Am Dienstagabend fand im Rahmen der Vortragsreihe „Democratic Crossroads“ des deutsch-amerikanischen Instituts Tübingen ein Onlinetalk zur Rolle der Medien im anstehenden US-Wahlkampf statt. Thematisiert wurde unter anderem, welchen Einfluss die mediale Berichterstattung auf die amerikanische Gesellschaft hat.
Die Themenflut im US-Wahlkampf ist enorm, da sind sich Moderator Tobias Endler und seine zwei Gäste einig. Marie-Astrid Langer ist US-Korrespondentin für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) und berichtet aus dem Silicon Valley über politische Entwicklungen und Technologien. Julius Fintelmann ist Mitbegründer eines europäischen Start-ups und als freier Journalist für verschiedene internationale Medien tätig. Als Korrespondierender müsse man darauf achten, welche Themen man abdecken kann und die Priorität auch auf nicht offensichtliche, aber dennoch relevante Themen legen, weiß Langer. Für Fintelmann nimmt an dieser Stelle auch das Publikum eine zentrale Rolle ein. Die Leserschaft abzuholen sei eine der größten Herausforderungen des modernen Journalismus.
Wer gibt den Ton an in Amerika?
Langer gibt genauere Einblicke in die Strukturen des amerikanischen Mediensystems: In den USA sei das Mediensystem durch klare Tendenzen zu den beiden großen Parteien geprägt. So führt sie an, dass Medien wie Fox News den Republikanern nahestehen, während andere Kanäle wie NBC eher Wähler der Demokraten erreichen. Entgegen der breiten Behauptung, es gäbe in den USA keine politische Mitte, führt sie etablierte Traditionsmedienhäuser wie das Wall Street Journal an, die durchaus ausgewogen berichterstatten würden. Es gebe zwar eine berichterstattende Mitte, aber diese falle im Vergleich zu beiden politischen Lagern kaum ins Gewicht, so die Journalistin.
Trump versuche ihrer Meinung nach den Medienzyklus durch kontroverse Aktionen zu beeinflussen und voranzutreiben, um für sich selbst zu werben. Seine populistischen Äußerungen würden für Aufmerksamkeit in der Bevölkerung sorgen. Langer betont, dass nicht die Medien an den hohen Klickzahlen mit Trump-Zusammenhang Schuld sind, sondern das Publikum, das das interessiere. Fintelmann widerspricht Langer: Es seien schließlich die Berichterstattenden, die die Agenda setzen würden. Manche Äußerungen Trumps seien für Europa und die Welt nicht so relevant, wie sie in der exzessiven Berichterstattung häufig dargestellt würden.
Die Medienlandschaft der USA
Über die Medienlandschaft in den USA sind sich beide wiederum einig: „Die Medienlandschaft in den USA ist sehr polarisiert“, meint Langer, „die Leute wollen das hören, was ihrem Weltbild entspricht.“ Die Positionierung der Medien zu einer politischen Seite helfe nicht die Gräben zu überwinden, sondern verursache oder verstärke diese. Es gebe zwar Medien, die mehr Vertrauen genießen und sich um Ausgewogenheit bemühen würden, wie die New York Times, andere wie die Fox News tragen aber eher zur Polarisierung bei.
Dabei werde oft eine nicht objektive Berichterstattung angewendet und nicht selten auch Populismus eingesetzt, um eine bestimmte Richtung zu unterstützen. Generell hätten die konservativen politischen Kräfte es eher verstanden, sich auf lange Zeit strategisch zu behaupten. Sie seien viel „pfiffiger“ als die Demokraten, weiß Fintelmann. Bei den Medien dagegen sei das Verhältnis ausgewogener, hier würden es sowohl konservative, als auch progressivere Medien schaffen, ein breites Publikum zu gewinnen, geben die Referierenden zu Wort.
„Die Medienlandschaft in den USA ist sehr polarisiert.“
Marie-Astrid Langer
Neben all den dunklen Lageberichten, gibt es aber auch einen Lichtblick. Amerikanische Mediengeschäftsmodelle wären Vorbilder für europäische Medienkonzerne. Newsletterfokussierte Medien und Media Start-ups seien in den USA viel ausgeprägter. Es gäbe durch die Abkehr von der öffentlichen Orientierung hin zum Kommerz dort mehr Innovation und eine Vielfalt an neuen Initiativen, sagt Fintelmann.
Neue Akteure
Die Abkehr von den traditionellen Medien ist erkennbar, mehr junge Leute würden sich auf Social Media informieren, anstelle auf den Qualitätsjournalismus zurückzugreifen, so Fintelmann. Einerseits sieht Fintelmann Risiken in diesem Trend, wie die Abkehr von seriöser Berichterstattung, andererseits sieht er darin auch eine neue Form der Partizipation, aber mit Qualitätseinbußen. Langer betont, dass Social Media und Qualitätsjournalismus auch kombiniert werden können, da mittlerweile alle großen Medienhäuser eine Social Media Präsenz hätten. Dort gäbe es durchaus auch qualitativ hochwertige Beiträge. Die Journalistin findet es prinzipienlos, dass sowohl Trump als auch Biden auf TikTok ein junges Publikum erreichen möchten, aber gleichzeitig die Plattform verbieten wollen. Grund für diese Haltung sei die bedeutsame Zielgruppe, die einen nicht unerheblichen Teil des Wählerklientels ausmachen würde.
TikTok sei eine Marketingmaßnahme, so Fintelmann. Viele Menschen würden sich danach sehnen, interessante Informationen unterhaltsam verpackt zu sehen. Vor allem das Sketchformat würde viele junge Leute ansprechen. Infotainment wachse, da es einerseits informativ, andererseits aber auch unterhaltsam sei. Ein Fokus allein auf TikTok als Plattform reiche nicht aus, da der Großteil des Publikums sich auf die journalistisch hochwertigen Beiträge des Print- und Onlinejournalismus verlasse. Soziale Medien würden eine sehr große Rolle spielen, aber eher als Verteiler für die eigentlichen Artikel. Auch die Monetarisierung wäre dort einfacher zu bewerkstelligen. TikTok sei für viele Medienanbieter ein Nullsummen- oder gar ein Verlustgeschäft.
Zum Ende des Onlinetalks greift ein Zuschauer das Thema Fake News im US-Wahlkampf auf. Relativ kurz fällt die Antwort aus und fokussiert sich auf Maßnahmen gegen Falschmeldungen. Auf Social Media gibt es die Möglichkeit Fake News zu blockieren, in TV-Übertragungen können Faktenchecks betrieben werden, ergänzen sich die Gäste gegenseitig. Auf eine Frage aus dem Publikum, ob eine ähnliche Entwicklung auch in Europa möglich wäre, kommen die Referierenden abschließend zu dem Schluss, dass Europa noch eine gute Chance habe, sich nicht so zu entwickeln, wie die polarisierten USA dies gerade tun.
Bis zur Präsidentschaftswahl am 5. November lädt das DAI immer wieder Gäste zur der Vortragsreihe „Democratic Crossroads“ ein. Der nächste Vortrag wird am 22. Juli stattfinden. Dann spricht Moderator Tobias Engler mit seinen Gästen über das Thema „Economic Vistas and the presidential election“. Bei der Wahl tritt Ex-Präsident Donald Trump von den Republikanern gegen den aktuellen Amtsinhaber Joe Biden von den Demokraten an. Zuletzt lieferten sich die beiden Kandidaten 2021 einen erbitterten Wahlkampf ums weiße Haus. Die amerikanische Präsidentschaftswahl 2024 gilt als eine der wichtigsten und einflussreichsten der Welt, weshalb viele Beobachtende bereits jetzt gespannt auf deren Ausgang sein düften.
Transparenzhinweis: Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer Medienpartnerschaft mit dem Deutsch-Amerikanischen Institut Tübingen (DAI).
Beitragsbild: Matt C auf Unsplah