Politik

Trumpismus ohne Trump? – Eine Debatte unter der Linde

Die anfängliche Erleichterung über die Wahl Joe Bidens ist einer harten Realität gewichen. In den letzten Wochen hat sich immer deutlicher abgezeichnet, dass Donald Trump mitsamt seines Gedankenguts nach seiner Abwahl nicht wie ein böses Teufelchen in einer blauen Wolke verdampfen und sich im Fahrtwind der neuen Regierung als schlechter Nachgeschmack verflüchtigen würde. Doch wie wird sich der Nachhall von Trumps Spaltungspolitik auf das Land sowie auf die Beziehungen des amtierenden Präsidenten und der politischen Parteien zur Bevölkerung auswirken? 

Spätestens nach dem Angriff auf das Capitol ist deutlich geworden, dass Trump als Galionsfigur für eine Bewegung stand, die ihn zur Verwirklichung ihrer Ambitionen nicht mehr benötigt. Doch setzen sich Misstrauen und Verschwörungsmythen weiter fort oder wird der Regierung eine Einigung der Bevölkerung gelingen? Fragen wie diese stehen im Raum und treiben nicht nur Studierende der American Studies um, sondern beschäftigen viele Menschen mit Interessen rund um Politik und Gesellschaft. In Zeiten digitaler Entfremdung und Überfluss von Informationen bleibt jedoch manchmal das Bedürfnis nach Austausch über solche Themen links liegen oder verkommt zum Austausch von Stammtischsätzen im familiären Rahmen.

Die Fachschaft für Politikwissenschaft ist darauf aufmerksam geworden und hat sich zum Ziel gemacht, den Gesprächsbedarf rund um politisch wie gesellschaftlich brisante Themen zu bündeln und Diskussionen über diese einen Raum zu geben. Deshalb hat sie vor etwa fünf Jahren die Veranstaltungsreihe DudL, die Debatte unter der Linde, ins Leben gerufen. Hier soll Studierenden die Möglichkeit gegeben werden, sich über politische Themen auszutauschen und neue Blickwinkel kennenzulernen. Das aktuellste der regelmäßig angesetzten Treffen fand letzten Mittwoch statt und stand mit einem Impulsvortrag des Zeit-USA-Korrespondenten Jörg Wimalasena und anschließender Diskussion zum Thema Trumpismus ganz im Zeichen der vergangenen US-Wahlen. Das Diskussionsforum, das gewöhnlich am Institut für Politikwissenschaft tagt, hat seine Sitzungen mit dem Aufkommen der Corona-Pandemie ins alt vertraute Zoom-Ambiente verlegt, wo sich nun Dozierende wie Studierende auf Augenhöhe in Diskussionen begegnen können. Was vor fünf Jahren mit einer Podiumsrunde zum Thema „Die AfD – was ist sie und wie mit ihr umgehen“ anfing, dreht sich seitdem um alle erdenklichen Themen inner- und außereuropäischen politischen Geschehens. Immer mit dem gewählten Anspruch, tagesaktuelle sowie polarisierende Themen ergebnisoffen und konstruktiv in Debatten von und mit geladenen Politolog*innen zu besprechen. Gesponsert wird das Ganze von POLIS, dem Förderverein des Instituts für Politikwissenschaften und findet mehr oder weniger regelmäßig einmal im Monat in Zusammenarbeit des Vereins und der Fachschaft Politik statt.

Dozierende anderer Universitäten

Die Impulsvorträge, mit denen die Treffen eingeleitet werden und die einer generellen inhaltlichen Vorbereitung des Tagesthemas dienen sollen, wurden zu Beginn vor allem von geladenen Dozierenden aus den politik- und gesellschaftswissenschaftlichen Fakultäten Tübingens gehalten. Gelegentlich vergrößert die DudL allerdings auch ihre Reichweite. So wurde zu einer früheren Veranstaltung beispielsweise der Pfarrer Martin Kreuser zum Thema „Das Verhältnis von Politik und Religion“ eingeladen – und nun mit Jörg Wimalasena sogar ein Zeit-Korrespondent. So sind vor dem Zeit-Korrespondenten Jörg Wimalasena bereits etwa die Direktorin des Instituts für biologische Grenzflächen Anne S. Ulrich vom KIT oder der Publizist und Politologe Albrecht von Lucke eingeladen worden. Die Vorträge bereichern die Veranstaltungen vor allem deshalb, weil sie dem nachfolgenden Diskurs einen inhaltlichen Schwerpunkt geben, aber auch weil so Perspektiven beleuchtet werden können, die allgemein gehaltene Vorlesungen oder populärwissenschaftliche Auseinandersetzungen mit den Themen en detail häufig nicht bieten können. So betonte der aus den USA zugeschaltete Jörg Wimalasena den bisherigen politischen Werdegang des gewählten Präsidenten Joe Biden, sowie „die Entfremdung der demokratischen Partei von der Wähler*innenschaft in den ländlichen Teilen der USA“, die er bereits in einem Zeit-Artikel im Interview mit der demokratischen Abgeordneten Jane Kleeb besprochen hatte. Auch wies Wimalasena darauf hin, dass Menschen, „deren Lebensentwürfe – etwa durch den Rückgang der Metall- und Kohleindustrie – entwertet wurden“ häufig Sympathien für Trump entwickeln würden.

Rückfragen

Nach dem Input konnten Rückfragen an den Vortragenden gestellt werden. Hier war vor allem die Perspektive Wimalasenas interessant, der durch seinen Aufenthalt in New York quasi direkt von vor Ort berichten konnte. So kamen Fragen bezüglich der Orientierung deutscher Berichterstattungen an US-amerikanischen Medien und der Darstellung Joe Bidens im Wahlkampf auf. Im Zuge der Fragen kam auch die Uneindeutigkeit politischer Analysen zum Tragen. So besprachen Wimalasena und eine anwesende Professorin die Einwirkungsmöglichkeiten der demokratischen Partei auf ländliche Regionen aus unterschiedlichen Perspektiven.

Debattencharakter

Hier wurde deutlich, dass die DudL mehr ist als eine Vorlesung. Denn dort, wo bei anderen universitären Veranstaltungen nach dem Wissensinput häufig Schluss ist, geht es hier erst richtig los. Der Konflikt zwischen unterschiedlichen Perspektiven soll gezielt ausgetragen werden, denn besonders interessant wird die Auseinandersetzung mit den Themen ja dort, wo die Meinungen auseinander gehen. Da gerade bei polarisierenden Themen die Gemüter schnell einmal hochkochen können, wird immer darauf geachtet, die Dynamik, die sich dabei entwickelt, in einem konstruktiven und für alle Anwesenden fruchtbaren Rahmen zu halten. So können, wie in diesem Fall, den Sitzungen beiwohnende Professor*innen hier und dort die Diskussion mit ihrem Wissen ergänzen und Einschätzungen von vorgetragenen politischen Analysen vornehmen. Aber auch Studierende können mit frischen Ideen neue Aspekte in die Diskussion einbringen, die sich möglicherweise auch bis in die Vorlesungen fortsetzen.

Zu einem abschließenden Ergebnis sind die Anwesenden zwar nicht gekommen, aber diesen Anspruch hat die DudL auch gar nicht. Das Diskussionsformat bietet vor allem eine gute Plattform für alle Politikbegeisterten, die sich über Standpunkte zu aktuellen Themen austauschen und Erfahrungen in politischen Diskussionen sammeln wollen. Wir sind auf weitere Veranstaltungen gespannt und freuen uns darauf, wenn die Debatten der Fachschaft endlich wieder unter der Linde stattfinden können.

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass die DudL bei früheren Veranstaltungen die Chemikerin Anne S. Ulrich vom KIT sowie den Politologen und Publizist Albrecht von Lucke zu Gast hatte. Diese Information stimmt nicht und wurde entfernt.

Beitragsbild: Felix König (CC BY 3.0/GNU-Lizenz für freie Dokumentation, keine Änderungen vorgenommen)

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