Am Mittwochabend beglückte die Singer-Songwriterin Hetti das Café Haag mit bittersüßen Folk-Klängen: es waren schöne Stunden mit Weißweinschorle, Liedern übers Küssen und einem verzauberten Publikum.
Ich muss zugeben, ich kannte keinen einzigen Song der Künstlerin Hetti als ich mich am Mittwoch Abend mit zwei Freundinnen vor dem Café Haag traf. Ich wusste nicht einmal welches Genre mich erwarten würde. Aber so beginnen die schönsten Geschichten in Tübingen: zufällig und wunderbar ahnungslos.
life can be so bittersweet
“Bittersweet” – Hetti
„Hey, habt ihr Bock mal im Café Haag vorbeizuschauen? Da spielt eine Sängerin, die so heißt wie ich!“ Was als eine lustige Idee meiner Freundin Hetty (ja, mit Ypsilon statt mit i) startete, wurde zu einem unerwartet berührenden Abend. Wir entscheiden uns spontan vorbeizuschauen, auch wegen des Eintritts auf Spendenbasis. Schon als meine Freundinnen und ich verspätet vor den Türen der kleinen Bar stehen, hört man Hettis klare, beruhigende Stimme auf die Straße tröpfeln.
Hettis Place To Be
Der Raum ist voll mit begeisterten Zuhörenden, wir stehlen uns an der Menge vorbei zur Bar. Vorne auf der Bühne sitzt Hetti, eine junge Frau mit Gitarre auf dem Schoß, in orange-rotes Licht getaucht – und sie singt. Von Liebe, vom Küssen, vom Alleine im Ausland sein. Dabei ist sie so echt und verletzlich, dass mir und meinen Freundinnen an manchen Stellen fast die Tränen kommen. In ihren Worten steckt ganz viel Wärme, egal ob sie auf Deutsch oder auf Englisch singt, beide Sprachen klingen aus ihrem Mund wie eine Muttersprache. Zwischen den Songs legt sie die Gitarre kurz beiseite, trinkt einen Schluck Weinschorle und erzählt die Geschichten hinter ihren Texten. Viele sind während ihres Auslandsaufenthalts in Irland entstanden, daher auch ihre Prägung zum folkigen Sound.
Am sympathischsten: Beim Erzählen schwäbelt sie ein wenig. Man merkt, das ist ihr Zuhause. Im Publikum sitzen viele ihrer Liebsten und unterstützen sie mit lautem Beifall. Es überrascht nicht, wenn Hetti sagt, das Café Haag sei ihr persönlicher „place to be“ und hier spiele sie am liebsten.
when I am feeling alone / I know you’ll always be my home
“My Home” – Hetti
Einen Großteil der Setlist hat Hetti auf den gängigen Streaming Plattformen veröffentlicht, aber manche Lieder sind erst ganz frisch entstanden. Einige Cover streut Hetti ebenfalls dazwischen, spielt sie aber ganz in ihrem akustisch-ruhigen Stil, macht sie dadurch zu etwas Eigenem.
Wunderbar unperfekt
Der Abend geht schnell vorbei, Hetti setzt zu ihrem letzten Song unter den Kronleuchtern des Café Haags an, ein letztes Cover. Das Berührende an ihrer Musik ist für mich, dass sie nicht den Anspruch hat, perfekt zu sein. Während einer Pause beschreibt sie, ihre meisten Songs entständen innerhalb nur einer Stunde, in einem Fluss sozusagen. Ich finde, man kann das hören. Es lässt sie organisch klingen und damit umso echter und natürlicher. Hetti singt, was sie fühlt, das scheint nicht nur in ihren Lyrics durch. Sie lässt sich auch von vergessenen Textzeilen oder falsch gegriffenen Akkorden nicht verunsichern, lacht darüber hinweg und setzt einfach neu zum Refrain an.
Meine Freundin Hetty findet dann noch heraus, dass Hetti eigentlich Henriette heißt. Obwohl sie damit wohl doch keinen Namens-Zwilling gefunden hat, trübt es unsere Laune nicht ein bisschen. Wir sind für ihren Namen gekommen, aber für die Musik geblieben – und gehen als neue Fans der Singer-Songwriterin.
Beitragsbild: Franziska Gewalt