Politik

Probleme über Probleme – ein Blick ins Tübinger Tierheim

Tierheime in Deutschland leiden oft im Verborgenen. Viele sind überfüllt und es fehlt an finanziellen Mitteln. Auch im Tübinger Tierheim gibt es dringend Reformbedarf. 

Laute Schüsse donnern vom nahegelegenen Schützenverein hinüber zum Tübinger Tierheim. Von der Straße sind die zahlreichen Autos und Lastwagen zu hören, wie sie über die Bundesstraße fahren. An diesem Tag ist die Grünen Politikerin Zoe Mayer im Tübinger Tierheim zu Gast. Das Campusmagazin war bei ihrem Besuch dabei und bekam einen seltenen Blick ins Tübinger Tierheim. 

Die Bundestagsabgeordnete tourt gerade durch Baden-Württemberg, um sich ein Bild von den lokalen Tierheimen zu machen. Gemeinsam mit der Grünen Jugend stattete sie Ende Mai dem Tübinger Tierheim einen Besuch ab. Im Gespräch mit Anne Kreim, Vorsitzende des Tierschutzvereins Tübingen und Umgebung e.V., die für das Heim verantwortlich ist, ging es um die Probleme des Tübinger Tierheims und mögliche Lösungen. Mayer stellte außerdem Teile des Entwurfs des neuen Tierschutzgesetzes, das die Grünen noch dieses Jahr verabschieden wollen, vor. 

Die Grüne Jugend gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Zoe Mayer (zweite Person von rechts). Bild: Sonia Leibold

Anne Kreim, die für die FDP im Gemeinderat sitzt, liegen viele Themen auf dem Herzen: Sie fühlt sich im Stich gelassen von der Kommune. Das Tierheim sei verantwortlich für den gesamten Landkreis Tübingen mit drei Städten und vielen Gemeinden. „Das ist ein großer Radius“, so Kreim. Darüber hinaus hätten eine nicht gerechte Verwaltung des Heims in der Vergangenheit und fehlende finanzielle Unterstützung zu einem schlechten Zustand des Heims geführt.

“Die Zuschüsse vom Landkreis reichen hinten und vorne nicht”

Die finanzielle Lage sei schwierig: Aktuell erhalte der Verein jährlich fast eine halbe Million Euro aus verschiedenen Quellen: Von der Kommune erhalte das Heim pro Einwohner im Landkreis 1,12 Euro pro Jahr. Zu wenig laut Kreim: „Die Zuschüsse vom Landkreis reichen hinten und vorne nicht.” Hinzu kämen Mitgliedsbeiträge und Spenden. „Das wird ganz schön knapp“, so Kreim. 

Außerdem würden oft zusätzliche Kosten den sowieso schon schlecht aufgestellten Tierheime aufgedrückt werden:  Die Behandlungskosten von verletzten Wildtieren gingen oft an die Tierheime, da sich niemand verantwortlich fühle. Zoe Mayer spricht sich diesbezüglich für Strukturen aus, die klar regeln, wer wofür verantwortlich ist.

Reparaturbedarf und schlechte Standortbedingungen

Kreim beklagt auch den notdürftigen Zustand des Heims: Das Gebäude des Tierheims sei inzwischen 70 Jahre alt und dementsprechend in einem schlechten Zustand. An vielen Stellen gebe es Sanierungs- und Reparaturbedarf. Der Bau sei energetisch eine Katastrophe. Zudem gebe es keine Rücklagenbildung und es fehle an handwerklich begabten Menschen. Die schlechten Standortbedingungen runden das Ganze ab: Da sei der Lärm vom Schützenverein und die regelmäßig vorbeifahrenden LKWs, sowie die Feuchte von der Müllhalde. Diese Bedingungen würden die Tiere stressen: „Das ist einfach nicht gut für die Tiere hier. Die Hunde bellen, wenn sie die Schüsse hören“. Laut Kreim wurde ein beantragter Neubau von der Kommune nicht aufgenommen. 

Karge Innenausstattung – mehr lassen das Budget und die Mittel nicht zu. Bild: Sonia Leibold

Keine faire Bezahlung

Der Fachkräftemangel ist auch im Heim spürbar: Dem Tierheim mangele es an Personal. „Im Tierheim arbeiten zurzeit drei Vollzeitkräfte, drei Minijobber und fünf bis zehn Ehrenamtliche pro Woche“, so Kreim. Auch Sozialstundenableister*innen würden in dem Heim immer wieder arbeiten. 

Wir wollen die Menschen fair bezahlen, die hier arbeiten.

Anne Kreim, Vorsitzende des Tierschutzvereins Tübingen

Aktuell würden die Vollzeitmitarbeitende ein Brutto-Monatsgehalt von 2.500 Euro erhalten. Zu wenig laut Kreim: „Wir wollen die Menschen fair bezahlen, die hier arbeiten“. Außerdem sei es dadurch unattraktiv für neues Fachpersonal, im Tierheim anzufangen.

Eine Kastrationsschutzverordnung soll her

Besonders das Thema Kastration liegt Kreim spürbar am Herzen. Was viele Menschen hierzulange nicht wissen: Auch in Deutschland gibt es viele Straßenkatzen, weil Halter*innen ihre Tiere nicht kastrieren. Laut dem Deutschen Tierschutzbund (DTB) leben Millionen freilebende Katzen in Deutschland auf der Straße. Viele von ihnen seien krank oder tot krank. Auch Mayer beklagt die Situation hierzulande: „In Deutschland gibt es den Trend, dass immer weniger Halter*innen ihre Tiere kastrieren“.

Als Reaktion darauf haben inzwischen laut dem DTB über 1000 deutsche Gemeinden und Städte eine Kastrationspflicht auf den Weg gebracht. Für Tübingen gilt das bislang nicht. Der Tierschutzverein Tübingen fordert für den gesamten Landkreis Tübingen eine Kastrationsschutzverordnung: Alle Halter*innen sollten dazu verpflichtet werden, ihre freilaufenden Tiere zu kastrieren und zu chippen bzw. tätowieren.

Um dem landesweiten Trend entgegenzuwirken, hat der Verein das Thema Kastration selbst in die Hand genommen: „Bei freilaufenden Katzen behalten wir eine Kaution von den neuen Haltern, bis sie vorweisen können, dass die Tiere kastriert wurden“, so Kreim. 

Problematisch sei, dass das Tierheim freilaufende, ungechippte Katzen nicht einfach kastrieren dürfe. „Das ist dann Sachbeschädigung, wenn die Tiere jemandem gehören“, meint Kreim.

Bundesweite Regelungen?

Bezüglich Kastration ließe sich auf Bundesebene keine Regelung durchsetzen, da Kastration ein kommunales Thema sei, entgegnet Mayer. Sie spreche sich allerdings für eine sogenannte „Katzenschutzverordnung“ aus, wie es sie in Karlsruhe inzwischen gibt: Katzen mit Freigang müssen kastriert, gekennzeichnet und registriert werden. Unkastrierte Fundtiere dürfen von den Tierheimen nach einer gewissen Zeit kastriert werden. 

Wir müssen besser prüfen, wer Tiere aufnehmen darf.

Zoe Mayer, direkt-gewählte Bundestagsabgeordnete von den Grünen

Ihre Partei strebe außerdem einen Sachkundenachweis als Bedingung für den Kauf und bei der Adoption von Tieren an. So sollten Spontankäufe verhindert werden. „Wir müssen besser prüfen, wer Tiere aufnehmen darf.“

Manche Tiere bleiben zurück

Kreim beklagt außerdem, dass manche Tiere nicht zu vermitteln seien. Das Tierheim sorge aktuell für mehrere Hähne, die kein Zuhause finden würden. Hinzu komme, dass viele Menschen vor allem junge Tiere adoptierten. Ältere Tiere, wie die sechsjährige Wilma, die seit vier Jahren im Heim ist, blieben oft zurück. 

Notdürftig gebaute Gehege: Sogar Hähne finden im Tübinger Tierheim ein vorläufiges Zuhause. Bild: Sonia Leibold

Forderungen des Vereins

Der Forderungskatalog des Vereins ist lang: Ein neues Tierheim soll her, sowie eine Erhöhung der Zuschüsse des Landkreises Tübingen für Kastrationen, um Bürger*innen zu unterstützen. Derzeit würden die Zuschüsse für eine Kastration bei einem Kater bei 20 Euro liegen. Für eine Katze gäbe es 40 Euro. Neben der Kastrationsschutzverordnung im gesamten Landkreis Tübingen fordert er mehr Hundetütenboxen und Müllboxen, Unterstützung für den Kauf von Tierfutter für Menschen, die unter der Armutsgrenze leben und eine gerechtere Bezahlung für das Personal im Tierheim.

Der Verein kämpft weiter

Zoe Mayer zieht nach dem Besuch im Tierheim eine schlechte Bilanz: „Das Tierheim gehört zu den untersten zehn Prozent der Tierheime in Baden-Württemberg“. Andere Tierstationen hätten weitaus mehr Geld zur Verfügung und seien allgemein in einem besseren Zustand. 

Der Tierschutzverein Tübingen kämpft indes weiter für das Tierheim. Kreim sieht die Kommunen in der Verantwortung: „Kommunale Tierheime sollten von den Kommunen geführt werden, anstatt von Vereinen.“

Beitragsbild: Sonia Leibold

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