Tagtäglich kommen wir an Orten vorbei, die nach historischen Persönlichkeiten benannt wurden. Doch wer waren diese Menschen und was leisteten sie, dass Straßen, Plätze und Denkmäler zu ihren Ehren erbaut wurden? Eine echte „Neigschmeckte“ war Katharina damals und trotzdem hat sie als Königin die Herzen vieler Württemberger*innen im Sturm erobert.
Die Katharinenstraße in der Südstadt gehört zum Loretto-Viertel. Auf ihr befinden sich nicht nur die Loretto Klinik und die Volkshochschule, sondern auch das Tübinger Vorstadttheater. Benannt wurde sie nach Katharina Pawlowna Romanowa, die aus der russischen Zarenfamilie stammte und wohl eine der bemerkenswertesten Frauen der württembergischen Geschichte war. In den knapp drei Jahren, in denen sie an der Seite ihres Gemahls Wilhelm I. von Württemberg auf dem Thron saß, gelang es der jungen Königin durch die Gründung zahlreicher wohltätiger Organisationen die bereits bestehenden Ansätze der Armenfürsorge von Grund auf zu reformieren. Somit schuf sie nicht nur die Grundlage für eine neue Sozialpolitik, sondern gewann durch ihr Herz und ihren Verstand auch das Vertrauen der Stuttgarter.
Eine Katastrophe bahnt sich an
Das Jahr 1816 beginnt mit fröhlichen Ereignissen. Nach der Vermählung von Katharina und Wilhelm in St. Petersburg ziehen die beiden am 13. April unter dem Jubel der Bevölkerung in Stuttgart ein. Wenige Monate später, nach dem Tod von König Friedrich, besteigt sein Sohn Wilhelm den Thron. Doch das Jahr sollte große Herausforderungen für das junge Königspaar bereithalten. Württemberg leidet ohnehin schon unter den Folgen von Kriegen und großer Armut. Ein Vulkanausbruch in Südostasien jedoch bringt Elend über das Land, welches alle bis dahin überstandenen Leiden in den Schatten stellt. Andauernder Ascheregen, katastrophale Missernten und eine darauffolgende Hungersnot zwingen die Württemberger in die Knie. Ein Zeitzeuge bezeichnet die halbe Bevölkerung als eine „Armee des Hungers“, die bettelnd auf der Suche nach Nahrung über das Land zieht.
Angesichts der vielen Todesopfer lässt Katharinas Entschluss zu handeln nicht auf sich warten. Noch während ihrer Schwangerschaft und des Wochenbetts, erarbeitet sie einen Plan für eine Hilfsorganisation, welche sich nicht nur um ausreichend Kleidung, Heizmaterial und Lebensmittel für die Betroffenen kümmern soll, sondern auch um ärztliche und finanzielle Versorgung.
Eine Königin handelt
Am 29. Dezember 1816 findet die Gründungsversammlung der „Zentralleitung des Wohltätigkeitsvereins“ statt, deren Vorsitz Katharina selbst innehat. Das Wohltätigkeitsnetz, das daraufhin errichtet wird, soll Vereine und soziale Einrichtungen im ganzen Land unterstützen und beraten. Es stellt eine effektive, jedoch kostengünstige Lösung für die Armenhilfe dar. Das Konzept der Bereitstellung von staatlicher Hilfe mit dem Ziel der individuellen Selbsthilfe soll die soziale Absicherung der Armen gewährleisten. So wird ebenfalls über die Gründung einer Sparkasse beraten, welche bereits im Februar 1818 von König Wilhelm I. genehmigt und kurz darauf im Regierungsblatt öffentlich gemacht wird. Nicht nur das Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg und die Landesbank Baden-Württemberg, welche noch immer in Stuttgart ansässig sind, sondern auch das Katharinenhospital, die Universität Hohenheim und die Sophienpflege in Tübingen gehen auf die Handlungen der großzügigen Königin zurück. Katharina tat alles in ihrer Macht stehende, um das Volk vor erneuten Katastrophen zu schützen. Umso schwerer traf 1819 ihr früher Tod die Stuttgarter, deren Herzen sie im Sturm erobert hatte.
Fotos: Sarah Sommerau,
Bild Katharina: Von Johann Friedrich August Tischbein – Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12130238