Politik

Studierende fordern Solidarität mit Palästina

Auch in Tübingen gibt es nun ein „Palästina-Protestcamp“, nachdem solche schon an verschiedenen Universitäten in Deutschland aufgetaucht waren. Von den Organisator*innen wird Solidarität mit und Unterstützung für Palästina gefordert. Wir konnten mit zwei Teilnehmenden sprechen.

Wer sich am Wochenende auf in den Bota machte, den erwartete eventuell eine Überraschung: Bis Samstag stand im Alten Botanischen Garten ein Camp, dessen Orga-Team auf den Krieg im Gazastreifen aufmerksam machen will. Das „Unikomitee für Palästina“ (UKFP), welches das Camp aufgebaut hatte, sieht in dem Krieg einen Genozid gegen die palästinensische Bevölkerung. Schon an mehreren Universitäten in Deutschland, darunter in Frankfurt, Köln und Göttingen, gab es derartige Camps. Wir sprachen mit zwei Studierenden vom UKFP, die das Camp mitorganisiert haben.

Das UKFP existiere seit Januar, sagt die Studentin, mit der die Kupferblau sprechen konnte. Mit ähnlichen Gruppen an anderen deutschen Universitäten seien sie gut vernetzt. Einige der Camps an anderen Universitäten kämpften mit juristischen Schwierigkeiten, auch Zwangsräumungen wurden angedroht, in Tübingen verlief hingegen alles friedlich. In dem Camp werden auch Aktivitäten für alle Interessierten angeboten, darunter Tanz- oder Bastelworkshops. Vor allem aber will die Gruppe auf die Zivilist*innen aufmerksam machen, die im Krieg in Gaza ihr Leben gelassen haben.

Im Bota waren mehrere Tage lang Zelte mit Palästina-Flaggen zu sehen. Bild: Max Maucher

Forderungen an Universität

In einem offenen Brief, den das UKFP an die Universität Tübingen formulierte, werden sieben Forderungen aufgelistet. In einem großen Teil des Briefes beschäftigt sich das UKFP mit der Zivilklausel, die die Universität Tübingen in ihren Grundsätzen festgeschrieben hat. Die zentrale Forderung ist, dass die Universität sich zu dieser bekennt und damit verbunden ausschließlich Forschung zu friedlichen Zwecken durchführt. Vor allem soll die Universität sicherstellen, dass keine Grauzonen ausgenutzt werden. Die Zivilklausel sehen sie aktuell deutschlandweit „unter Beschuss“, als Beispiel nennt der Mitorganisator im Interview einen Gesetzentwurf aus der Feder der CSU, demnach Universitäten in Bayern zu einer Zusammenarbeit mit der Bundeswehr verpflichtet werden sollen. Die Zivilklausel fiele damit flach. Beispiele für Fälle, in denen die Universität Tübingen ihrer Ansicht nach gegen die Zivilklausel verstoßen habe, konnten die beiden Organisierenden auf Nachfrage nicht nennen, diese solle in Tübingen jedoch konsequent eingehalten werden.

Das Camp hat eigene Regeln, an die sich alle Besucher*innen halten müssen. Bild: Max Maucher

Zudem soll die Universität Forschungskooperationen mit israelischen Universitäten auf deren Friedensausrichtung überprüfen. Obwohl das UKFP es laut eigener Aussage ablehnt, derartige Kooperationen unter Generalverdacht zu stellen, fordern die Mitglieder, dass die Universität diese pausiert, bis die Umstände geklärt sind. Nach Einsendung der Forderungen hatte das UKFP der Universität 16 Tage Zeit gegeben, eine Antwort zu formulieren. Diese blieb allerdings aus. Auch daher soll das Camp weiterhin auf diese aufmerksam machen.

Auch vom Studierendenrat (StuRa) wurde gefordert, sich zu positionieren. Da dieser jedoch politisch neutral sein müsse, wurden die Forderungen des UKFP zur Positionierung nicht in jener Form veröffentlicht. Zudem hatte der StuRa das Schreiben als zu einseitig kritisiert (wir berichteten). Es sei traurig, so merkte der Mitorganisator an, dass der StuRa nicht von sich aus reagiert habe, sondern dass man die Forderungen erst habe stellen müssen. „Der StuRa hätte mutiger sein können“, meint er. „Auch die Kommunikation hätte besser sein können“, merkt seine Kollegin an.

Katastrophale Lage an Gaza-Universitäten

Während das UKFP auf die Lage in Gaza generell aufmerksam machen will, liegt ein besonderer Fokus auf den Universitäten in dem Gebiet. In dem offenen Brief, den das UKFP verfasst hat, steht geschrieben, dass seit Beginn des Krieges mindestens 5479 Studierende, 261 Lehrkräfte und 95 Universitätsprofessor*innen ermordet worden seien. Die Zahlen stammen von den Vereinten Nationen.

Die Schilder zeigen die Namen von Professoren, die im Krieg getötet wurden. Bild: Max Maucher

An der Schnur, die das Camp begrenzt, hängen Zettel, die die Geschichten und Namen von zerstörten Universitäten und getöteten Professoren und Journalisten im Gazastreifen zeigen. Es sind Bilder von modernen sowie historischen Gebäuden, die nicht mehr existieren. Die israelische Armee hat sie bombardiert, meist unter dem Vorwand, diese seien von der Hamas als Operationszentren genutzt worden. Beweise dafür lieferte die israelische Armee in den meisten Fällen allerdings nicht.

Distanzierung von jeder Gewalt gegen Zivilist*innen

Auf die Frage, ob sich die Organisator*innen vom Terror der Hamas distanzieren, erhalten wir zunächst die Antwort, dass man den Konflikt in seiner historischen Größe in seinem kolonialen Kontext sehen und nicht nur die aktuelle Gewalt beleuchten wolle, sagt der Teilnehmer. Vielmehr gehe es darum, anzuerkennen, dass große Teile der palästinensischen Gebiete seit 1948 unter israelischer Besatzung stünden. Wichtig sei es ihnen vor allem, über Verbrechen gegen die Menschenrechte aufzuklären und Menschen palästinensischer Abstammung in Tübingen zur Seite zu stehen. Auf Nachfrage sagen die beiden UKFP-Mitglieder jedoch, dass sich die Gruppe natürlich gegen jede Gewalt gegen Zivilist*innen, insbesondere von der Hamas, positioniere, es sei jedoch frustrierend, dass die Forderung nach Solidarität mit der palästinensischen Zivilbevölkerung immer mit der Frage einhergehe, wie man zur Hamas stehe.

Das Camp ist inzwischen abgebaut, doch die Forderungen bleiben bestehen. Aktuell hat sich die Universität noch nicht geäußert. Von den Forderungen abrücken wird das UKFP jedoch nicht.

Beitragsbild: Max Maucher

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1 Kommentar

  1. Linus sagt:

    Der StuRa muss sich nicht “politisch neutral” verhalten, allerdings heißt es nach LHG §65 ” Die Studierendenschaft wahrt nach den verfassungsrechtlichen Grundsätzen die weltanschauliche, religiöse und parteipolitische Neutralität.” sowie “[die Aufgabe zur] Wahrnehmung der hochschulpolitischen, fachlichen und fachübergreifenden sowie der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Belange der Studierenden,”

    Das heißt, der Studierendenrat hat ein hochschulpolitisches Mandat und darf sich vor allem nicht allgemeinpolitisch äußern ohne dass ein klarer Hochschulbezug erkennbar ist.

    Der StuRa aus diesen Gründen den Antrag des UKFPs angepasst.

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