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Wasser, Erde, Feuer, Luft: Was steckt hinter den Bändigungsformen von Avatar? – Teil 2: Wasser

Nach Feuer, dem Element der Kraft und des Lebens, geht die Erforschung der Bändigungsformen aus Avatar – Der Herr der Elemente weiter mit Wasser, dem Element des Wandels. Was Wasser zu einem so besonderen Element macht, auf welche Kampfkunst Wasserbändigen zurückgeht und wie es sich mit Feuerbändigen gegenseitig ergänzt, darum soll es in diesem Teil gehen.

Wasser gilt als gegensätzliches Element zu Feuer und ist für einen Avatar der Feuernation am schwersten zu erlernen. Genauso ist üblicherweise umgekehrt das Feuerbändigen für einen von klein auf wasserbändigenden Avatar am schwersten von allen anderen drei Elementen zu lernen – Korra bildet da wohl eher die Ausnahme. Diese Gegensätzlichkeit macht sich auch daran bemerkbar, woher die beiden Elemente die zum Bändigen erforderliche spirituelle Energie erhalten. Eine Feuerbändigerin nimmt ihre Energie von der Wärme der Sonne und verfügt tagsüber daher über deutlich mehr Kraft als nachts, am meisten mittags und im Sommer. Dass die Inseln der Feuernation um den Äquator lokalisiert sind, dürfte damit in Zusammenhang stehen.

Ein Wasserbändiger hingegen bezieht seine vom Geist des Mondes. Daher ist das Wasserbändigen nachts deutlich stärker als tagsüber, bei Vollmond am stärksten und bei Neumond am schwächsten. Die spirituelle Verbindung zwischen Mond und Wasserbändigen hat einen einfachen Grund. Mit seinem Einfluss auf die Gezeiten gilt der Mond als erster Wasserbändiger. Erst durch das Beobachten von Ebbe und Flut haben die Menschen ihre Bändigungsformen entwickelt. Damit ist Wasser auch die einzige Bändigungsform, die durch das Beobachten oder Lernen von Tieren entwickelt wurde.

Die Grundposition im Wasserbändigen zeichnet sich aus durch einen etwa schulterbreiten, festen Stand mit leicht gebeugten Knien und lockerem Oberkörper. Das Wasserbändigen verlässt sich allerdings fast ausschließlich auf Armbewegungen kann nicht nur im Stand, sondern auch in Bewegung kontinuierlich ausgeführt werden. Die Bewegungen sind stets fließend und damit gewissermaßen der natürlichen Bewegung von Wasser nachempfunden. Das macht sich besonders daran bemerkbar, dass beim Bändigen oftmals eine Hand das Wasser gewissermaßen „greift“ und die andere Hand das Wasser lenkt.

Das Symbol für das Element des Wassers. Bild: Avatar – Der Herr der Elemente, 2005-2008, Nickelodeon.

Wasserbändigen als innere Kampfkunst

Als bei der Serienentwicklung von Avatar die Kampfkunst für Wasserbändigen bestimmt werden sollte, war Taijiquan (Tai Chi) eine naheliegende Wahl. Die fließenden Bewegungen sind ein wesentliches Merkmal des Taijiquan, in dem man sich möglichst ununterbrochen bewegt. Auch beim Wasserbändigen versucht man, den Bewegungsfluss aufrechtzuerhalten, weshalb es auch fast keine Standpositionen beinhaltet und der Fokus auf den Bewegungen von Armen und Händen liegt. Also genau entgegengesetzt zum Feuerbändigen mit seinen sehr kräftigen Bewegungen und festen Ständen.

Das Taijiquan entstand wohl im 16. Jahrhundert und gilt mit seinen philosophisch-spirituellen Wurzeln als innere Kampfkunst. Das bedeutet, dass der Fokus hier nicht nur auf den äußeren Bewegungen liegt, sondern auch auf Meditation, Atemkontrolle und innerer Ausgeglichenheit. Es ist damit gegensätzlich zu Shaolin Kung Fu, welches mit seinen nördlichen und südlichen Stilen als äußere Kampfkunst gilt. Beim Taijiquan ist die innere und äußere Entspanntheit das übergeordnete Grundprinzip. Auch das Tai Chi kennt den im Wasserbändigen üblichen lockeren schulterbreiten Stand. Anders als das Wasserbändigen arbeitet es allerdings mit dem ganzen Körper und beinhaltet auch einige tiefe und weite Standpositionen.

Der Geist des Mondes (Tui) bildet zusammen mit dem Geist des Ozeans (La) eine Einheit in Form von zwei Koifischen in einer kleinen Oase am nördlichen Wasserstamm. Die Namen der beiden Geister sind dabei sehr bewusst gewählt worden: La (拉) bedeutet ziehen in Mandarin, wohingegen Tui (推), drücken oder schieben meint. Gemeint ist damit zwar das Grundprinzip des Wasserbändigens, das dem Schieben und Ziehen des Ozeans durch den Mond nachempfunden ist. Das Schieben und Ziehen sind jedoch auch zwei sehr wichtige Techniken im Taijiquan: Tuishou („schiebende Hände“) und Dalü („großes Ziehen“). 

La (schwarz) und Tui (weiß) gemeinsam stellen sie das chinesische Yin und Yang dar – ein Symbol des Gleichgewichts, das sich auch im Daoismus wiederfindet. Bild: Avatar – Der Herr der Elemente, 2005, Nickelodeon.

Die Rolle des Daoismus

Die Anleihen aus dem Tai Chi werden jedoch noch eindeutiger, wenn man die darin enthaltenen daoistischen Grundsätze berücksichtigt. Das Tai Chi geht im Wesentlichen auf den Daoismus zurück, welcher spätestens im China des 6. Jahrhunderts entstanden ist. Dass dieser die chinesische Kultur maßgeblich beeinflusst hat, macht sich auch im Taijiquan bemerkbar. Während quan ursprünglich für Faust steht, häufig das waffenlose Kämpfen mit offener Hand bezeichnet und daher auch mit Fausttechnik oder Kampfkunst übersetzt werden kann, ist es mit taiji etwas komplizierter. Das Taiji steht im Daoismus und Konfuzianismus für das „äußerst Höchste/Größte“ im Kosmos, den Ursprung aller Dinge. Dieses abstrakte spirituelle Konzept beschreibt eine Art Einheitlichkeit und Harmonie der weltlichen Ordnung und besteht selbst aus der universellen Dualität von Yin und Yang, Schatten und Licht.

An diesem Prinzip der Harmonie ist im Daoismus alles ausgerichtet. Das chinesische dao, abgewandelt auch do, bedeutete ursprünglich nur Weg, später dann rechter Weg oder auch Methode. Das Dao bezeichnet ebenfalls recht abstrakt den natürlichen Verlauf der Dinge als eine Art Naturgesetz, aus dem das Taiji wiederum hervorgeht. Ein praktischeres Prinzip des Daoismus ist das Wuwei, das Nicht-Handeln das meint aber nicht etwa Faulheit, sondern das Nicht-Eingreifen in die Natur und ihren Verlauf. Daraus geht etwas hervor, was für Tai Chi und Wasserbändigen von buchstäblich elementarer Bedeutung ist.

Den Dingen ihren Lauf zu lassen, erfordert eine Haltung der Spontaneität und Flexibilität. Im Daoismus nennt sich das ziran und bezeichnet die Wandlungsfähigkeit der Natur, der es sich flexibel anzupassen gilt. Diese Anpassung an die Natur ist für das Bändigen von Wasser sowohl Ursprung als auch Kernmerkmal. Das Tai Chi beinhaltet Spontaneität durch eine auch dem Wasserbändigen bekannte Balance zwischen meditativem in-sich-Ruhen und Explosivkraft. Damit ist Wasserbändigen quasi 1:1 Tai Chi, was die innere Haltung, die Prinzipien der Bewegung und die Grundformen betrifft.

Diese Schriftrolle zeigt einige Grundformen des Wasserbändigens, die in der Praxis aufgrund der schnellen Bewegungen allerdings selten so sauber ausgeführt werden. Besonders an den Endpositionen kann man die Parallelen zum Taijiquan erkennen, die unterste Reihe zeigt das Prinzip des Schiebens und Ziehens sehr gut. Bild: Avatar – Der Herr der Elemente, 2005, Nickelodeon.

Wasserbändigen ist wandelbar und vielfältig

Angelehnt an die traditionelle chinesische Medizin (TCM), sind manche Wasserbändiger*innen auch in der Lage, mit Wasser zu heilen. Nach der Gesundheitslehre der TCM ist der Fluss des Qi, die Lebensenergie, bei Erkrankungen und Verletzungen gestört. In der TCM wird das mitunter durch Akupunktur behandelt, bei Avatar durch Handauflegen und Wasserbändigen. Auch Praktiken zur Meditation und körperlichen Ertüchtigung wie Qi Gong und Tai Chi sollen den Fluss des Qi aufrechterhalten. Nach traditioneller chinesischer Vorstellung hat damit auch Tai Chi einen heilsamen Effekt. Dabei geht es aber um das eigene körperliche und seelische Wohlbefinden, also mehr um Gesundheitsförderung als wirkliche Heilung.

Mit genug Übung und Konzentration kann Wasser prinzipiell von überall gebändigt werden: Sumpfwasser, Schweiß, Luftfeuchtigkeit, und sogar Blut. Da das Kontrollieren fremder Körperflüssigkeiten jedoch äußerst schwierig ist, sind zu dieser grausamen Manipulationstechnik glücklicherweise nur wenige in der Lage. Die Wandelbarkeit des Wasserbändigens zeigt sich jedoch auch in der klassischen Anwendung. So kann Wasser jederzeit zu Eis gefroren und wieder verflüssigt werden und in beiden Aggregatzuständen jede nur erdenkliche Form annehmen. Zum Kochen bringen kann man Wasser jedoch nur mit Feuerbändigen, welches das Bändigen von Hitze jeglicher Art umfasst.

Sogar das Wasser aus Pflanzen lässt sich bändigen. Bild: Avatar – Der Herr der Elemente, 2007, Nickelodeon.

Obwohl sich Wasser- und Feuerbändigen gegenüber stehen, weist Tai Chi visuell starke Ähnlichkeiten zu den nördlichen Shaolin-Stilen auf. Dass eine Feuer- von einer Wasserbändigerin in puncto Wandelbarkeit tatsächlich so einiges lernen kann, beweist Onkel Iroh Mal für Mal. Die von ihm entwickelte Technik zum Umleiten von Blitzen hat er nicht umsonst durch das Beobachten von Wasserbändigen entwickelt. Außerdem wissen wir, dass ein wirklich starkes Feuerbändigen auf dem eigenen Atem beruht und nur durch innere Ausgeglichenheit möglich ist. Das lebt Iroh auch selbst aus durch seine Haltung der Anpassungsfähigkeit. Erst seine Zurückhaltung, sein Nicht-Handeln und seine Bedachtheit machen ihn zu dem Feuerbändiger, der sich als Drache des Westens einen Namen gemacht hat.

Im nächsten Teil geht es mit Erdbändigen um das Element, das zum Wasserbändigen so gut wie keine Parallelen aufweist, es dafür aber oft hervorragend ergänzt, und damit um die zweite äußere Kampfkunst: Hung Gar.

 

Beitragsbild: Avatar – Der Herr der Elemente, 2005, Nickelodeon. (Master Pakku beim Wasserbändigen. Wie Name und Kleidung bereits vermuten lassen, sind der nördliche und südliche Wasserstamm den Inuit kulturell nachempfunden.)  

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