Politik

Abgemahnt, verklagt, mundtot? SLAPP-Klagen und der Fall Emran Feroz

Einschüchterung per Anwalt: Immer häufiger sehen sich Journalist*innen und Aktivist*innen sogenannten SLAPP-Klagen ausgesetzt – missbräuchlichen Klagen mächtiger Akteure mit dem Ziel, Kritik zu unterdrücken. Der Fall des Journalisten Emran Feroz zeigt, wie gefährlich diese Praxis für die Demokratie ist.

Eine Abmahnung als verspätetes Weihnachtsgeschenk und zur Krönung im Laufe des Januars zwei weitere; konfrontiert mit einem Streitwert von über 100.000 Euro. Das erlebte der freie Investigativjournalist Emran Feroz, der bereits für die ZEIT oder die New York Times schrieb. Seine Erfahrungen und wie SLAPP-Klagen ihn fast zum Verstummen brachten, teilte er im Rahmen einer Veranstaltung der Amnesty-Hochschulgruppe Tübingen und der Fachschaft Politik.

Was sind SLAPP-Klagen?

Der Begriff SLAPP steht für Strategic Lawsuit Against Public Participation. Gemeint sind juristische Verfahren, die nicht auf eine tatsächliche Rechtsdurchsetzung, sondern auf die Einschüchterung der kritischen Öffentlichkeit abzielen. Es sind die „David gegen Goliath“-Fälle unserer Zeit: Einzelpersonen oder kleine Medienhäuser werden durch hohe Streitwerte, kostspielige Abmahnungen und langwierige Verfahren existenziell bedroht – oft ohne dass dabei jemals ein Urteil gesprochen wird.

Emran Feroz (links) und Jörg Beige (mittig) erklären am Fall Feroz, wie SLAPP-Klagen funktionieren. Bild: Manuel Canturiense Patruno / Amnesty International Tübingen

Ein Paradebeispiel dafür ist der Fall von Emran Feroz. Im Dezember 2023 sanktionierte das US-Finanzministerium die Rahmanis, eine einflussreiche und reiche Familie mit Wurzeln in Afghanistan und Firmensitz im baden-württembergischen Herrenberg in der Nähe von Tübingen. Vorgeworfen werden ihnen unter anderem Preisabsprachen, Geldwäsche und die Veruntreuung von Millionen Litern Treibstoff, der für die US-Armee in Afghanistan bestimmt war. Genauere Informationen hat das US Department of the Treasury hier veröffentlicht. Die Rahmanis streiten alle Vorwürfe ab und wehren sich in den USA juristisch dagegen.

Vom Journalisten zum SLAPP-Opfer

Feroz gab dem SWR daraufhin ein Interview, in dem er lediglich öffentlich zugängliche Informationen aus der US-Sanktionsliste zusammenfasste. Wenig später, kurz vor Weihnachten 2023, erhielt er eine Abmahnung im Namen der Rahmanis, vertreten durch eine prestigeträchtige, auf Medienrecht spezialisierte Kanzlei. Zwei weitere Abmahnungen im Januar 2024 folgten, nachdem Feroz für ein kleines Online-Magazin zwei Artikel veröffentlichte, in denen er die Rahmani-Geschäfte kritisch einordnete.

„Meine Mutter sagte irgendwann: Ich verfluche diesen Rahmani – wegen ihm ist mein Sohn schon so weißbärtig geworden“
-Emran Feroz

„Die wollen nicht gewinnen, die wollen einschüchtern“, sagt Feroz. Besonders bitter: Das Hamburger Landgericht, bekannt für klägerfreundliche Entscheidungen im Medienrecht, bestätigte eine einstweilige Verfügung. Streitwert: 100.000 Euro. Ein kleiner Pro-Bono-Anwalt übernahm die Verteidigung, während große Medien wie die taz bereits Artikel zurückzogen.

Jörg Beige (links) und Emran Feroz (rechts) bewerten SLAPP-Klagen als Risiko für die Demokratie. Bild: Manuel Canturiense Patruno / Amnesty International Tübingen

Die Angriffe blieben nicht ohne persönliche Folgen. Feroz schilderte eindrücklich, wie belastend eine solche Situation auch im privaten Umfeld ist: Der Streitwert von 100.000 Euro sei nicht nur juristisch, sondern vor allem psychisch einschüchternd gewesen. „Meine Mutter sagte irgendwann: Ich verfluche diesen Rahmani – wegen ihm ist mein Sohn schon so weißbärtig geworden“, erinnert sich Feroz. Die ständige Angst vor weiteren Klagen, vor finanzieller Überforderung, und schließlich auch die öffentliche Diffamierung, er habe Verbindungen zu den Taliban, setzten ihm besonders zu.

GeSLAPPed – Und was jetzt?

Jörg Beige, Mitglied der Themenkoordinationsgruppe von Amnesty International, erklärte bei der Veranstaltung die rechtliche Problematik: Zwar habe der Europarat einen Kriterienkatalog zur Erkennung von SLAPP-Klagen beschlossen, darunter Macht-Ungleichgewicht, mutmaßlich missbräuchliche Absicht und Einschränkung öffentlicher Beteiligung. Doch in Deutschland fehlt bislang ein effektives SLAPP-Gesetz. „Der juristische Teufel steckt im Detail“, so Beige. Ein Entwurf der Bundesregierung liege zwar bereits vor, greife jedoch nur im Hauptsacheverfahren, nicht bereits bei Abmahnungen, wo der größte Einschüchterungseffekt einsetze.

Am Ende der Veranstaltung fragte Moderatorin Janne Geyer: „Bedrohen SLAPP-Klagen die Demokratie?“ Die Antwort von Beige lautete: „Ja.“ Denn wenn Berichterstattung über Korruption, Machtmissbrauch oder politische Verstrickungen mit Klagen erstickt würden, sterbe der öffentliche Diskurs, und damit ein Fundament demokratischer Gesellschaften.

Feroz kämpft weiter. Mit Unterstützung durch GoFundMe-Kampagnen konnte ein erheblicher Teil der Kosten gedeckt werden. Doch der Kampf gegen SLAPP ist kein individueller, sondern ein struktureller. Es braucht ein starkes Anti-SLAPP-Gesetz und Solidarität unter Medienschaffenden, die hinschauen, wenn andere mundtot gemacht werden sollen.

Beitragsbild: Manuel Canturiense Patruno / Amnesty International Tübingen

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