Kultur Theater

24 Hour Theatre Festival Akt 1 – Stücke schreiben auf Zeit

In 24 Stunden vom leeren Blatt bis zur fertigen Theateraufführung. Funktioniert sowas? Über einen Selbstversuch in der verrücktesten – und möglicherweise besten – Idee im Brechtbautheater.

Punkt 19 Uhr am Freitagabend. Ich betrete das hell erleuchtete Brechtbautheater im sonst dunklen Gebäude des Neuphilologikums und werde an der Tür freundlich begrüßt. Die erste Aufgabe, die uns erwartet, ist, sich ein Namensschild zu schreiben, damit wir uns später alle gegenseitig ansprechen können. Dann folgt das Kennenlernen. Wir finden uns in losen Grüppchen um den vollen Snacktisch herum und unterhalten uns darüber, was uns hierher gebracht hat. Für mich ist das der Markt der Möglichkeiten. Dort hatten sich die Theatergruppen der Universität vorgestellt und auch das Festival beworben. Die Idee hinter dem Event hatte mich fasziniert und ich wollte mir das ganze genauer anschauen.

Die Idee hinter dem Event

Beim 24 Hour Theatre Festival geht es darum, dass innerhalb von genau 24 Stunden Theaterstücke geschrieben und einstudiert werden. Es gibt verschiedene „Jobs“ für die man sich anmelden konnte: Stücke schreiben, schauspielern, Regie führen, Technik bedienen und als unterstützende Helfende. Die Schreibenden würden sich am Abend des 01.11.2024 zusammenfinden und anfangen, Bühnenstücke für das Event zu verfassen. Die Werke sollten innerhalb der Nacht fertig werden und würden danach für die Regisseur*innen zugänglich gemacht werden. Dann, am Samstagmorgen, sollten die Schauspielenden und Regieführenden zusammenkommen und über den Tag verteilt die Stücke einstudieren. Und am Samstagabend um acht, genau 24 Stunden nach dem sich die Autor*innen an ihre Laptops gesetzt hatten, würde es eine Vorführung mit allen produzierten Werken geben.

Das Erste, was man an dem Abend beim Hereinkommen sah, waren die Snacks. Bild: Miriam Mauthe

So weit, so cool die Idee. Mich hatte es jedenfalls, neugierig wie ich bin, hergelockt. Anderen geht es genauso. Und dann gibt es auch ein paar, die schon mal dabei waren und wieder mitmachen. Als sich der Raum langsam gefüllt hat, geht es los. Wir suchen uns alle einen Platz auf dem Boden und starten mit einem Workshop zum Thema szenisches Schreiben – mit einem Schwerpunkt darauf, wie man sehr kurze Bühnenstücke konzipiert, denn unsere Werke sollen am Ende nur zwischen acht und zehn Minuten dauern. Es geht um Szenenwechsel und Plotlines und das, was ich mitnehme, sind zwei Sachen: ein „Pressure-cooker-Stück“ ist ein Theaterstück, das weder Zeit- noch Ortwechsel hat und deshalb in einer Szene durchgeführt werden kann; und wir sollen nur für vier oder fünf Rollen schreiben.

Noch sind die Kleiderbügel im Backstage Bereich leer, aber in genau 24 Stunden werden hier die Kostüme auf die Schauspielenden warten. Bild: Miriam Mauthe

Die Zeit des Workshops (der optional war und noch nicht zu den 24 Stunden zählt) ist so gut bemessen, dass mit dem Ende des Vortrags, auch alle anderen Stückeschreibenden eingetroffen sind. So langsam ist der Raum des Brechtbautheaters ganz gut gefühlt: Wir sind insgesamt 16 Schreibende, die erwartungsvoll zusammengefunden haben, um sich die Nacht um die Ohren zu schlagen. Und nach einer kurzen Instruktion zum Vorhandensein von Kaffee und dem freien Verfügen über die Flure und offenen Flächen des Brechtbaus geht es auch schon los!

Raumanarchie und viel Gelächter

Wir verteilen uns hauptsächlich im Raum des Theaters, einfach für die Atmosphäre, die das Sitzen auf der Bühne mit sich bringt – wobei auch ein paar Leute lieber ungestört schreiben wollen und sich dementsprechend tiefer in den Brechtbau verziehen. Das Schreiben startet eher langsam, wir unterhalten uns erstmal hauptsächlich über unsere Ideen und was wir vom Vortrag vorhin mitgenommen haben. Und dann hat jemand den Einfall, ein paar Improvisations-Theater-Spiele zu machen, um die „kreativen Flüsse in Bewegung zu versetzen“. Ich habe gerade das Genre meines Stückes beschlossen und bin noch nicht besonders weit gekommen, aber für Impro bin ich immer zu haben und begebe mich deswegen mit den anderen in die dunkle Eingangshalle des Brechtbaus. Es fühlt sich ein bisschen unwirklich an, hier zu stehen und Spiele zu spielen, während draußen die Nacht Einzug gehalten hat und man niemanden mehr auf der Straße sieht.

Auf der Bühne hat es sich für mich am Besten geschrieben. Bild: Miriam Mauthe

Wir spielen zwei Spiele, bei denen unsere Ideen immer wilder und verrückter werden, bis wir uns vor Lachen fast nicht mehr halten können. Selbst wenn uns das alles keine Stück-Idee beschert hätte, so haben wir auf jeden Fall sehr viel Spaß und lernen unsere Mit-Autor*innen näher kennen, denn die meisten sind alleine hier.

Fleißige Schreiberlein auf Koffein und Zucker

Nach den Spielen geht es wieder ans Schreiben. Obwohl wir bei der Improvisation sehr tolle Ideen um uns geworfen haben, möchte ich trotzdem mit meinem ursprünglichen Plan weiter machen und setzte mich fleißig zurück an den Laptop. Dieser Motivationsschub hält ungefähr eine halbe Seite an, dann verquatschen wir uns wieder in der Gruppe. Wir tauschen unsere Ideen aus und helfen uns gegenseitig, wenn es mal nicht weitergeht – und die stetige Zuckerzufuhr vom Snacktisch darf natürlich auch nicht fehlen. Wir haben inzwischen vermutlich alle ein ständiges Zucker-high und viel zu viel Koffein intus, aber irgendwie macht ja genau das so Spaß daran, die Nacht durchzumachen.

Kaffee gab es in der Maske im Backstage Bereich – ein wichtiger Kontenpunkt für mich. Bild: Miriam Mauthe

Die Gemeinschaft ist auf jeden Fall großartig und die Stücke nehmen auch mehr und mehr Form an, je weiter die Nacht fortschreitet. Mein eigenes „Murder Mystery“ hat sogar schon eine Aufklärung des Mordes geschrieben bekommen, als ich auf die Uhr schaue. Der „Hard-Cut-Off“, also der Zeitpunkt, bei dem wir mit Schreiben fertig sein müssen, ist um vier Uhr morgens. Dann werden die Stücke für die Regisseur*innen online gestellt, durchgelesen und für alle ausgedruckt. Allerdings habe ich mich auch zum Schauspielern gemeldet, was am Samstagmorgen um neun beginnt und ich wollte gerne ein bisschen mehr als nur drei Stunden Schlaf abbekommen, wenn ich am nächsten Abend auf der Bühne stehe. Deshalb habe ich mir selbst eine Deadline von ungefähr halb drei nachts gesetzt.

Und tatsächlich schaffe ich es bis dahin, mein Stück fertig zu bekommen und abzugeben. Ein bisschen traurig bin ich, das Gelächter und die Unterhaltungen zurückzulassen und alleine durch die dunkle Nacht nach Hause zu gehen. Aber mein Bett ruft, und fast alle von uns werden am nächsten Morgen wieder zusammenkommen, um neue „Jobs“ im Festival zu übernehmen. Ich bin gespannt, wie der Rest verläuft, bis jetzt ist das Event für mich ein Riesen-Spaß mit super tollen Menschen!

Fortsetzung folgt…

Beitragsbild: Miriam Mauthe

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