Politik

Das neue Tierschutzgesetz kommt – im Gespräch mit Zoe Mayer

Seit 2002 ist der Schutz der Tiere als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Trotzdem werden immer wieder Tierschutzverstöße dokumentiert und über Social Media verbreitet. Jetzt soll ein neues Tierschutzgesetz die Missstände beheben. 

So nah kommt man der Bundespolitik selten: Am 22.05.2024 statete Zoe Mayer, direkt gewählte Bundestagsabgeordnete der Grünen, Tübingen einen Besuch ab. Bei ihrem Besuch im Tübinger Tierheim und dem anschließenden Gespräch mit der Tübinger Grünen Jugend stellte Mayer den Entwurf des neuen Tierschutzgesetzes vor. Erst kürzlich hat dieser das Bundeskabinett passiert. Mayer lobte das geplante Gesetz, sieht aber auch weiterhin Handlungsbedarf beim Tierschutz. 

Zoe Mayer sitzt seit der letzten Bundestagswahl 2021 für die Grünen im Bundestag. Bild: Grüne im Bundestag S. Kaminski.

Was ändert sich mit dem neuen Tierschutzgesetz?

In einer gemeinsamen Pressemitteilung von Mayer und Parteikollegin Renate Künast heißt es: „Die Novellierung des Tierschutzgesetzes ist nicht nur das ambitionierteste und umfangreichste tierschutzpolitische Vorhaben dieser Legislatur, sondern sogar der vergangenen Jahrzehnte.“ Was ist dran an den großen Worten?

Online-Tierhandel

Der illegale Tierhandel in Deutschland boomt. Laut dem Deutschen Tierschutzbund waren im Jahr 2023 731 Tiere betroffen. Das neue Gesetz sieht nun schärfere Regelungen im Online-Tierhandel vor, um diesem Problem entgegenzuwirken. Laut Mayer würden Verkäufer*innen zu einer  Identitätsmitteilung verpflichtet. Darüber hinaus solle der Handel mit Tieren auf öffentlichen Flächen verboten werden und der Verkauf von Tieren mit Qualzuchtmerkmalen auf Online-Plattformen verboten werden. 

Qualzuchtmerkmalsliste

Im Umgang mit Qualzuchten hat die Bundesregierung viel vor. Laut Mayer sei im neuen Gesetz eine Einschränkung von Qualzuchten, sowohl bei Heimtieren, als auch bei Tieren in der Landwirtschaft, vorgesehen. „Wir planen eine nicht abschließende Qualzuchtmerkmalsliste, in der mögliche Symptome einer Qualzucht aufgelistet sind.“ Was viele nicht wüssten: Bei den Tieren in der Landwirtschaft handelt es sich zumeist um Qualzuchten. „Hühner in der Mast leben durchschnittlich 28 Tage lang. Viele erleiden als Folge von der Mast Knochenbrüche, da sie das hohe Gewicht, das sie zuchtbedingt schnell erlangen, nicht mehr tragen können”, erklärt Mayer. Auch Puten der Linie Big 6 seien das Ergebnis von Qualzuchten. Auch sie seien darauf gezüchtet, möglichst schnell, möglichst viel Gewicht aufzubauen, was zu schweren gesundheitlichen Problemen führe. 

Es werde darüber hinaus verboten, mit Tieren, die Qualzuchtmerkmale aufweisen, zu werben und diese in irgendeiner Art auszustellen. Auch das Zuchtverbot werde erweitert: Bisher ist es verboten, Tiere mit Qualzuchtmerkmalen für die Zucht einzusetzen. In Zukunft solle auch die Zucht, die zu Qualzuchtmerkmalen führt, verboten werden. 

Lebenslange Atemnot: Der Mops gilt als Paradebeispiel einer Qualzucht. Bild: Mink Mingle auf Unsplash.

Verbot bestimmter Praktiken

Das neue Gesetz wagt sich auch an gängige Praktiken in der Tierhaltung ran. Verboten werden solle laut Mayer die betäubungslose Enthornung von Kälbern, sowie das Schwänzekupieren bei Lämmern. Bei Ferkeln würde es bei dieser Praxis konkretere Vorgaben geben. Darüber hinaus werde auch das viel diskutierte Thema Anbindehaltung angegangen. Die ganzjährige Anbindehaltung solle mit einer Übergangsfrist von zehn Jahren verboten werden. Kleinere Betriebe dürften weiterhin an der Kombihaltung, also einer Kombination aus Anbindehaltung und Weidegang, festhalten.

Bessere Kontrollen und höhere Strafen

Immer wieder gelangen Aufnahmen von Tierschutzverstößen an die Öffentlichkeit. Um eine bessere Kontrolle in Schlachtbetrieben zu gewährleisten, ziele das geplante Gesetz auf bessere Kontrollen in Schlachtbetrieben ab. Es sehe eine verpflichtende Videoüberwachung in diesen vor. 

Bei Tieren in der Landwirtschaft werden sehr viele Augen zugedrückt.

Zoe Mayer

Auch das Strafmaß bei Verstößen wolle man anheben: Bei Verstößen gegen das Gesetz drohten höhere Freiheitsstrafen und Bußgeldsummen. Mayer verweist auf eine große Diskrepanz im Umgang mit Tierschutzverstößen in verschiedenen Bereichen. Während dokumentierte Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bei Heimtieren scharf betraft würden, sei das bei Tieren in der Landwirtschaft nicht der Fall. „Bei Tieren in der Landwirtschaft werden sehr viele Augen zugedrückt“, betont Mayer.

Tiere im Zirkus

Fast alle der 27 EU-Länder haben inzwischen die Haltung von Wildtieren in Zirkussen entweder verboten oder eingeschränkt. Nun enthält auch der Entwurf des neuen Gesetzes eine Einschränkung in diesem Bereich: Zirkusse dürfen in Zukunft bestimmte Wildtiere nicht neu anschaffen, da diese in Zirkussen nicht artgerecht gehalten werden könnten.

Die Neuanschaffung von Elefanten für Zirkusse soll in Zukunft nicht mehr erlaubt sein. Bild: Becky Phan auf Unsplash

Tierschutzbeauftragte*r

Mayer lobt außerdem die Einführung eines Tierschutzbeauftragten in Deutschland. Es gibt bereits eine Tierschutzbeauftragte in Deutschland, doch mit dem neuen Gesetz soll dieses Amt nun auch gesetzlich festgeschrieben werden. 

Tiertransporte sollen EU-weit reguliert werden

Auf Nachfrage zu Änderungen bei Tiertransporten räumt Mayer ein, dass deutschlandweite Änderungen schwierig umzusetzen seien. Daher hoffe sie auf weitreichende Verbesserungen zu mehr Tierwohl durch ein neues EU-Gesetz: Der Gesetzentwurf zum Thema Lebendtiertransporte der Europäischen Kommission wird aktuell von der Kommission und den Mitgliedsstaaten weiterverhandelt. Der viel kritisierte Export von Tieren in Drittländer (nicht-EU-Länder) soll darin nicht verboten werden.

Weiterhin Handlungsbedarf

Der Gesetzentwurf sieht keine strengere Regulierung von Tierversuchen vor. Mayer räumt ein, dass es in diesem Bereich eine „riesige Gegenbewegung“ gebe: „Die Lobby in diesem Bereich ist sehr groß.“ Die Grünen-Abgeordnete setzt sich für eine Tierversuchsreduktionsstrategie ein. Es gebe bereits Alternativen, die weiter gefördert werden sollten. 

„In Baden-Württemberg wird ein Betrieb durchschnittlich alle 19 Jahre durch das Veterinäramt kontrolliert. In Bayern alle 49 Jahre.”

Zoe Mayer

Außerdem beklagte sie die mangelhaften Kontrollen in landwirtschaftlichen Betrieben mit Tierhaltung hierzulande: „In Baden-Württemberg wird ein Betrieb durchschnittlich alle 19 Jahre durch das Veterinäramt kontrolliert. In Bayern alle 49 Jahre”, erzählt Mayer. Strukturen, die mehr Kontrollen ermöglichten, müssten her. 

„Wenn wir unsere Klimaziele wirklich erreichen wollen, müssen wir auch über die Landwirtschaft sprechen“

Mayer sei über den Tierschutz zu den Grünen gekommen. Sie sitzt seit der letzten Bundestagswahl als Direktkandidatin für Karlsruhe im Deutschen Bundestag. Dort ist sie Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Neben dem Tierschutz sei ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit das Klima. „Deshalb sitze ich auch im Landwirtschaftsausschuss, denn sieben Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen sind auf die Landwirtschaft zurückzuführen. Sieben Prozent klingt erst einmal wenig, aber rechnet man alle Stationen zusammen – vom Futteranbau für die Tiere, über den Transport des Fleischs, kommt man auf eine weitaus höhere Zahl. Weltweit gehen bis zu 20 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen auf die Tierindustrie zurück.“ Sie beklagt, dass selbst demokratische Parteien dieses Thema zumeist ausklammern würden: „Wenn wir unsere Klimaziele wirklich erreichen wollen, müssen wir auch über die Landwirtschaft sprechen.“

Trotzdem zeigt sich die Grünen-Politikerin optimistisch: „Die Tierhaltung ist eigentlich ein schönes Problem, denn wir können hier so viele Probleme auf einmal angehen: Gesundheitliche Probleme, die mit dem Konsum von Fleisch, Milch etc. einhergehen, die Klimakrise, die Ernährungsarmut und den Tierschutz.“

Wie geht es jetzt weiter?

Nachdem der Entwurf des neuen Tierschutzgesetzes nun das Bundeskabinett passiert hat, ist nun die nächste Station der Bundesrat. Anschließend ist der Bundestag am Zug. Es bleibt abzuwarten, inwiefern der Entwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch geändert wird. 

Beitragsbild: Phoenix Han auf Unsplash

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