Das Rennen um den Einzug ins Weiße Haus zwischen Kamala Harris und Donald Trump spitzt sich zu. Knapp zwei Monate vor der US-Wahl sehen viele Umfragen die beiden Kandidierenden Kopf an Kopf. Schafft es Harris, Trump noch einzuholen?
Die Journalistin Juliane Schäuble glaubt nicht, dass die Attentatversuche auf Donald Trump einen Nachteil für seine Herausforderin Kamala Harris bedeuten. „Keiner wird Trump wählen nur weil er angeschossen wurde“, sagte die Tagesspiegel-Korrespondentin in einer Diskussionsrunde im Deutsch-Amerikanischen-Institut (DAI). Zusammen mit dem ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen und dem Moderator Tobias Edler hat Schäuble am Dienstag einen Blick auf den US-Wahlkampf geworfen.
Erst am Sonntag vereitelte der Secret Service ein erneutes Attentat auf den ehemaligen Präsidenten an seinem Golfclub. Zuvor schoss im Juli ein junger Mann Trump bei einer Wahlkampfrede an. Trotz des enormen medialen Echos, dass es sogst wie keine Auswirkungen auf den Wahlausgang hat. Die Attentatsversuche würden höchstens seine eigenen Anhänger befeuern, es werde aber nicht dazu führen Wechselwähler zu gewinnen. Die glühenden Trump Anhänger seien geschrumpft, aber die verbleibenden seien radikaler geworden, so die Journalistin.
Dynamische Zeiten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten
In den vergangen Wochen haben sich Schäuble und Theveßen mit ihren Teams in den umkämpften Swing States unterwegs und haben mit vielen Wählenden gesprochen. „Wenn die hören deutsches Fernsehen dann ist alles gut, dann sind die sehr freundlich“, so Theveßen. Auch Schäuble berichtete von freundlichen Begegnungen, das hänge jedoch von der Wählerschaft ab. Es gebe aber grundlegende Unterschiede zur vergangenen Wahl 2020, da sind sich beide ebenfalls einig. So habe sich die Zahl der so genannten „double haters“, die sowohl Trump als auch Biden ablehnen, aufgelöst.
Dabei spielt Harris eine wesentliche Rolle: Sie punktet vor allem bei Frauen, Nicht-weißen und jungen Leuten. Sie habe es geschafft die gesamte demokratische Partei von der Führungsspitze bis zur Basis binnen zwei Tagen hinter sich zu vereinen. Obwohl die Inflation sinke, seien Wirtschaft und Migration umstrittene Themen im Wahlkampf, sagte Theveßen. Trumps Behauptungen, dass es enorme Preissteigerung geben würde, seien meilenweit von den tatsächlichen Verhältnissen entfernt. Tatsächlich seien die Reallöhne sogar gestiegen. Warum viele Leute dennoch einen Populisten wählen, begründet Theveßen, damit dass viele ihn besser für die Wirtschaft des Landes sehen.
Swing States – Wie die Fahne im Wind?
Die Umfragen sehen beide Kandidierenden in etwa gleich auf, Harris scheint leicht vorne zu sein. Schäuble hielt die Umfragen aktuell jedoch für wenig repräsentativ, da sich die Lage in den nächsten Wochen jederzeit schlagartig ändern könne. Sie sieht viele unentschlossene Wählende, die höchstwahrscheinlich aber trotzdem nicht wählen, also komme es auf einzelne Wählergruppen in den umkämpften Swing States Arizona, North Carolina, Georgia, Michigan, Nevada und Wisconsin an. Vor allem aber Pennsylvania könne den entscheidenden Faktor bei der US-Wahl ausmachen.
Wenn Harris diesen Bundesstaat für sich reklamiert, kann sie auf einen anderen Staat verzichten. Allerdings wäre mit einem Sieg Trumps in Pennsylvania dem ehemaligen Präsidenten das Amt sicher, so Theveßen. „In absoluten Zahlen wird Harris Trump um Kilometer schlagen“, meint Theveßen. Am Ende werde es wegen dem Wahlsystem trotzdem knapp werden. Schäuble sieht die Lage etwas differenzierter, da Prognosen immer schwierig abzuschätzen seien, aber auch sie findet, das Wahlmännersystem begünstige eindeutig die Republikaner.
„In absoluten Zahlen wird Harris Trump um Kilometer schlagen“,
Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, Washington D.C.
Das US-Wahlsystem ist ein Mehrheitswahlrecht und funktioniert deshalb nach dem “winner takes it all”-Prinzip. Die Person, die in einem Bundesstaat die meisten Stimmen für sich gewinnt, gewinnt damit alle Wahlmänner, die ins Wahlmännerkolleg für diesen Bundesstaat einziehen. Die Wahlmänner aller Bundesstaaten wiederum wählen dann direkt den US-Präsidenten oder die US-Präsidentin. Dieses System kann dazu führen, dass obwohl eine kandidiernde Person, die mehr absolute Stimmen in der gesamten USA bekommen hat, nicht ins Weiße Haus einzieht. Bundesstaaten in denen ein Kopf an Kopf Rennen der Kandidierenden erwartet wird, nennt man Swing States. Dort finden deshalb besonders viele Wahlkampfauftritte von Harris und Trump statt.
Swifties und Co. – Unterstützung von allen Seiten
Während sich Tech-Milliardär Elon Musk geschlossen hinter Trump stellt und sogar einen Posten in seinem möglichen neuen Stab vorschlägt, positionieren sich viele Prominente auf Seiten der Demokraten. Schäuble betont den enormen Anstieg der Wahlregistrierungen nach Taylor Swifts Unterstützungsstatement für Harris. Die Stars sprechen vor allem Jungwähler an, eine Wählergruppe, die für die Demokraten sehr relevant seien. Trump und J.D. Vances Strategie mit der Diskreditierung von einflussreichen Personen könne aber durchaus kontraproduktiv sein, ergänzte Theveßen.
Sowohl Trump als auch Harris wählten ihre Vizekandidaten, um ein möglichst großes Wählerspektrum zu erreichen. Auch die Einmischung von außen, allen voran von Russland und China, sowie Verschwörungsideologien sind ebenfalls wieder entscheidende Faktoren für das Ergebnis, betonte Schäuble.
Der Einfluss der US-Wahl auf Europa
Wenn man Trump wortwörtlich nimmt, dass Europa sich selbst verteidigen soll, dann sieht Theveßen eine düstere Prognose für die NATO. Das Zwei-Prozent-Ziel könnte um einiges nach oben geschraubt werden und die von Trump bevorzugten Strafzölle würden neue Handelskriege und wirtschaftlicher Schaden bedeuten. Durch die Strafzölle auf Importgüter könne aber genau das geschehen, was Trump-Wähler eigentlich vermeiden wollen: Die Inflation könnte ansteigen, so Theveßen.
Schäuble sieht eine Fortsetzung der Außenpolitik Bidens bei Harris, aber es käme auf den Kongress an, der über die Außenpolitik mitentscheiden dürfe. Harris fahre einen deutlicheren Kurs im Nahostkonflikt, so Theveßen. Sie könne durchaus Distanz zur israelischen Regierung nehmen und sich für einen palästinensischen Staat aussprechen. Theveßen sieht zudem eindeutige Parallelen zu den Sorgen und Ängsten in Europa was die wirtschaftliche Lage und den Migrationszufluss angeht, aber auch einige Differenzen, zum Beispiel dass die Sehnsucht nach einem starken Anführer in den USA durchaus stärker verbreitet sei.
Die nächste Veranstaltung der Reihe „Democratic Crossroads“ findet am 21. Oktober statt und beschäftigt sich mit dem Superwahljahr 2024. Zu Gast sein werden neben Sigmar Gabriel auch Sudha David-Wilp und Greta Olson.
Transparenzhinweis: Dieser Beitrag entstand im Rahen einer Medienpartnerschaft mit den Deutsch-Amerikanischen Institut Tübingen (DAI).
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