Unsere Suche geht weiter! Die Kupferblau hat einheitliche Buchhandlungen satt! Wir wollen euch Läden näher bringen, in denen Lesende nicht nur Bücher finden, sondern auch eine einzigartige Atmosphäre genießen können. Also besuchen wir Wolfgang Zwierzynski in seinem Bücherladen Quichotte, sprechen über Lindenblütentee, Verlage, selbstgebaute Regale, den Buchhandlungspreis und natürlich auch darüber, warum es sich manchmal lohnt gegen Windmühlen zu kämpfen.
Mit etwas Mut gegen die Windmühlen kämpfen
Die Redensart “gegen Windmühlen kämpfen” wurde durch den Roman “Don Quijote” von Cervantes geprägt. In dem Roman kämpft der Held Don Quijote gegen Windmühlen, da er sie für feindliche Riesen hält. Die Redewendung “gegen Windmühlen kämpfen”, wird gebraucht, wenn man etwas beschreibt, was nie zum Erfolg führen wird.
Mir geht die Redewendung durch den Kopf als ich mich mit Herr Zwierzynski in das Café setzte und wir das Interview beginnen. Denn seine Geschichte hätten sicherlich viele als einen Kampf gegen die Windmühlen bezeichnet. Geplant war eine Ladeneröffnung nämlich ursprünglich nicht. Er habe Philosophie und Literatur studiert, erzählt er mir. Nach seinem Magister arbeitete er eine Zeit lang an der Universität als Teilzeitkraft.
„Und danach kamen Sie auf die Idee eine Buchhandlung zu eröffnen?“
„Nein, das hat sich wirklich organisch ergeben“, er schmunzelt und nippt an seinem Kaffee. Begonnen hat seine Geschichte mit einem türkischen Laden, der damals in seinem Haus war. Er und der Inhaber verstanden sich gut und die beiden tranken im Sommer immer zusammen Lindenblütentee, da dem Lindenblüten nachgesagt wurde, dass sie das Leben verlängern würden. Doch trotz der Lindenblüten starb der Ladenbesitzer und so ergab es sich, dass Herr Zwierzynski zu seinem ersten Laden in der Neckarhalle kam. „Dort wollte ich ursprünglich ein Büro machen für Lektorat und Korrekturen. Der Buchhandel hat sich dadurch ergeben, dass ich jemanden vom “Stroemfeld roter Stern” kannte, einem Verlag, den es heute nicht mehr gibt, aber ich kannte den Vertriebsleiter sehr gut. Eines Tages rief er mich an und erzählte mir, dass er von den großen Buchhandlungen gesagt bekommen habe, dass es nicht mehr nötig sei, dass er käme. Aus lauter Wut habe ich dann gesagt: Rudi, ich kann auch nebenher Bücher verkaufen! Und so bin ich auf die Idee gekommen, nebenher Buchhandel zu machen“. Als ich ihn frage, wie das Verkaufen von Büchern nebenher ausgesehen hat, meint Herr Zwierzynski schlicht; „Ich habe ein Regal in mein Büro gestellt“. Das war der Anfang des heutigen Quichotte.
Eigensinn als Lebens- und Ladenmantra
„Ich war schon immer eigensinnig gewesen und dementsprechend ist auch mein Literaturgeschmack. Das war schon an der Uni so. Manchmal habe ich in der Bibliothek Bücher, die nicht auf den üblichen Listen der Professoren waren, so umgestellt, dass die Studenten eher danach griffen. Ich wollte einfach, dass die Menschen mal nach links und rechts schauen und auch andere tolle Sachen entdecken. Leider kam nach einigen Stunden dann das Aufräumkommando und dann war alles wieder beim Alten, aber ich hatte da einfach meinen Eigensinn”, er zieht leicht die Schultern hoch und verschränkt die Finger ineinander. Doch dieser Gedanke zieht sich in seinem Laden fort. Es ist ein Ort voller Bücher, bunte, kleine, graue und selten sehe ich eines, das ich bereits auf Booktok oder einer Spiegelbestseller Liste gesehen habe. Herr Zwierzynski lacht nur: „Nun das liegt daran, dass ich nichts von diesen Listen halte”
Warum es sich lohnt für kleine Verlage zu kämpfen
Herr Zwierzynski setzt sich für kleine Verlage ein, man könnte sagen, dass dies die Origin Story seines Ladens war, doch lohnt sich dieser Kampf? Und wie viele dieser Verlage gibt es überhaupt noch? „Es gibt noch einige, aber die haben es wirklich nicht leicht, weil der Buchhandel sich verändert hat. Denn es verlagert sich mehr in den Mainstream hinein. In der Literatur möchte man sich wiederfinden und dementsprechend lesen die Leute Dinge, in denen sie Strukturen finden, die sie bereits kennen. Leider geht dabei die Auseinandersetzung mit dem Fremden verloren. Wie soll ich sagen, die Leute gehen weniger Wagnis ein”. Viele kennen das Gefühl, dass neue Romane uns an bereits existierende Geschichten erinnern. Beispielsweise Vampirgeschichten, die frappierende Ähnlichkeiten zu Twilight haben oder die Dystopie, in denen eine Elite sich gegen die Bevölkerung richtet und starke Ähnlichkeiten zu den Hungerspielen hat. Kleine Verlage versuchen diesen Zyklus zu durchbrechen. Sie bieten Ideen, Konzepte, die von der Norm abweichen, da sie noch eher geneigt sind etwas auszuprobieren, von dem man nicht weiß wie viel Profit es abwerfen könnte. „Und genau deswegen bin ich stolz, dass ich das mit den kleinen Verlagen weitermache. Ich möchte meine Kunden etwas herausfordern, sie zu Literatur hinführen, die sie vielleicht sonst nie in die Hand genommen hätten”
„Die kleinen Verlage, die haben sich getraut neue Sachen aufzulegen
und die Großen haben dann die Lizenz gekauft und es noch größer gemacht.
Aber die kleinen Verlage waren die Innovatoren!“
Herr Zwierzynski auf die Frage: „Was bieten uns kleine Verlage?“
Zwar scheint die Geschichte des Quichottes auf den ersten Blick beinahe romantisch verlaufen zu sein, doch der Schein trügt. Denn obwohl Herr Zwierzynski viele Freunde an der Universität und im Verlagswesen hatte, die ihm ermöglichten den Laden ohne Kredit zu eröffnen, gab es immer wieder Menschen, die versuchten das Vorhaben klein zu reden. „Man muss schon erfinderisch sein, wenn man keinen Kredit aufnehmen will. Meine Regale habe ich mir alle selbst gebaut, aus Holz, das ich hier und da gefunden habe und ich hatte großes Glück, dass ich meine Bücher auf Kommission [bedeutet, dass man die Bücher, nicht sofort bezahlen musste] nehmen konnte. Doch, wie gesagt, die erste Buchhandlung war winzig und ich habe immer gelogen, ich habe gesagt es sind 25 Quadratmeter, de facto waren es nur 17. Aber ich hab mich nicht getraut, das zu sagen, da man als Buchhandlung auch einen Großhändler braucht und leider hatte ich da keine gute Erfahrung. Als nämlich der Herr, von der Firma „Libri“ kam der, meinen Laden betrat, hat er wirklich die Nase gerümpft und ich war richtig wütend darüber und wollte mir dann den Ärger ersparen”. Auch ein Google Mitarbeiter habe ihn, nachdem der Buchladen an Popularität gewonnen hat, angerufen und ihn aufgefordert eine bestimmte Summe zu zahlen, damit sein Laden bei der Suchergebnissen als Erster angezeigt wird. Dies lehnte der Ladenbesitzer ab. „So etwas mache ich einfach nicht”.
Warum sich Einzigartigkeit bezahlt macht
Nichtsdestotrotz hat Quichotte sich gegen alle Hindernisse hinweggesetzt und sogar drei Mal in Folge (2017, 2018, 2019), sowie letztes Jahr, den deutschen Buchhandlungspreis in der Kategorie: hervorragende Buchhandlungen gewonnen. Natürlich erwähnt er das im Interview nicht, sondern erzählt mir stattdessen über seinen Alltag in der Buchhandlung. Insbesondere über ein Erlebnis an das er sich noch gut erinnert. Ein Ehepaar, beides Kunstsammler, die auf der Suche nach einem Buch waren. Die beiden waren unbeholfen mit dem Internet und beauftragten stattdessen Herrn Zwierzynski das Buch zu suchen. „Ich erinnere mich noch, dass es ein Buch über orientalische Glasmalerei war. Also habe ich angefangen zu recherchieren und und habe schließlich einen Hinweis im Kunstmuseum in Kairo gefunden. Mit deren Hilfe habe ich dann herausgefunden, dass das einzige Exemplar noch in einem Antiquariat in Jerusalem lag und konnte es dann bestellen. Und das vergesse ich nie, als ich bei denen angerufen habe und die haben sich gefreut, wie die Kinder. Und danach hatte ich so eine magische Position bei Ihnen”. Er erzählt mir auch von seinen Kunden*innen, die ihm Zeitungsartikel mitbringen, ihn um Rat bitten oder sich einfach über das zuletzt gelesene Buch austauschen wollen und trinkt hin und wieder einen Schluck Kaffee während ich schreibe, in seinem Gesicht zeichnet sich jedoch ein Ausdruck von vollkommener Zufriedenheit ab.
„Wichtig für mich war nicht der Kanon, sondern, das was daneben stand“.
Herr Zwierzynski zu der Frage: „Was halten Sie von Bücherlisten?“
Eine letzte Frage zum Schluss
Bevor ich mich verabschiede, frage ich Herrn Zwierzynski eine letzte Frage: „Hätten sie noch einen Tipp für die Menschen, die sich gerade erst wieder an ein Buch probieren möchten?” „Ich würde die Erzählung empfehlen. Einerseits da das kleinere, kürzere Prosa Teile sind. Andererseits da man damit wichtige Schriftsteller kennenlernen kann. So habe auch ich begonnen zu lesen. Die Kompaktheit einer Erzählung ist, meiner Meinung nach, eine Einladung, bevor ich mich an so große Romane traue und weil ich finde jeder Schriftsteller hat ja so seine eigenen Duktus und Rhythmus und das kann man sehr gut dadurch kennenlernen”. Ihn selbst hätte damals sein Professor Paul Hoffmann, auch bekannt als Lyrik Papst, zur näheren Betrachtung von Lyrik und Prosa inspiriert. Ich bedanke mich für das Interview, schüttele ihm die Hand und mache mich auf.
Für mich lässt sich abschließend sagen, dass die Quichotte Literarische Buchhandlung für all diejenigen einen Besuch wert ist, die auf der Suche nach einem etwas anspruchsvollerem Buch sind und sich von einem Experten beraten lassen wollen. Auch interessant könnte die Buchhandlung für diejenigen sein, die sich von der Pinterest-Bookstore Ästhetik faszinieren und im Quichotte ein wenig in diese Welt eintauchen wollen. Vor allem aber lohnt sich der Besuch um Bekanntschaft mit dem Mann hinter dem Bürotisch zu machen, der durch seine runden Brillengläsern meist in einem Buch oder in einen Computer schauen wird. Und ihn vielleicht nach einer Buchempfehlung zu fragen. Finden kennt ihr den Laden in der Altstadt neben dem Bavaria in der Gasse Bei der Fruchtschranne 10 hinter dem Bürgeramt.