Tagtäglich kommen wir an Orten vorbei, die nach historischen Persönlichkeiten benannt wurden. Doch wer waren diese Menschen und was leisteten sie, dass Straßen, Plätze und Denkmäler zu ihren Ehren erbaut wurden? Heute begegnet ihr einem ehemaligen Oberbürgermeister von Tübingen, der definitiv kein Fan von Freibier auf Kosten der Stadt war…
Die Haußerstraße beginnt beim Rewe Mohlstraße und schlängelt sich mit vielen Kurven steil den Berg hinauf Richtung WHO. Wer schon einmal mit der Buslinie 6 gefahren ist, weiß WIE kurvig und steil diese Straße tatsächlich ist. Und wer diese Strecke mit dem Fahrrad bezwingt, verdient größten Respekt. Auch die Stadt selbst hat ihrem ehemaligen Oberbürgermeister Hermann Haußer einen rasanten Anstieg zu verdanken. Allerdings den des Stadtwachstums und der Modernisierung. Nicht nur die drei Gymnasien an der Uhlandstraße, sondern auch das Uhlandbad und das Elektrizitätswerk wurden während seiner 30-jährigen Amtszeit erbaut.
Ein Mann der Moderne
Hermann Haußer wurde am 3. März 1867 in Ludwigsburg geboren und begann seine Karriere in Tübingen im Jahr 1896. Zunächst als Polizeiamtmann, dann als Stadtschultheiß und 1903 wurde er schließlich Oberbürgermeister. Dieses Amt sollte er bis zu seinem Tod innehaben. Er starb nämlich 1927 unerwartet an einem Herzinfarkt.
Unter Haußer vergrößerte sich die Stadt um mehr als 800 Gebäude. Damit wuchs auch die Stadtbevölkerung: Während Tübingen 1897 noch 14.000 Einwohner*innen hatte, waren es 30 Jahre später schon 22.000. Auch die Studierendenzahl stieg von circa 1.300 auf mehr als das Doppelte an. Das hatte zur Folge, dass zu dieser Zeit auch der Bonatzbau als neues Hauptgebäude der Universitätsbibliothek auf der Wilhelmstraße errichtet wurde.
Haußer erkannte aber auch die Freizeitbedürfnisse der Tübinger*innen. Noch heute zeugt das Uhlandbad nahe dem Hauptbahnhof von den Baumaßnahmen seiner Amtszeit. Es wurde als Nachfolger des ersten Hallenbad Tübingens, des Ludwigsbads erbaut, welches sich wegen seiner hohen Kosten nicht rentiert hatte. Ab 1914 konnten die Stadtbewohner*innen dann im neuen Hallenbad unweit der Neckarbrücke ihre Bahnen ziehen. Inzwischen seit über 100 Jahren. Obwohl immer wieder Diskussionen über die Nutzung des Gebäudes aufkommen, gehört das inzwischen in die Jahre gekommene Bad für viele Tübinger*innen einfach dazu.
Neben dieser Art von Modernisierung wurde unter Hermann Haußer 1902 auch das erste Elektrizitätswerk der Stadt gebaut, dem aufgrund des hohen Strombedarfs einige Jahre später das Wasserkraftwerk am Neckar folgte.
Nicht für jeden Spaß zu haben
Im Jahr 1910 erreichte die Anzahl der Tübinger Studierenden während des Sommersemesters die 2000er Marke. Nach Beschluss des Senats der Universität sollte anlässlich dieses großen Ereignisses im Juni ein Fest stattfinden. Der „Ausschuss vereinigter Tübinger Korporationen“ erfragte beim Schultheißenamt, ob nicht die Stadt bei dieser Feier auf der Neckarinsel großzügig Bier ausschenken wolle. Schließlich war das bei ähnlichen Feierlichkeiten in anderen Universitätsstädten ebenfalls passiert. Auf diese Anfrage hin wandte sich Haußer erbost an den Rektor der Universität. Dass die Stadt, und somit die Bürger*innen, die Studierenden mit Freibier versorgen und daraufhin noch die Folgen der Exzesse aushalten sollten, missbilligte Haußer zutiefst. Letztlich konnte der Rektor den Ausschuss vereinigter Tübinger Korporationen davon überzeugen, die Anfrage wieder zurückzunehmen. Auch vor über 100 Jahren waren die Beziehungen zwischen feierfreudigen Studierenden und Tübinger Stadtoberhäuptern also schon nicht ganz einfach. Genau so wie der Aufstieg in der Haußerstraße.
Fotos: Sarah Sommerau