Nach der Ankündigung, dass das Programm des Studio Literatur und Theater als solches nicht mehr weiterexistieren würde, taten sich Studierende aller Richtungen zusammen, um mit Petitionen sowie direkten Aufrufen für den Erhalt des SLT einzustehen. An diesem Beispiel erkennt man, welche Wirkungskraft basisdemokratische Mittel wie Petitionen und sog. Graswurzelbewegungen entfalten können. Doch wo liegt deren Ursprung und bei welchen Beispielen muss auch differenziert werden?
Diejenigen, die mit dem außerfakultären Programm der Universität vertraut sind und sich schon mit dem ein oder anderen Kurs für Schlüsselqualifikationen auseinandergesetzt haben, sind sicher bereits mit dem Studio Literatur und Theater in Berührung gekommen. Diese fakultätsunabhängige Institution bietet Seminare zum Schreiben von kreativen Texten an sowie auch Veranstaltungen und Lesungen. Dabei kann man beispielsweise Seminare über das Schreiben von Prosa besuchen, um sich mit der Sprache und der Ausübung hiervon auseinanderzusetzen. Das Besondere ist hier vor allem, dass sich jeder damit beschäftigen kann ohne Vorwissen zu besitzen. Umso schockierender kam die Nachricht, dass die Leiterin Dagmar Leupold angekündigt hat, dass sie zum 31.07.2021 in den Ruhestand geht, das SLT als solches nicht mehr weiterexistieren würde, da es auch keine Aussicht auf eine Nachfolge gab. Anfragen von Studierenden wurden von der universitären Leitung zum größten Teil unkommentiert gelassen.
Gemeinsames Einstehen zum Erhalt des Studio Literatur und Theater
Doch ein stummes Verschwinden des SLT wollten und konnten Viele nicht hinnehmen. Ehemalige sowie jetzige Studierende, die sich mit dem Programm des Studio Literatur und Theater vertraut gemacht haben, ließen diese Entscheidung nicht spurlos an sich vorbeigehen. Zu generelleren Empörung kamen zahlreiche Aufrufe in den sozialen Medien, sowie der konstruktive Aufruf zu einer Petition. Diese forderte nicht nur eine neue Besetzung für die freiwerdende Stelle, sondern auch den Erhalt der momentanen Seminarräume, dem Sekretariat und der damit einhergehenden Finanzierung.
Dies alles bewirkte, dass die Universitätsleitung am 23.04.2021 eine Pressemitteilung zum Verbleib des SLT herausgab. Mit freudiger Überraschung konnten damit die Initiatoren der Petition zur Kenntnis nehmen, dass gesellschaftlicher Konsens zu einem Thema zu einer Veränderung führen kann. Im Folgenden werden die Tragweite von dem Petitionswesen und basisdemokratischen Bewegungen sowie ihre Wirkungskraft unter die Lupe genommen.
Petitionen als demokratische Mittler
Das Petitionswesen gibt es bereits, seit es Rechtssysteme gibt. Von der Zeit des Heiligen Römischen Reichs bis hin zur Gegenwart hat die Petition eine enorme Veränderung hinter sich, der Grundgedanke war jedoch immer der Gleiche. Es soll als eine Art demokratisches Werkzeug angewendet werden, um einer Institution das Anliegen der Bürger vorzutragen. Während dies bei früheren totalitären Herrschaften als reine Bitte angesehen wurde und zum größten Teil nicht beachtet worden sind, ist dies heute im Grundgesetz verankert. So besagt Artikel 17 des Grundgesetzes:
„Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“
Im Laufe der Zeit hat sich damit nicht nur der Stellenwert, sondern auch die Beantragung der Petitionen verändert. So wurden sie zu Zeiten von Friedrich II. an eine Linde vor den Sitz des Machthabers geheftet, die später auch als Bittschriftenlinde bekannt war. In moderneren Zeiten entwickelte sich das Konzept dann zu schriftlichen Einsendungen bis es sich schließlich auch online etabliert hat, wie es in dem Beispiel von dem Aufruf zum SLT es möglich war.
Bewegungen von unten nach ganz oben
Der Gedanke von Petitionen, dass Personen mit demselben Gedankengut für ein Thema einstehen, kann auch als ein Werkzeug von sog. Graswurzelbewegungen (engl. grassroots movements) gesehen werden. Dieser metaphorische Begriff bezeichnet Bürgerinitiativen, die praktisch von der Wurzel aus, aus der Bevölkerung entstehen und das Potenzial entwickeln, hieraus etwas Großes zu erreichen. Grassroots Movements sind zumeist wichtige basisdemokratische Strukturen, die aus dem gemeinsamen Willen entstehen, etwas zu verändern. So sind Bewegungen wie Fridays For Future auch Graswurzelbewegungen, die in der Vergangenheit sowie in der Gegenwart durch ihre Aktionen und ihren Aktivismus Aufmerksamkeit auf die Problematik der Klimakrise gelenkt haben und einige aus ihrer vorgegaukelten Gemütlichkeit gerüttelt haben. Nur weil Dinge in kleineren Strukturen entstehen, bedeutet das also nicht, dass diese Strukturen nicht weniger erfolgreich sind. In dem Beispiel des Aufrufs für das Studio Literatur und Theater hat dies einiges bewirkt und sogar für den Erhalt gesorgt.
Grasswurzelbewegung bedeutet nicht gleich basisdemokratisch
Doch auch hier muss aufgepasst werden. Nur weil etwas im gemeinsamen Konsens entsteht, ist die Motivation dafür nicht immer unfragwürdig. Dies beweisen die Proteste gegen die Schutzmaßnahmen der Regierung zu Eindämmung der Covid-19 Pandemie und im Zuge dessen die Herausbildung der sogenannten Querdenker-Bewegung. Dies sind Leute unterschiedlichster Bevölkerungsmassen, die sich aber vor allem als Impfgegner*innen, Verschwörungstheoretiker*innen sowie als Rechtsextremist*innen entpuppten. Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, bezeichnete diese Gruppe, die die Corona Maßnahmen als Zusammenbruch der Demokratie sahen, als „eine Art Graswurzelbewegung“, bzw. „eine Art Anti-Corona-Maßnahmen-Sammelbewegung, welche von Verschwörungstheoretikern, Rechtsextremisten gezielt gespeist wird.“
Dieses Beispiel bedenkend, kann sich das Zusammentun von Leuten dennoch lohnen, wie die Petition und das generelle Mobilisieren, wie es für das Studio Literatur und Theater gemacht worden ist. Und egal, wie klein die Gruppe am Anfang erscheint, man kann viel hiermit erreichen. Dazu gehört am Ende natürlich mehr als eine Petition – ein gemeinsamer Gedanke und Wille, für die demokratischen Werte von Leuten einzustehen, ohne hierbei die Rechte von anderen zu verletzen.
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