen die Gleichstellungsarbeit an Hochschulen weiter ausbauen und finanziell fördern. SPD-Kandidatin Dorothea Kliche-Behnke meint dazu: „Wir streben eine Parität in allen Bereichen des Lebens an, die Hochschulen gehören klar dazu. Gleichzeitig wollen wir die Position der Gleichstellungsbeauftragten stärken – nicht nur finanziell, sondern auch durch ein Stimmrecht in Berufungs- und Auswahlkommissionen.“ Die CDU verortet sich neutral und sieht aufgrund der im Hochschulfinanzierungsvertrag vereinbarten Mittel keinen Handlungsbedarf. Die FDP lehnt einen Ausbau der Gleichstellungsarbeit mit der Begründung der CDU ab. Auch die AfD ist gegen eine Förderung der Gleichstellungsarbeit mit der Begründung, dass man Leistung anstatt Geschlecht fördern wolle.

Mit demselben Argument stellt sich die AfD auch gegen die Förderung queerer Menschen in der Wissenschaft. Leistung ist das ausschlaggebende Argument für die FDP, um Quoten abzulehnen, Chancengleichheit solle unabhängig der sexuellen Identität trotzdem für alle gelten. SPD, Grüne und Linke machen sich für eine stärkere Förderung queerer Menschen in der Wissenschaft stark und sehen Chancen in verschiedenen Ansatzpunkten wie Quoten, Gleichstellungsarbeit und der Etablierung neuer Forschungsperspektiven. Die CDU hat keine Stellungnahme abgegeben, meint jedoch auf Nachfrage der Kupferblau: “Wissenschaft lebt davon, dass sie ohne Vorurteile und frei forschen kann. Dazu gehört es für uns als Selbstverständlichkeit, dass bei Forschung und Lehre allein die wissenschaftliche Leistung zählt und queeren wie nicht-queeren Menschen dabei ohne Vorurteile und Benachteiligungen begegnet wird.”

Für eine genderneutrale Gestaltung der Uni-Infrastruktur sprechen sich Linke, SPD und Grüne aus. Die Parteien sind sich darin einig, dass dieser Prozess nicht von heute auf morgen geschieht, wollen ihn aber durch konkrete Maßnahmen wie zum Beispiel Unisex-Toiletten ankurbeln. Die FDP will Hochschulen dabei unterstützen, auf die vielfältigen Lebensrealitäten ihrer Mitglieder und Angehörigen angemessen zu reagieren, äußert sich aber nicht zum konkreten Thema einer genderneutralen Infrastruktur. Die CDU hat keine Stellungnahme abgegeben. Die AfD lehnt eine genderneutrale Gestaltung ab.

Ein ähnliches Meinungsbild zeichnet sich bei der Frage nach einer vereinfachten Änderung von Geschlecht und Namen an Hochschulen ab: Grüne, SPD und Linke wollen sich dafür stark machen. Die FDP verweist auf eine geplante Bundesratsinitiative, die den Gleichheitssatz im Grundgesetz um die sexuelle Identität erweitern soll. Auch der Aktionsplan des Landes zur Gleichstellung soll ausgebaut werden. Die CDU hat keine Stellungnahme abgegeben. Die AfD sieht die Kompetenz hier nicht bei den Hochschulen und stellt sich mit Verweis auf das Personenstandsgesetz gegen den Vorschlag.

Eine geschlechterspezifische Quotierung von Gremien und Ämtern an Hochschulen lehnen FDP, CDU und AfD ab. Für die Grünen kann die Quotierung ein Thema sein, genaueres soll auch hier im „Dialogprozess Zukunftslabor Hochschulen“ erarbeitet werden. „Die Ergebnisse des Dialogprozesses sollen dann in der Hochschulgesetzgebung umgesetzt werden. Die Frage der Quotierung aller Gremien und Ämter kann dabei – über die bisherigen Schritte hinaus – ein Thema sein“, erläutert Grünen-Kandidat Daniel Lede Abal. Die Linke, wie auch die SPD, befürwortet diese Maßnahme klar und schlägt vor, die Quote an fachspezifischen Realitäten zu orientieren.

Bei der Frage nach verpflichtenden Weiterbildungen zu den Themen Geschlechterdiversität und sexuelle Belästigung tun sich zwei Lager auf: SPD, Grüne und Linke sehen diese Maßnahmen als wichtiges Instrument zur Bekämpfung von geschlechterbezogener Diskriminierung an Hochschulen. Klare Ablehnung dagegen auf Seiten von FDP, CDU und AfD: während die FDP sich vor allem an dem verpflichtenden Aspekt zu stören scheint und die Entscheidung über Schulungen den jeweiligen Hochschulen überlassen möchte, lehnt die AfD die Thematisierung von Sexualität und mit ihr einhergehender Diskriminierung im Rahmen von Schulungen generell ab. Die CDU hat ihre Ablehnung nicht weiter begründet.

Daniel Lede Abal (44), sitzt seit 2011 für die Grünen im Landtag. © Valentin Marquardt, Kreisgeschäftsstelle von Bündnis 90 / Die Grünen

Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)

von Kai Bergmüller

Der öffentliche Nahverkehr in Baden Württemberg ist für Studierende ein wichtiges Themenfeld. Immer wieder kam in den letzten Jahren die Idee eines landesweiten Semestertickets für Studierende auf. Das Vorhaben wird jedoch nur von der SPD und den Linken unterstützt. Diese fordern eine Subventionierung dieses Vorhabens. Die Grünen, die CDU und die AfD sehen nicht die Notwenigkeit, ein solches Ticket finanziell zu unterstützen.

Zusätzliche Brisanz erhält die Diskussion um den ÖPNV durch den hohen Stellenwert des Automobils im Lande und den gerade stattfindenden Technologieumbruch in dieser Branche. Bis auf die AfD sind sich alle großen Parteien einig, dass der ÖPNV attraktiver gestaltet werden soll. Bei der Umsetzung dieser Forderungen gibt es allerdings große Unterschiede. Die Grünen sowie die SPD fordern eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen im öffentlichen Verkehr bis 2030. Die Linke schließt sich diesem Ziel teilweise an, beschränkt es jedoch auf den Schienenverkehr. Um dies auch zu erreichen heißt es: Investieren, investieren, investieren. Auch hier sind sich die Grünen, SPD und Linke weitgehend einig: Das Ticket muss billiger werden!

Niedrige Ticketpreise, welche wohl nur durch eine Subventionierung dieser zustande kommen können, sollen laut Grünen durch einen möglichen Mobilitätspass, ausgegeben von den Kommunen, finanziert werden. Die SPD geht hier sogar noch einen Schritt weiter und fordert eine einkommensabhängige Nahverkehrsabgabe. Die Linken bringen die Idee ins Spiel, eine Nahverkehrsabgabe für Unternehmen einzuführen, welche pro Mitarbeiter*in eine monatliche Abgabe bezahlen sollen.

Ein weiterer Streitpunkt im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel ist die Investition in klimaneutrale Verkehrsmittel. Um dies zu erreichen wollen die CDU, FDP und die Grünen den Bahnverkehr in Baden-Württemberg vollständig elektrifizieren. Auch die Busse sollen, wenn es nach Grünen, CDU und FDP geht, durch klimaneutrale Energieformen angetrieben werden. Die Grünen wollen daher einen zeitnahen Umstieg auf batterie- und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge, während die CDU und FDP ausschließlich die Förderung von Wasserstoffantrieben befürwortet.  Die AfD will von alldem gar nichts wissen. Für sie ist der Verbrenner das Maß aller Dinge, wohingegen sie die E-Mobilität für nicht alltagstauglich und extrem teuer hält.

Damit die Bevölkerung auf den ÖPNV auch wirklich umsteigt, gibt es natürlich auch die Möglichkeit, die Nutzung von Autos einzuschränken. Für die Kandidatin der SPD im Wahlkreis Tübingen Kliche-Behnke und auch die Linken sind autofreie Innenstädte vorstellbar. Darüber hinaus sehen die Linken in der Reduzierung von Parkplätzen eine Chance, den Autoverkehr zu minimieren und damit dem Klima zu helfen sowie die Lebensqualität in den Städten zu erhöhen. Die CDU, FDP und der Grünen-Kandidat Lede Abal distanzieren sich von solchen Ideen und beschränken sich daher auf die Attraktivitätssteigerung des ÖPNV.

Verhärtete Fronten gibt es auch bei der Frage, ob der Ausbau des Schienennetzes Vorrang vor dem Ausbau des Straßennetzes haben soll (Schiene vor Straße). Dazu beziehen Grüne, SPD und  Linke klar Stellung: Der Ausbau des Schienennetzes habe Vorrang vor der Straße. Dagegen halten allerdings die CDU, FDP und AfD, welche immer wieder die Daseinsberechtigung des Autos und des Verbrenners betonen.

Die Grünen, CDU, SPD, FDP und die Linken setzen zudem auf ein intelligentes und effizientes Angebot durch die Möglichkeiten der Digitalisierung. Dank Car-Sharing-Angeboten, autonomen Shuttle-Bussen und der besseren Kombinierbarkeit der unterschiedlichen Fortbewegungsmethoden soll der ÖPNV konkurrenzfähig werden. Besonders für die FDP ist die Digitalisierung der zentrale Aspekt im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel. Durch eine Bündelung aller Angebote in einer App soll das Reisen mit dem ÖPNV komfortabler werden und es den Anbieter*innen ermöglichen zielgerichteter die Nachfrage zu bedienen. Auch die SPD setzt sich für eine Zentralisierung des Angebots ein, was durch eine Reduzierung des Flickenteppichs von Verkehrsverbünden erreicht werden soll.

Klimaschutz

von Marie Geisbusch

Die Thematik „Klimaschutz“ ist nicht erst seit gestern politisch geworden und auch die 20°C im Februar 2021 dürfte vielen wieder klar gemacht haben, dass es ernst ist. In der kommenden Landtagswahl werden deshalb auch Fragen diskutiert, wie das Land Baden-Württemberg und insbesondere die Hochschulen einen Beitrag zur Klimaneutralität leisten können.

Zu der These „Die Hochschulen sollen bis spätestens 2030 klimaneutral werden“ im Studi-O-Mat haben sich SPD, die Grünen und die Linke positiv geäußert. Laut der CDU müsse der Staat seiner Vorbildfunktion gerecht werden und schnellstmöglich eine klimaneutrale Landesverwaltung erreicht werden. „Die öffentliche Hand – und dazu gehören die Hochschulen – muss beim Klimaschutz Vorbild sein. Wir setzen uns dafür ein, dass die Landesverwaltung bis 2030 weitgehend klimaneutral arbeitet“, nehmen die Grünen Stellung. Ihr Motto: „Je schneller wir die Treibhausgas-Emissionen senken können, desto besser!“

Die Grünen können sich darüber hinaus ein Förderprogramm für klimaneutrale Wohnheime vorstellen. Dies soll laut Daniel Lede Abal, dem Kandidaten der Grünen im Landkreis Tübingen, dafür sorgen, dass beim Neubau die „aktuell höchsten energetischen Baustandards“ beachtet werden und Anreize zur schnellen energetischen Sanierung der bestehenden Wohnheime geschaffen werden. Durch Solarpanels auf dem Dach und die Nutzung von Abwärme aus Mensen könnten die Gebäude zudem regenerative Energie und Wärme liefern.

Die Linkspartei fordert eine bessere Finanzierung der Hochschulen durch das Land, damit die Hochschulen bis 2030 das Ziel der Klimaneutralität erreichen. Gleichzeitig möchten sie sich für die Entwicklung Baden-Württembergs zu einem klimapositiven Land einsetzen. Es soll also mehr CO2 kompensiert als ausgestoßen werden. Dafür sei das Schaffen von “Kohlenstoffsenken” unabdingbar. Kohlenstoffsenken sind laut der Linken nicht nur gesunde Wälder und Moore, sondern auch Technologien wie die Verkohlung von Biomasse zu Pflanzenkohle.

Auch die FDP sieht die Erreichung der Klimaneutralität als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe an und befürwortet das Erreichen derselben auch an den Hochschulen – aber mit Einschränkungen. Diese stünden u.a. vor „zahlreichen Herausforderungen bei der Digitalisierung und der Innovation“, weshalb das Ziel der Klimaneutralität nicht priorisiert werden könne. Die Haushalte der Hochschulen sollen nicht zusätzlich belastet, der Digitalisierungsprozess in der Verwaltung solle vorangetrieben werden. Es brauche darüber hinaus ein „stringentes landesweites Campuskonzept für den Infektionsschutz“, um Prüfungsleistungen planbar zu machen und Präsenzlehre nicht nur für die Anfangssemester zu ermöglichen.

Die AfD sieht allein Forschung und Lehre als Aufgabe der Hochschulen an, Klimaschutz gehöre nicht zu ihren Aufgaben. Generell dürfe die Umsetzung von Klimaschutzzielen nicht auf die Kosten der Steuerzahler*innen erfolgen. Die „Dekarbonisierung“ im Namen des Klimaschutzes schädige unsere Wirtschaft und Umwelt massiv. Windenergie beispielsweise sei teuer und ineffizient, da sie die kleinsten Erntefaktoren (Verhältnis der genutzten zur investierten Energie) aller Energiewandlungsverfahren aufweise. Für Baden-Württemberg, ein windschwaches und dichtbesiedeltes Gebiet, sei Windkraft daher ungeeignet. Der Strompreis für private Haushalte war zudem im März 2020 im weltweiten Vergleich am höchsten. Deshalb dürften laut AfD Erholungsräume und Rückzugsgebiete für Mensch und Tier nicht für den Ausbau der Windkraft herhalten. Sie verurteilt daher die Abholzung von Wald zur Errichtung von Windkraftanlagen.

Die CDU hingegen möchte die Windkraft „verantwortungsvoll ausbauen“ und die Belange des Naturschutzes und der Anwohner*innen berücksichtigen. Die Abstandsregelungen von 1km von Windkraftanlagen zu Wohnbebauung sollen beachtet werden. Diese stellen aber laut der SPD eine Behinderung für den Ausbau der Windkraft dar, da dadurch „bis zu 50 Prozent der heute möglichen Flächen für Windräder nicht mehr zur Verfügung stünden“. Im Rahmen einer „Windkraft-Offensive im Staatswald“ sollen Flächen im Wald stärker genutzt werden, indem Windräder gebaut werden. Es werde hierbei zu wenig getan, obwohl in Baden-Württemberg ein großes Potenzial bestünde. Die SPD-Landtagskandidatin für Tübingen, Dr. Dorothea Kliche-Behnke, fordert eine „konsequentere Politik“, um das Ziel, bis 2030, 75% des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu beziehen, zu erreichen.

Die Linke sieht in der Windkraft die „ökologischste Stromerzeugung“ aufgrund des moderaten Flächenbedarfs und der geringen CO2-Emissionen in der Produktion. Weiterhin möchte  sich die Linke dafür einsetzen, dass ab 2035 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden dürfen. Das Auto „als Mittel des motorisierten Individualverkehrs“ sei nie klimafreundlich, egal, ob es sich dabei nun um E-Autos handle oder nicht.

Nach Aussagen des Landtagskandidaten der Grünen, Daniel Lede Abal, sei es unausweichlich, ein Ablaufdatum für die Zulassung von Autos mit Verbrennungsmotor festzulegen, wenn wir die Klimaschutzziele einhalten wollen. Es gebe damit aber auch die „Chance für eine Transformation“, da z.B. Arbeitsplätze im Bereich der Wasserstofftechnologie, Digitalisierung, Metallverarbeitung und der Elektrotechnik entstünden. Weiterbildungsangebote und eine soziale Absicherung sollen sicherstellen, dass die Beschäftigten der Automobilindustrie in anderen Bereichen Fuß fassen können.

Laut der AfD gefährde die Verkehrswende „hunderttausende Arbeitsplätze im Automobilland Baden-Württemberg“, weshalb sie die „Bevorzugung bestimmter Verkehrstechnologien“ wie die Subventionierung der E-Mobilität ablehnt. Oliver Hokenmaier von der Landesgeschäftsstelle der CDU sieht eine Zukunft für Verbrennungstechnologien, die auf Basis synthetischer Kraftstoffe kaum Emissionen verursachen.

Bei den vergangenen zwei Landtagswahlen siegten die Grünen. Bei der Wahl am Sonntag entscheidet sich, ob Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine dritte Amtszeit antreten kann. © Thomas Dinges

Studentische Mitbestimmung

von Jonathan Pflanzer

Die Frage, welche Rechte die Verfassten Studierendenschaften in Baden-Württemberg haben dürfen, ist seit Jahrzehnten ein Streitthema. Bis 2012 war es den baden-württembergischen Studierendenvertretungen per Landeshochschulgesetz verboten, sich politisch zu äußern. Mit der Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft im Jahr 2012 hieß es dann aber im neuen Gesetz: „Im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nimmt die Studierendenschaft ein politisches Mandat wahr.“

Doch diesen Satz ließ die schwarz-grüne Landesregierung 2017 aus dem Landeshochschulgesetz streichen. Seither herrscht bei vielen Studierenden Verwirrung darüber, ob sich Studierendenvertretungen wie der StuRa nun zu politischen oder gesellschaftlichen Themen äußern dürfen oder nicht. Die Antwort lautet: Jein. Denn nach aktueller Rechtsprechung dürfen sie das zwar, aber nur, wenn ihre Äußerungen Bezug zur Hochschulpolitik oder zu den Studierenden aufweisen.

Die SPD und die Linkspartei fordern daher, den Studierendenvertretungen ein allgemeinpolitisches Mandat zu erteilen, welches sie befähigen würde, auch zu nicht-hochschulpolitischen bzw. nicht-studentischen Themen Stellung zu beziehen. Die SPD hat die Forderung in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Zur Begründung heißt es dort: „Wir stellen uns klar gegen Maßnahmen, die die Hochschulen zu einem unpolitischen Raum machen wollen.“ Die Linke hat die Demonstrationen gegen die Streichung dieses Satzes unterstützt und spricht von einem Skandal, der „eine umfassende Vertretung der Interessen von Studierenden nicht möglich“ mache – so in einer Stellungnahme für den Studi-O-Mat.

Die Grünen sehen keinen Bedarf, den gestrichenen Satz wieder ins LHG aufzunehmen. Die CDU, AfD und FDP möchten den Satz ebenfalls nicht hineinschreiben. Die AfD spricht sogar von Cancel Culture und befürchtet eine Politisierung der Hochschule. Eine Anfrage der Kupferblau dazu, welche Themen Studierendenvertretungen stattdessen ansprechen dürfen sollen, ließ der Landesverband der AfD unbeantwortet.

Umstritten ist auch die Frage, wie stark die Studierendenvertretungen auf der universitären Ebene mitbestimmen dürfen. An vier Hochschulen in Deutschland (Rostock, Eberswalde, Friedrichshafen und der Hochschule Potsdam) gibt es zum Beispiel ein studentisches Prorektorat bzw. eine studentische Vizepräsidentschaft, um studentische Interessen bei den Entscheidungen der Hochschulleitung zu berücksichtigen.

Die Haltungen der Parteien hierzu ähneln denen zum politischen Mandat der Studierendenschaften: Die Grünen befürworten das Konzept grundsätzlich, möchten Hochschulen aber nicht dazu verpflichten. SPD und Linke sind dafür, AfD, CDU und FDP lehnen den Vorschlag ab.

Die FDP betont zum Beispiel, dass Hochschulen hauptamtliche und „handlungsfähige Rektorate für eine effiziente Hochschulleitung“ bräuchten, um die Qualität von Forschung und Lehre sicherzustellen. Eine staatliche Vorschrift zum studentischen Prorektorat bzw. zur studentischen Vizepräsidentschaft lehnt die FDP als „staatliche Gängelung“ jedoch ab. Die Interessenvertretung von Hoch-schulmitgliedern, also unter anderem Studierenden und Lehrbeauftragten, solle weiterhin (nur) im Senat stattfinden, heißt es dazu vom FDP-Landesverband auf eine Anfrage der Kupferblau.

Dorothea Kliche-Behnke, Landtagskandidatin der SPD in Tübingen, ist anderer Meinung. Besonders die Corona-Pandemie habe die Dringlichkeit verstärkt, studentische Interessen zu berücksichtigen: „Studentische Beteiligung ist mir ein besonderes Anliegen. Nicht erst seit Beginn der Pandemie sehen wir, dass die Studierenden oft kaum gehört werden“, erklärt die Kandidatin auf Anfrage. Daher seien studentische Prorektor*innen ein wichtiges Mittel, um Studierenden einen direkten Draht ins Rektorat zu ermöglichen.

Übrigens: Wer seine Positionen mit denen der einzelnen Parteien abgleichen möchte, kann den von der Landesstudierendenvertretung Baden-Württemberg entwickelten Studi-O-Mat nutzen. Auch wir haben uns für diesen Artikel zum Teil an den Fragen und Stellungnahmen im Studi-O-Mat orientiert.

Titelbild: Thomas Dinges

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