Jeder Mensch hat Gewohnheiten. Manche fallen nicht auf, manche sind attraktiv und wieder andere stören. Sie zu ändern ist ein großes Thema, es beginnt bei kleinen Dingen, wie sich ein bestimmtes Wort abzugewöhnen, das man zu oft verwendet und streckt sich hin zu lebensverändernden Maßnahmen, wie das Rauchen aufzuhören oder endlich regelmäßig den Fitnessplan einzuhalten. Beides ist nicht leicht, denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Gewohnheiten automatisieren die Entscheidungen des alltäglichen Lebens. Uns wird abgenommen, bei jeder kleinen Alltagsaktion erneut eine Entscheidung treffen zu müssen. Wir müssen nicht mehr darüber nachdenken, dass man sich vor dem Aufstehen kurz räkelt, ob wir uns vor oder nach dem Frühstück die Zähne putzen oder in welche Richtung wir zuerst schauen, wenn wir eine Straße überqueren.
Auf der anderen Seite kann dies auch durch Faulheit zu einem Raster führen, denn wir hinterfragen diese automatisierten Entscheidungen nicht mehr. Dadurch wird die eigene Handlungsfreiheit automatisch eingeschränkt.
Dass Gewohnheit als etwas Gutes angesehen werden soll, ist auch daran ersichtlich, dass es sich in der Sprache verankert hat. Jeder kennt den Spruch: „never change a running system“. Dabei würde ja alles stagnieren, gäbe es keine Veränderung. Wo wäre die Menschheit, hätte sich nie etwas verändert?
„Gute“ vs. „schlechte“ Gewohnheiten
Der Mensch gewöhnt sich auch sehr stark an beständige Dinge, wie die eigene Wohnung, die Länge der eigenen Haare, oder die morgendliche Routine. Von solchen Gewohnheiten abzuweichen, ist meist schwer oder unangenehm.
Nach vielen Jahren den Haarschnitt stark zu verändern, ist erstmal eine schwere Entscheidung für die Person selbst und dann auch für die Umwelt gewöhnungsbedürftig. Bei so großen Veränderungen wie einem Wohnungswechsel spielen noch viele andere Faktoren eine Rolle, aber die Veränderung selbst ist dabei das beunruhigende Thema.
Noch heute rechnen einige Leute, 19 Jahre nach Einführung des Euros, auffällig hohe Preise in Deutsche Mark um. So tief können Gewohnheiten verankert sein.
Beim Zusammenleben fallen die kleinsten Gewohnheiten besonders auf. Sowohl bei einem selbst als auch bei den Anderen. Wer kennt nicht die Diskussion über die Richtung, in die sich die Klopapierrolle abrollen soll? Die Macht der Gewohnheit lässt uns bei dem Verharren, was wir kennen und dies kann uns regelrecht beherrschen.
Man kann mit Gewohnheiten Energie und Zeit sparen, solange sie sich nicht mit den Gewohnheiten Anderer kreuzen, denn das kann zu Konflikten führen und man muss sich gegebenenfalls von seinen Gewohnheiten lösen und neue annehmen.
Ein allzeit präsentes Thema ist das Treiben von Sport. Trotz des steigenden Trends in den sozialen Medien gibt es immer noch Menschen, denen der Satz „ohne Sport kann ich nicht leben“ fremd ist. Und wenn man ehrlich ist, sind es vermutlich die meisten Menschen, die vor dem schicken Yogavideo erstmal ihren inneren Schweinehund überwinden müssen, um den Arsch von der Couch zu schaffen.
Doch Vorsätze sind nach wie vor beliebt. Ihnen wurde vom Volksmund sogar ein eigener Tag gewidmet. Das Neue Jahr mit einem neuen Ich zu starten ist ein Bedürfnis vieler Menschen. Am ersten Januar können sich Fitnessstudios und Abnehmprogramme kaum vor neuen Anwärtern retten. Die Motivation schießt in die Höhe und durch den abgeschlossenen Vertrag entsteht der Eindruck, die halbe Arbeit sei schon getan.
Aber wie oft werden solche Vorsätze eingehalten? Schon bald wird erkannt, dass man auch tatsächlich losgehen muss, um die Veränderung zu sehen, die man sich vorgenommen hat.
Liegt es wirklich nur an den unrealistischen und überspitzten Vorhaben, dass wir unsere Vorsätze nicht einhalten? Tatsache ist, dass je realistischer und kleiner die Ziele sind, desto wahrscheinlicher ist es, sie einhalten zu können. Das Erreichen eines Ziels fühlt sich gut an. Es motiviert dazu, weiterzumachen.
Um diese Ziele überhaupt erreichen zu können, muss zur Tat geschritten werden: Ratgeber und Artikel über das Thema sagen immer das Gleiche: nicht nur vornehmen, sondern anzufangen ist die einzige Lösung. Als wäre das so einfach. Gewohnheiten zu verändern, ist ein langwieriger Prozess und Konsequenz ist das Ein und Alles.
Ein Freund, der einen motiviert zum Joggen loszugehen, hilft ungemein. Schon beim Einkaufen auf Süßigkeiten zu verzichten, vermeidet die Entscheidung am Abend auf der Couch zu den Snacks zu greifen. Und um die gewohnte Raucherpause am Nachmittag nicht zu sehr zu vermissen, kann man sich in dieser Zeit ein neues Ritual zurechtlegen, wie ein Kapitel in einem Buch lesen, oder mit einem Kollegen einmal um den Block laufen.
Ein Neuanfang ist leichter anzunehmen, wenn er positiv empfunden wird. Habe ich mir also als Kind einmal die Haare kurz schneiden lassen und wurde gehänselt, fällt es mir nun viel schwerer die Haare wieder abzuschneiden. Dazu noch allein deshalb, weil ich mich über Jahre hinweg an die immer länger werdende Mähne gewöhnt habe. Entdeckt man plötzlich eine Leidenschaft fürs Malen, ist es einfacher ein solches Hobby in den Tagesablauf neu einzubauen, da es Freude bereitet.
Das Bedürfnis nach Ritualen ist ein menschliches, sie bringen Ordnung ins Alltagschaos. Oft geschieht es, dass wir uns über die Gewohnheiten oder Rituale anderer lächerlich machen, oder sie als merkwürdig empfinden. Sie sind uns fremd, was erneut unterstreicht wie sehr wir an unseren eigenen Ritualen und Gewohnheiten festhalten.
Sie gehören aber nun mal zum Menschen dazu, jeder hat sie, jeder braucht sie, sie sind etwas, das uns ausmacht.
Fotos: Holly Geiss