Kommunalwahl 2024 Politik

Kommunalwahl: Ist das Ziel „Klimaneutral 2030“ erreichbar?

Tübingen hat sich einen ambitionierten Klimaschutzplan gegeben. Dieser ist konkret, enthält relevante Ziele und beschreibt mögliche Maßnahmen, um Treibhausgase zu reduzieren. Ist der Plan zu ambitioniert oder geht er nicht weit genug?

Das weitreichende Klimaschutzprogramm der Stadt Tübingen sieht vor, dass die Stadt bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden soll. Hierzu wurden konkrete Pläne und Maßnahmen vorgelegt, unter anderem zu den Themen erneuerbare Energien, ÖPNV-Ausbau und nachhaltiges Heizen. Im Gemeinderat wird noch gestritten, welche Maßnahmen konkret umgesetzt werden sollen. Vor der anstehenden Wahl hat Kupferblau deshalb bei den Listen nachgefragt: Halten Sie das Ziel „Klimaneutral 2030“ für erreichbar?

AL/Grüne
Mit dem 2020 vom Gemeinderat beschlossenen Klimaschutzprogramm ist Tübingen auf gutem Weg, bis 2030 klimaneutral zu werden. Die im Programm verankerten Schritte, gilt es nun gemeinsam mit allen relevanten Akteuren und mit einer breiten Bürgerbeteiligung umzusetzen. Wir werden der Klimakrise mit der Umstellung auf erneuerbare Energien, Anpassung an ihre Auswirkungen sowie Maßnahmen zur Förderung natürlicher CO2-Senken und Biodiversität begegnen. Konkret bedeutet dies, die Bürger*innen Tübingens gut und niederschwellig zu beraten, um Finanzhilfen von Bund, Land und Stadt abrufbar zu machen. Für die Fälle, in denen die eigenen Mittel für größere Investitionen nicht ausreichen, sollen die Stadtwerke neben den bestehenden Modellen Lösungen für Heizsysteme entwickeln (Kauf-, Pacht- oder Contractingmodelle). Wärmenetze werden wir weiter ausbauen ebenso wie das ÖPNV-Angebot und das Radwegenetz.

SPD
Im Gemeinderat haben wir das Klimaschutzprogramm mit auf den Weg gebracht und stehen voller Überzeugung hinter dem Ziel, Tübingen bis 2030 klimaneutral zu machen. Dafür müssen Lösungen in den drei Sektoren Strom, Wärme und Verkehr gefunden und umgesetzt werden. Damit der Klimaschutz für niemanden zu teuer wird, denken wir bei allen Maßnahmen an den sozialen Ausgleich, insbesondere für Menschen mit geringen Einkommen. Um die Ziele zu erreichen, wollen wir öffentliche Gebäude energetisch sanieren und Wind- und Solarenergie für die Stromerzeugung erweitern sowie vor allem das Fernwärmenetz ausbauen. Letzteres stellt die größte Herausforderung für die kommenden Jahre dar. Das Ganze kann übrigens nur gelingen, wenn endlich die Uni-Gebäude saniert und mit PV versehen werden! Wir brauchen schnellen, günstigen und gut getakteten ÖPNV und gute und sichere Rad- und Fußwegenetze, damit Menschen auf das Auto verzichten. Carsharing und das Ladenetz für E-Autos wollen wir zügig ausbauen.

Tübinger Liste
Der Gemeinderat beschloss 2020 ein Klimaschutzprogramm, das uns in die Lage versetzen sollte, bis 2030 klimaneutral zu sein. War die Umsetzung seither eine der Hauptbeschäftigungen des Gemeinderats und der Verwaltung? Mitnichten! Nach den bisherigen, überschaubaren Fortschritten wird das eine gigantische Aufgabe für den neuen Gemeinderat. Die Arbeit der Tübinger Liste ist engagiert und kritisch, wir weisen auf Schwachstellen und Engpässe hin, wir hinterfragen Maßnahmen, ergründen Auswirkungen und wollen die Sinnhaftigkeit verstehen, erst dann erfolgt unsere Bewertung. Wir müssen rasch damit beginnen, generalstabsmäßig zu planen und umzusetzen. Wir brauchen ein fein abgestimmtes Gesamtsystem. Fehlt ein Schritt, werden wir noch weit über 2030 nicht klimaneutral sein. Es braucht kritischen Realismus, um dies zu verhindern und die Vision Klimaneutralität 2030 umzusetzen. Wir können es aber auch nur dann schaffen, wenn wir die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen und nicht bevormunden.

CDU
Wir stehen zum Schutz der Umwelt, denn konservativ heißt für uns die Bewahrung der Schöpfung. Dazu gehört, unsere natürliche Lebensgrundlage und die notwendige Naturvielfalt zu bewahren, unsere Ökosysteme zu schützen sowie unsere regionale Landwirtschaft zu unterstützen. Doch es gilt die Bevölkerung bei jedem Schritt mitzunehmen, denn sie darf nicht durch zu schnelle und zu scharfe Veränderungen überfordert werden. Ein klimaneutrales Tübingen 2030 ist erstrebenswert, aber nicht um jeden Preis. Umweltschutz verlangt, die Flora in unserer Stadt besser an den Klimawandel anzupassen. Die Möglichkeiten umfassen z.B. das Pflanzen trockenheitsresistenter Bäume und von „Tiny Forests“. Tübingen braucht das Konzept der Schwammstadt: Das Mikroklima soll so durch weitere Grünflächen und Bepflanzungen verbessert werden. Besonders die freiwillige Begrünung von Oberflächen, beispielsweise auf Dächern und Fassaden, muss deutlich ausgebaut werden. PV-Anlagen sollen einfacher zugelassen werden können.

Die Linke
Ja, es ist erreichbar. Das Problem ist: Die Berechnung der städtischen Treibhausgasemissionen beschränkt sich auf Mobilität, Wärme und Strom. Nur im Stadtgebiet entstehende Emissionen und solche, die durch unseren Konsum fließen in die Rechnung ein. Tübingen muss sein Klimaschutzprogramm schnell umsetzen und fortwährend kritisch überprüfen und dabei aber stets darauf achten, dass die Maßnahmen sozial verträglich sind. Wir wollen Energiesparpotenziale ausschöpfen, das Fernwärmenetz auf auf erneuerbare Energien umstellen und beschleunigt ausbauen, Holzheizkraftwerke bauen, eine Wasserstoffinfrastruktur aufbauen, um Blockheizkraftwerke klimaneutral zu betreiben. Wir wollen klimaneutral bauen: Neubauten möglichst aus Holz, Sanierung vor Neubau. Den Stromverbrauch müssen wir reduzieren, die Stromerzeugung komplett auf erneuerbare Energie umstellen, dazu den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben, Windkraftanlagen bei Lustnau und Weilheim bauen. PV-Anlagen auf möglichst viele Dächer.

FDP
Tübingen steht beim Erreichen der Klimaziele für 2030 aktuell vor erheblichen Schwierigkeiten. In den vergangenen Jahren wurde der städtische Haushalt konsequent überstrapaziert und trotz der getanen Anstrengungen bleibt die finanzielle Belastung hoch. Die Kosten für die Umsetzung aller erforderlichen Maßnahmen sind enorm, insbesondere die notwendigen Investitionen in erneuerbare Energien, energetische Sanierungen und den Ausbau der Infrastruktur. Die stark gestiegenen Bau- und Energiekosten erschweren zusätzlich die Umsetzung und führen zu höheren Mieten und Betriebskosten. Dennoch sind es besonders die Bürgerinnen und Bürger von Tübingen, die engagiert ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Mit einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft kann Tübingen innovative Lösungen entwickeln und umsetzen. Wenn alle Beteiligten gemeinsam an einem Strang ziehen, hat Tübingen die Chance, trotz der Herausforderungen, einen bedeutenden Schritt in Richtung Klimaneutralität zu machen und ein Vorbild für andere Städte zu werden.

Demokratie in Bewegung
Wir müssen es erreichen! Dem Ausrufen des Klimanotstands als ersten Schritt sollte der kostenlose ÖPNV, die autofreie Innenstadt, flächendeckende Versorgung mit Fernwärme, die ausschließliche Energieversorgung der Stadt durch regenerative Energien folgen. In regelmäßigen Abständen muss die Entwicklung in Sachen Klimaneutralität überprüft werden, um ggf. verschärfende Maßnahmen zu beschließen. Es gilt aber auch hier, dass die Transformation nur sozial-ökologisch erfolgreich sein kann, d.h. wir müssen die Stadtbevölkerung in all ihren diversen Lebensrealitäten berücksichtigen, abholen und in den Entscheidungsprozess integrieren. Für uns von DiB ist das das Einsetzen von Bürger*innenräte, und im Zweifel oder bei Bedarf auch einen juristisch bindenden Volksentscheid von unten, d.h. durch die Stadtbevölkerung hinsichtlich eines konkreten Themas eingefordert, zu vollziehen.

Klimaliste
Damit wir alle innerhalb der planetaren Grenzen gut leben können und auch Tübingen trotz der Klimafolgen eine lebenswerte Umgebung für alle Menschen bleibt, ist die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels und damit auch das Erreichen des Ziels “Tübingen Klimaneutral 2030” dringend erforderlich. Ob dieses Ziel mit den im Moment geplanten Maßnahmen tatsächlich erreicht werden kann, muss nach der kürzlich im Klima- und Umweltausschuss vorgestellten CO2-Bilanz zum Stand 2021 bezweifelt werden. Wir gewinnen den Eindruck, dass Stadtverwaltung und Gemeinderat hier bislang im Blindflug unterwegs sind und keinen großen Wert auf aktuelle Zahlen legen.

Neben zahlreichen Einzelmaßnahmen fordern wir daher einen Klimaaktionsplan mit einer Orientierung am CO2-Budget von Paris, einem jahresscharfen und messbaren Reduktionspfad und einer jährlichen Bilanzierung. Für klimarelevante Themen fordern wir  einen echten Klimavorbehalt, der auch soziale Auswirkungen darstellt und die Einbindung eines Bürger*innenrats.

Die PARTEI / Stammtisch „Unser Huhn
Auf dem Papier ist es bestimmt erreichbar. Ähnlich wie beim CO2-Emissionshandel gibt es in der Kommunal-Politik Zertifizierungen, die Bereiche schön rechnen und Klimaschutz vorgaukeln. Auf einem Spielplatz zwei Bäume zu pflanzen oder eine Fassade zu begrünen ist begrüßenswert. Wir sollten aber immer über die Stadtgrenzen hinaus denken und mit bedenken, dass für jedes Wohnhochhaus, das wir in Tübingen nicht bauen und verhindern, in einem Ort um Tübingen rücksichtslos Einfamilienhaussiedlungen entstehen, mit mehr Pendlern nach Tübingen.

 

Vor der Kommunalwahl hat die Kupferblau den einzelnen Listen verschiedene Fragen zu Themen gestellt, die Tübingen bewegen. Die bereits vorausgegangenen Fragen: 

 

Die Rechte an den Logos liegen bei den Listen.
Beitragsbild: David Hertle auf Unsplash (Foto),

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