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It´s been a long time coming: Taylor Swift und die Eras Tour

Mit Taylor Swifts Eras Tour geht die größte Tour der Musikgeschichte zu Ende. Über zehn Millionen Menschen besuchten insgesamt die 149 Konzerte auf fünf Kontinenten. Für viele Menschen stellte sie einen Safe Space dar, dennoch ist die Swiftie-Community oft misogynem Spott ausgesetzt.

Taylor Alison Swift gilt als Pop-Phänomen unserer Zeit. Auf ihrer Eras Tour spielte sie vor insgesamt zehn Millionen Fans die größten Hits ihrer gesamten Diskografie. Die Begeisterung der Fans ließ sich sogar teilweise als kleines Erdbeben nachweisen. Doch das Beben reicht auch weit über die Stadien hinaus.

She can still make the whole place shimmer

In den Shows spielt Taylor dreieinhalb Stunden lang 45 ihrer Songs. Dabei bediente sie sich nicht nur an ihrem neusten Album The Tortured Poets Department, sondern performte Songs aus jedem ihrer insgesamt elf Alben. So kommen ihre treusten und ihre jüngsten Fans zusammen. Alle gemeinsam bezeichnen sich als Swifties

Mit der Eras Tour machte die 35-Jährige etwa zwei Milliarden Euro Umsatz. Damit gilt die Tour als umsatzstärkste der Musikgeschichte. Der Erfolg ihrer Tour spiegelte sich auch in den Charts wider. So ist Taylor die erste Frau, die mit vier Alben in den Top-Ten der US-amerikanischen Charts platziert war.

Make the friendship bracelets – Take the moment and taste it

Die Eras Tour ist nicht nur bekannt für ihre wirtschaftlichen Erfolge, sondern auch für ihre Fans. Bunte Kostüme sollen an Alben, Songs oder einzelne Liedzeilen der Künstlerin erinnern. Ob kurze, glitzernde Kleider, selbstgenähte Anzüge oder Ampelkostüme: Der Fantasie der Fans sind keine Grenzen gesetzt. Einige upcyclen sogar ihre eigenen Hochzeitskleider.

Die bekanntesten Accessoires zu den Kostümen sind wohl die Perlenarmbänder, die von den Fans selbst gebastelt und personalisiert sind. Viele verbringen Stunden mit der Herstellung und auf den Konzerten werden sie dann mit Freunden und Fremden getauscht. Was viele nicht wissen: Der Hype um die Armbänder entstand aus einer einzigen Zeile in dem Song You´re On Your Own Kid von Taylor Swift. Hier heißt es „Make the friendship bracelets, take the moment and taste it“.  Die Armbänder verbinden Swifties auf der ganzen Welt.

All that you ever wanted from me was sweet nothing

Für viele Menschen war die Eras Tour ein Ort der Selbstverwirklichung. Sorgenloses Tanzen in einer empowernden Atmosphäre. Fremde, die sich Arm in Arm die Seele aus dem Leib singen. Einige berichten, dass Taylor Swifts Tour auch ein Gefühl von körperlicher Sicherheit vermittle, welches nicht auf jedem Konzert der Fall sei. Vor allem Frauen sind bei Konzerten stets aufmerksam, was sexuelle Übergriffe angeht. Eine Studie der Durham University zeigt: Zwei Drittel der Frauen, die ein Konzert besuchen wollen, fürchten Opfer von Übergriffen zu werden. 

Here, I could turn off my antennae altogether.

Ein Fan berichtet im Netz von ihrer Erfahrung

Gleichzeitig haben junge Frauen oft das Gefühl, dass stereotypische Femininität als Schwäche betrachtet und belächelt wird. Dieses Phänomen äußert sich in diversen Social-Media Trends wie beispielsweise dem “not like other girls”-Narrativ. Hierbei wird sich über Frauen lustig gemacht, die sich stereotypisch feminin verhalten und kleiden. Frauen zeigen sich im Rahmen dieses Trends bewusst nicht mit feminin gelesenen Attributen. Die Eras Tour feierte hingegen jede Art der Selbstverwirklichung. Pink ist hier kein Tabu, sondern vielmehr ein Gefühl. Das Gefühl, dass Frauen nicht gegen Frauen ausgespielt werden. Das Gefühl von Freiheit und Zusammenhalt.

Taylor Swift begeistert Millionen von Fans Bild: Ariane Neumann

All you’re ever gonna be is mean

Außerhalb der Eras Tour hat sich dieser Eindruck von Freiheit und Toleranz nicht bestätigt. In den sozialen Medien werden Swifties immer noch kritisiert, lächerlich gemacht und nicht ernst genommen. Es zeigt sich, dass grölende Fußballfans im Stadion gesellschaftlich akzeptierter sind, als singende Taylor Swift-Fans im selben. Während die Liebe zu einem Sportteam als stolze Loyalität wahrgenommen wird, wird die Liebe zur Musik einer Frau einer Sekte gleichgesetzt. So äußerte die rechtskonservative US-Politikerin Kandiss Taylor den Vorwurf, Swift würde ihre Fans mit Hilfe satanistischer Kräfte manipulieren.

Folglich scheinen sich einige Menschen von Taylor Swift und ihren Fans bedroht zu fühlen. Dabei zeichnen die Zahlen ein anderes Bild. Eine Befragung des ARD kommt zum Ergebnis, dass etwa ein Viertel der Frauen angeben, bei Fußballspielen im Stadion bereits Opfer sexueller Übergriffe gewesen zu sein. Auf Musikfestivals liegt die Quote der Betroffenen bei unter 40-jährigen Frauen im Schnitt bei fast 50 Prozent. Im Kontrast dazu gibt es unter den zehn Millionen Besuchenden der Eras Tour lediglich einen Vorfall. 

The Smallest Man Who Ever Lived

Doch es blieb nicht nur bei Anfeindungen im Internet. Am 29. Juli 2024 kam es in Southport zu einer Messerattacke auf eine Gruppe, die einen Tanzkurs zu Taylor Swifts Musik durchführte. Dabei kamen drei Kinder ums Leben, zehn wurden verletzt.

Im August 2024 mussten drei Konzerte in Wien abgesagt werden. Der Grund: Terrorgefahr. Im Vorfeld konnten durch Ermittlungen zwei Männer festgenommen werden, die einen Anschlag auf die Konzerte in Wien planten. Swift selbst äußerte sich nach Ende des europäischen Teils der Tour mit Gefühlen der Angst und Schuld.

Diese Vorfälle zeigen, dass weibliche Schutzräume aktiv angegriffen werden. Die Fans versuchen sich mit Zusammenhalt zu wehren. Dabei helfen auch die Songs der Sängerin.

Female Rage: The Musical

Taylor Swift wird oft vorgeworfen, sie würde sich in ihren Liedern nur mit Liebeskummer auseinander setzen. Auffällig ist, dass solche Kritik selten an männlichen Künstlern geäußert wird, deren Diskografie zu einem Großteil aus Liebesliedern besteht.

I think that’s a very sexist angle to take. No one says that about Ed Sheeran. No one says that about Bruno Mars.

Taylor Swift selbst positioniert sich explizit gegen diese Form von Diskriminierung.

Zumal die Liebe nicht der einzige Inhalt ihrer Songs ist. Swift singt auch vom Erwachsenwerden und von den Schwierigkeiten, sich in einer patriarchal geprägten Welt zu behaupten. Mit diesen Themen können sich viele Menschen, vor allem Frauen, identifizieren. Kein Wunder also, dass die Stadien jede Nacht bei der Liedzeile “Fuck the patriarchy” bebten.

I´m so sick of running as fast as I can, wondering if I´d get there quicker if I was a man.

Taylor Swifts Song – „The Man“ – befasst sich ausdrücklich mit dem Druck, sich als Frau in einer männerdominierten Welt zu beweisen

In der Eras Tour schafft Taylor Swift explizit Raum, für die Wut und das Gefühl von Ungerechtigkeit, mit dem sich Frauen häufig konfrontiert fühlen. Sie nennt es „Female Rage: The Musical“.

It was the end of an era but the start of an age

Die Eras Tour mag vorbei sein, doch das Gefühl und das Empowerment bleibt. Noch heute posten Fans feministische Inhalte mit Taylor Swifts Songs als Hintergrundmusik. Die Eras Tour steht mittlerweile nicht nur für einen örtlichen Safe Space, sondern auch für einen, der in den Köpfen der Menschen existiert.

Beitragsbild: Ariane Neumann

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