Tagtäglich kommen wir an Orten vorbei, die nach historischen Persönlichkeiten benannt wurden. Doch wer waren diese Menschen und was leisteten sie, dass Straßen, Plätze und Denkmäler zu ihren Ehren erbaut wurden? Dieses Mal geht es um einen der großen deutschen Dichter: Friedrich Hölderlin, der in diesem Jahr 250 Jahre alt werden würde. Hier erfahrt ihr, wer er war und was er getan hat!
Wenn man in Tübingen ist, kommt man um den Namen Hölderlin nicht herum. So gibt es eine Hölderlinstraße, die zugleich auch eine Bushaltestelle ist, eine Hölderlin-Apotheke, ein Denkmal, und natürlich, ragt idyllisch am Neckar gelegen, inmitten der bunten Häuserfassaden der Tübinger Altstadt, ein gelber kleiner Turm hervor: der Hölderlin-Turm. Er zählt zu einer der bekanntesten Gedenkstätten in Tübingen. Benannt wurde der Turm nach dem Dichter, der hier im 19. Jahrhundert ein kleines, bescheidenes Zimmer bewohnte und dort die letzten 36 Jahre seines Lebens verbrachte.
Wer war Friedrich Hölderlin?
Johann Christian Friedrich Hölderlin wurde am 20. März 1770 in Lauffen am Neckar als Sohn eines Klosterhofmeisters und einer Pfarrerstochter geboren. Sein Vater starb, als Hölderlin gerade einmal zwei Jahre alt war und auch sein späterer Stiefvater, Johann Christoph Gock, starb, da war Hölderlin noch keine Zehn.
Seine Kindheit und Jugend verbrachte er vor allem in Nürtingen. Dort zog die Familie nach der erneuten Heirat seiner Mutter in das Anwesen „Schweizerhof“, das heute als Hölderlinhaus bekannt ist.
Vom Theologen zum Dichter
Schon früh wurde Hölderlin für die Theologenlaufbahn bestimmt. Den Wünschen seiner Mutter entsprechend sollte er Pfarrer werden. Bis 1788 besuchte er deshalb zunächst die Lateinschule in Nürtingen, dann die Klosterschulen Denkendorf und Maulbronn. Anschließend kam er als Stipendiat ans Tübinger Stift, um dort von 1788-1793 Evangelische Theologie zu studieren. Hier lernte er unter anderem die Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling kennen.
Bereits in seiner Jugend begann Hölderlin mit dem Dichten und entdeckt seine Leidenschaft dafür. Letztendlich bestand sein ganzes Leben aus Ausflüchten, um dem Pfarrberuf zu entkommen und sich in irgendeiner Weise von seiner dominanten Mutter zu lösen.
Aus finanziellen Gründen nahm er nach seinem Abschluss am Tübinger Stift verschiedene Hauslehrerstellen an. Während dieser Zeit war er viel unterwegs und machte unter anderem Bekanntschaft mit Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Letzteren verehrte er sehr.
Nach Aufenthalten und Anstellungen in Stuttgart, Nürtingen, der Schweiz und in Bordeaux, kehrte Hölderlin zerrüttet und krank zu seiner Mutter nach Nürtingen zurück, wo er sich in seine Arbeit stürzte und mehrere Übersetzungen griechischer Dramen anfertigte. 1804 wurde er schließlich durch Vermittlung von seinen langjährigen Freund Isaac von Sinclair, Bibliothekar in Homburg.
Der wahnsinnige Dichter – Rückkehr nach Tübingen
Seine Rückkehr nach Tübingen war unfreiwilliger Natur. Hölderlin litt wohl unter Anfällen und Zuständen der Raserei, die letztendlich zu einer Zwangsbehandlung am Universitätsklinikum Tübingen führten. (Seine Erkrankung würde man heutzutage wohl als manisch-depressiv bezeichnen.) Er galt als wahnsinnig und wurde schließlich nach einer längeren Behandlung als unheilbarer Patient in die Pflege einer Tübinger Familie entlassen.
Die letzten 36 Jahre seines Lebens verbrachte der verwirrte und erschöpfte Hölderlin in einem Turmzimmer im Hause der Familie Zimmer am Neckarufer. Der heute vor allem wegen des Hölderlinturms bekannte Haus, befand sich damals im Besitz von Ernst Zimmer, ein Tischler, der zudem ein Bewunderer von Hölderlins Hyperion (1797) war.
Hölderlin starb 1843 in seinem Turmzimmer. Seine Grabstätte ist auf dem Tübinger Stadtfriedhof auch heute noch erhalten.
Werk und Wirken
Hölderlin zählt zu den ganz großen deutschen Dichtern. Er hatte Vorliebe für die hohen Formen der Poesie, wie die Hymne und die Ode. Hinzu kommt eine vollkommene Humorfreiheit in seinen Gedichten, was zu einer erschwerten Rezeption führte. Johann Wolfgang von Goethe soll ihm einmal den Rat gegeben haben, sich den kleinen Gedichten zu widmen und nicht den großen Hymnen, wenn er als Dichter erfolgreich sein wolle.
Seine Werke wirken dennoch nach und wurden über die Epochen hinweg immer wieder populär. Ein nicht so schönes Beispiel für diese wiederkehrende Popularität ist der Missbrauch seiner Gedichte im Nationalsozialismus. Zu dieser Zeit wurde Hölderlins Ode Der Tod fürs Vaterland, deren ursprünglich freiheitlich-republikanischer Hintergrund verschwiegen wurde, zu einem der meist zitierten Gedichte.
Heute sind neben Straßen und Schulen auch mehrere Literaturpreise nach Hölderlin benannt, wie beispielsweise der Friedrich-Hölderlin-Preis der Universität und der Stadt Tübingen.
Einige Highlights des Hölderlin-Jubiläumsjahres 2020 in Tübingen:
- Wiedereröffnung des Hölderlinturms am 16. Februar 2020
- „WTF 1770 – Hölderlin meets Beethoven“ ab Juni im Zimmertheater
- Hölderlinoper „Im Thurm“ im Oktober im LTT
Zum 250. Geburtstag Hölderlins erschien am 21. Oktober 2019 Rüdiger Safranskis Biografie Hölderlin. Komm! ins Offene, Freund! im Hanser Verlag.
Fotos: Heike Beirle
Potrait: Franz Carl Hiemer. Wikimedia Commons, Gemeinfrei.