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Samstagslehre – Yay or nay?

Auf allen Ebenen der Uni wurde in den vergangenen Wochen über die Gestaltung des Wintersemesters diskutiert. Nun wurde ein Lehrkonzept beschlossen, dass unter anderem eine Ausweitung der Veranstaltungszeiten bis 21 Uhr und möglicherweise auch auf samstags vorsieht. Die ver.di-/GEW-Hochschulgruppe protestiert, die Universitätsleitung verteidigt den Beschluss. Was spricht für und was gegen die Samstagslehre? Zwei Meinungen aus der Redaktion.

Suche: Infektionsschutz. Biete: Samstag

Nicht alles, was wie eine Schnapsidee klingt, ist tatsächlich eine Schnapsidee. Für das kommende Semester erwägt die Unileitung, Präsenzveranstaltungen samstags stattfinden zu lassen. In die Uni? Samstags? Schnell war der Aufschrei groß. Besonders die GEW/Verdi-Hochschulgruppe reagierte gereizt auf den Vorschlag und fürchtet seither um die Freizeitgestaltung und Gesundheit der Tübinger Studis.

Das Problem an der Empörung: Sie unterstellt der Uni etwas, was diese nie gefordert hat, nämlich den Samstag zum regulären Unterrichtstag zu machen. Mittlerweile hat der Rektor präzisiert, dass wöchentlich stattfindende Veranstaltungen zum Teil durch vereinzelt stattfindende Blockveranstaltungen ersetzt werden sollen. Da Blockveranstaltungen schon vor Corona Gang und Gebe waren, ändert sich für die meisten Studis wenig bis nichts. Außerdem können und werden auch weiterhin viele Veranstaltungen online stattfinden. Das gilt vor allem für große Vorlesungen, in denen ein Mindestabstand von 1,5 Metern nicht einzuhalten ist.

Am wichtigsten ist jedoch: Wer den Online-Betrieb satt hat und wieder vor Ort unterrichtet werden möchte, muss Kompromisse eingehen.

Präsenzlehre ist auf lange Sicht unverzichtbar, keine Frage – sowohl für Erstsemester- und Austauschstudierende, die sonst wenig Anschluss finden, als auch für Seminare und Übungen, die Interaktion erfordern. Aber Business as usual? Das ist auch im Winter nicht drin. Wenn, wie vor Corona, etliche Studis zeitgleich die Gebäude aufsuchen, sich dicht an dicht in den Fluren tummeln oder die Eingänge verstopfen, dann wird auch die ausgeklügeltste Vorsichtsmaßnahme vergebens sein. Zudem fehlt es schlicht an genug Seminarräumen und Hörsälen, in denen Abstandsgebote überhaupt zu realisieren sind. Würden die Räume hingegen auch samstags genutzt, wäre das immerhin ein Tag mehr, um die Studis auf das verfügbare Angebot zu verteilen.

Wer also meint, dass ein Zeitrahmen von fünf Tagen in der Woche reicht, um Präsenz und Schutz zu versöhnen, der irrt. Es ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch realitätsfern, in außergewöhnlichen Zeiten auf gewöhnliche Zeitmodelle zu setzen. Deshalb: Opfern wir lieber ein paar Samstage im Semester, statt unsere Gesundheit. Denn Präsenzlehre wie üblich zu gestalten – das wäre die eigentliche Schnapsidee.

von Jonathan Pflanzer

Keine Präsenzlehre um jeden Preis

“Samstags gehört Vati mir” – mit diesem Slogan begann 1956 der Kampf der Gewerkschaften um die 5-Tage-Woche. Knapp fünfzehn Jahre später ist das freie Wochenende Realität geworden und seitdem nicht mehr wegzudenken. Nun haben wir das Jahr 2020 und der Senat der Universität Tübingen behält sich in einem Beschluss offen, pandemiebedingt an Samstagen reguläre Lehre stattfinden zu lassen. “Ihr wolltet doch die Präsenzlehre”, klingt der Unterton des Vorschlags heraus, “hier habt ihr sie”. Über 27.000 Studierende und über 5.000 Professor*innen und wissenschaftliche Angestellte müssen unter den den Bedingungen, die die Uni-Leitung festlegt, arbeiten und lernen. Im Senat, dem Gremium in welchem das Konzept für das kommende Semester nun beschlossen wurde, bilden diese jedoch die Minderheit. Ob sie Samstagsuni möchten, wurden sie nicht gefragt.

Und ja, natürlich wünschen wir uns für viele Veranstaltungen wieder mehr Präsenz. Aber nicht um jeden Preis.

Von uns Studierenden wird ohnehin verlangt, so flexibel wie möglich zu sein, schließlich studieren wir ja “nur”. Dennoch, das Wochenende ist heilig. Nicht nur für Freizeit, Engagement, oder zum Vor- oder Nachbereiten von Lernstoff. 68 Prozent aller Studis arbeiten nebenher, viele davon nutzen die Samstage als vollen Arbeitstag, da es der einzige ist, an denen sie keine Uni haben. Corona-bedingt haben viele ihre Jobs verloren und sind gerade wieder auf der Suche nach neuen, da hilft es nicht, wenn der Samstag nun als potenzieller Arbeitstag wegfällt.

Andere könnten so unterm Semester gar nicht mehr nach Hause fahren, weil sie nicht mehr zwei bis drei Tage hintereinander frei haben, sondern nur noch einen. In ihrer Antwort an die GEW/ver.di behauptet die Uni, die Ausweitung auf Samstage und späte Abendstunden böte Menschen mit familiären Pflichten mehr Flexibilität. Ich frage mich, was daran vorteilhaft sein soll, abends um 21 Uhr noch in der Uni zu sitzen oder samstags, wenn es keine Kinderbetreuung gibt, Stunden im Seminaren zu verbringen. Oder sollen die jungen Sprösslinge dann einfach gleich mitgeschleppt werden, damit sie auch mal etwas Spannendes über Hegel, Adenosintriphosphat oder den hermeneutischen Zirkel lernen? Einen “Nachteilsausgleich” soll es geben, für Studierende, die (samstags) nicht zu Präsenzveranstaltungen kommen können. Was das konkret bedeutet, bleibt offen.

von Clara Thier

Foto: Pixabay

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1 Kommentar

  1. Jan Johannes Brüllmann sagt:

    Es wäre schön wenn wir für die Universität zusätzliche Räume zur Verfügung gestellt bekommen würden um das Thema auch räumlich zu entzerren. Ich denke das dass sowohl für Schulen als auch für die Universitäten gilt, das es in den Städten jede Menge an ungenutztem Raum gibt, der zumindest zeitweise schulische oder Universitär genutzt werden könnte:Vereinsheime bieten sich da genauso an wie die wegen Corona sowieso leerstehenden Clubs, aber auch andere Versammlungsorte, die aktuell von Vereinen und Kirchen nicht genutzt werden können. Auch die Verbindungshäuser verfügen über große Räumlichkeiten und es ist Außerhalb des schulischen und Universitären Bereiches nicht vermittelbar, zum Beispiel für Bekannte oder Verwandte, weshalb diese Räumlichkeiten nicht genutzt werden können, während andererseits verschiedene Fachrichtungen per Raumbelegung an der Uni gegeneinander ausgespielt werden. Es wäre eine große Hilfe von Seiten der Verbindungen für die Universität, wenn man diese Räumlichkeiten für Seminare aktiv nutzen könnte. Gleiches gilt für die anderen Leerstehenden Gebäude die über große Säle verfügen etwa das Top Ten oder ähnliches. Diese Veranstaltungsräume werden wegen Corona auf absehbare Zeit geschlossen bleiben,sodass einer Teilnutzung als Unterrichtsraum nichts mehr im Wege steht. Dies ist keine Kritik sondern lediglich ein zusätzlicher Vorschlag wie mehr Universitärer Raum dazugewonnen, werden könnte, was die Rückkehr zur Präsenzlehre noch mehr unterstützen würde.

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