Jeder Abschied ist auch ein Neubeginn, heißt es. Dieses Silvester fiel der Abschied vom Vorjahr wohl definitiv leichter als sonst. Doch der Jahreswechsel wird längst nicht so einheitlich begangen wie das Weihnachtsfest, sondern besitzt viele Traditionslinien. Je nachdem, auf welchem Erdteil man sich befindet, gibt es andere Bräuche, Dresscodes oder Essgewohnheiten. Eine Reise durch die Weltgeschichte mit einem Erlebnisbericht aus Südamerika.
Vom Feuerfest zur Münze im Brot – Jahreswechsel damals und heute
Von Hannah Krämer
Anders. Wie oft haben wir dieses Wort in Bezug auf den Uni-Alltag oder Weihnachten und noch so vieles mehr im letzten Jahr zu hören bekommen? Es war oft, soviel ist sicher. Auch wenn so gut wie jede*r dieses Wort nach einem Jahr wie 2020 wahrscheinlich nicht mehr hören kann, ohne die Augen zu verdrehen, war auch Silvester dieses Jahr anders als bisher. Statt mit großer Vorfreude Raketen und Böller zu kaufen und mit all seinen Freund*innenen bis spät in den Morgen das neue Jahr zu feiern, war dieses Silvester wohl für alle etwas leiser – und eben anders. Für viele wirkte es vielleicht wie ein Flashback in die Kindheit, in der man Silvester immer mit Raclette und langen Spieleabenden, “Dinner for One” und dem Sektanstoß um Mitternacht mit der Familie gefeiert hatte. Doch war es nicht auch schön, sich noch einmal auf die alten deutschen Familientraditionen wie Bleigießen zu besinnen und den ganzen Abend nur Monopoly zu spielen? War anders doch ganz angenehm?
Nicht nur in Deutschland haben wir jährliche Silvestertraditionen, die in den letzten Jahren bei großen Feiern mit Freund*innen eventuell verloren gegangen sind. Überall auf der Welt dirigieren Traditionen seit Jahrzehnten das Silvesterfest und alle immer mit dem Ziel, den Start in das neue Jahr erfolgreich und voller Glück zu meistern. Doch die Silvesterfeier, wie man sie heute kennt, hat ihren Ursprung noch lange vor „Dinner for One“ und all unseren Traditionen.
Mit Lärm gegen die Gespenster
So veranstalteten schon die Germanen Feuerfeste und viel Lärm am 31. Dezember, um böse Geister und Dämonen zu vertreiben. Laut ihrer Weltansicht wütete der gefürchtete Kriegsgott Wotan vor allem in der dunklen Jahreszeit in den Raunächten zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar. Das Lärmspektakel wurde so immer am 31. Dezember, also genau in der Mitte der Raunächte, veranstaltet, um den Gott Wotan und sein Gespensterheer zu vertreiben. Auch in anderen Ländern gründet sich das Fest auf der Angst vor bösen Geistern. So wurde das in China erfundene Feuerwerk auch zu diesem Zweck verwendet.
Der Name Silvester geht allerdings auf ein ganz anderes Ereignis zurück. Denn um 1582 wurde der letzte Tag des Jahres vom 24. Dezember auf den 31. Dezember geändert, um den Todestag des schon vor einiger Zeit gestorbenen Papstes Silvester I. zu ehren. Hier änderte sich somit auch der ganze gregorianische Kalender. Der Name Silvester bedeutet übrigens Wald oder Waldmensch.
Heute geschehen die Silvestertraditionen für die meisten von uns weniger aus Angst und Sorge als aus reiner Tradition. Die Silvesterbräuche sehen allerdings auf der ganzen Welt anders aus und so manche regen sogar auch zum Schmunzeln an.
Alles für das Neujahrsglück
So ist es in Italien Tradition, geschenkte rote Unterwäsche zum Jahreswechsel zu tragen. Hier ist es sehr wichtig, dass diese neu ist und an Silvester das erste und einzige Mal getragen und dann am ersten Tag des neuen Jahres weggeworfen wird. Als weitere Farbe steht in Mittelamerika auch die Farbe Gelb zur Verfügung. Gelb bedeutet in diesem Sinne Glück und Wohlstand, während Rot das Liebesglück symbolisiert. In Portugal dagegen hält man für Glück und finanzielle Sicherheit um Mitternacht eine Münze in der Hand. Geld spielt auch in Griechenland eine Rolle, denn dort wird zu Silvester ein Brot mit einer Münze im Teig gebacken und wer diese findet, dem ist das Glück garantiert.
Eine Tradition, die doch etwas an die Herkunft von Silvester erinnert, ist die in Ecuador. Dort werden am letzten Tag im Jahr Riesenpuppen aus Pappmaschee auf der Straße in großen Umzügen zerschlagen und verbrannt, um dem Bösen und Schlechten zu entkommen und Platz für Neues zu schaffen. Diese Tradition wird auch heute noch in Buenos Aires fortgeführt. Zudem regnet es dort alte, zerfetzte Dokumente, um die Besitzer*innen von (bürokratischer) Last zu befreien.
Doch trotz ihrer regionalen Unterschiede haben all diese Traditionen etwas gemeinsam: Sie finden alle am gleichen Tag statt und werden in Gemeinschaft gefeiert. Alle sollen dazu beitragen, das Schlechte und Belastende zurückzulassen, um Platz für Glück in allen Bereichen des Lebens zu schaffen. Deutschland erlebte dieses Jahr durch das Verbot der Böller- und Feuerwerkstradition zwar auch ein etwas anderes Silvester. Trotzdem waren die engen, familiären Traditionen noch möglich und auch diese beziehen sich auf den Wunsch nach Glück und Gemeinschaft. So war es trotz des etwas anderen Silvesters hoffentlich noch immer möglich, sich auf das Wesentliche an Silvester zu konzentrieren. Anders war dieses Jahr an Silvester vielleicht auch angenehm. Vielleicht entstanden ruhige und entspannte Momente mit schönen Gesprächen in der Familie, zu denen man sonst in dem ganzen Trubel gar nicht die Zeit gefunden hätte.
Die neuen Vorsätze
Zwar ist Silvester nun schon vorbei, doch traditionsgemäß ist die erste Woche des neuen Jahres auch immer der Zeitpunkt für neue Jahresziele und Vorsätze. Von diesen Vorsätzen kann man halten, was man will, doch vielleicht ist es genau dieses Jahr, in dem wieder etwas anders sein wird. Statt in einen jährlichen Wahn von unerreichbaren Gesundheitszielen zu verfallen und diese im Februar wieder aufzugeben, wäre dieses andere Jahr eine Chance, sich auf die Grundsätze von Glück und Loslassen zu beziehen. 2021 wäre somit vielleicht das Jahr, in dem man etwas zurücktritt und sich zum Beispiel vornimmt, sobald es die Infektionslage wieder zulässt, die Großeltern etwas öfter zu besuchen, mehr frische Luft zu bekommen oder mal wieder ein Buch in die Hand zu nehmen.
Anders heißt vielleicht auch, etwas von den vielen Silvestertraditionen rückblickend noch mitzunehmen und somit positiv in das neue Jahr 2021 zu starten.
Un prospero año y felicidad – wie ich in Peru ins neue Jahr gerutscht bin
Von Sophia Holstein
Wir schreiben den 29.12.2018.
Auf dem Marktplatz des kleinen Andendorfs, in dem ich ein Jahr während meines Freiwilligendienstes wohnte, wurden ganz viele Stände aufgebaut. So weit kam mir das nicht komisch vor. Erst als ich an den Ständen vorbeischlenderte, wurde ich stutzig. Jegliche Modelle an Kleidungsstücken, hauptsächlich Unterwäsche, Accessoires und Dekoartikel in leuchtendem Gelb und sonst keiner anderen Farbe weit und breit wurden angepriesen. Ihr fragt euch jetzt, was Silvester mit gelber Unterwäsche zu tun hat? Na so ging es mir auch…
30.12.2018
Mit meiner kleinen Gastschwester zog ich mehrere Kartons aus der Abstellkammer hervor, in denen sich die Deko für Silvester verstecken sollte. Vorsichtig öffnete ich einen der Kartons und es kamen mir gelbe Servietten, gelbe Kerzen, gelbe Luftballons, gelbe Tischdecken, gelbe Girlanden und noch viele andere gelbe Sachen entgegen. Als dann die Frage kam, ob ich an Silvester meine gelbe Bluse anziehen würde, hielt ich es nicht mehr aus. Was hatte es denn mit dem ganzen Hype um die Farbe Gelb auf sich und warum um Himmels Willen sollte ich mich denn jetzt auch noch gelb anziehen?
Endlich wurde ich aufgeklärt: Gelb ist die Farbe des Glücks. Damit man im neuen Jahr Glück hat, sollte man am besten nicht nur die ganze Deko in Gelb halten, sondern in dieser Nacht auch ein gelbes Accessoire oder Kleidungsstück tragen. Super, dass meine gelbe Bluse schmutzig in der Wäsche war, dachte ich und begann, den ersten gelben Luftballon aufzupusten.
31.12.2018
Irgendwann abends saß ich mit meiner Gastfamilie und deren Freunden an der langen Tafel, auf der zwar kein Raclette-Gerät stand, dafür wartete ein Riesenbuffet mit Truthahn, Meerschweinchen, Hase, Schwein und Hähnchen in verschiedenen Variationen auf uns. Dazu gab es Kartoffeln, denn die sind glücklicherweise schon von Natur aus gelblich, und der Wackelpudding und die Torte wurden eben gelb gefärbt. Ich konnte wirklich auch ohne gelbes Kleidungsstück kein Unglück im kommenden Jahr haben. Um Punkt Mitternacht schossen Raketen in den Himmel und gleichzeitig beschmissen wir uns alle gegenseitig mit Reis- und Getreidekörnern. Als keine Gefahr mehr bestand, dass ein hartes Reiskorn von irgendwo geflogen kam, machte ich mich an die zwölf Trauben, die vor mir in einem kleinen Gläschen standen. Jede Traube aß man mit dem Gedanken, dass sie in einem Monat Glück bringt und einen Wunsch erfüllt. Nach einer kurzen Rede meines Gastvaters auf das neue Jahr wurden die Boxen aufgedreht und alle, die mochten, schwang das Tanzbein.
Meine gelbe Bluse war in diesem Jahr übrigens nicht in der Wäsche. Hoffentlich hat sie mir Glück für 2021 gebracht – denn das können wir im kommenden Jahr sicher alle gut gebrauchen.
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