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Vom Messegelände ins Multiversum – Die Stuttgarter Comic Con 2024

Es wieder soweit, die Landesmesse in Stuttgart wird zum Schauplatz für eine der größten Comic Conventions Deutschlands. Rund 48.000 Besucher*innen strömen für zwei Tage über das Gelände. Zahllose Cosplayer*innen – von Genshin Impact bis Star Wars – treffen in den riesigen Hallen aufeinander. 

Das beliebte Fan-Event findet nur einmal im Jahr statt, dieses Mal Anfang Dezember. Mit jedem Tag des Wartens wächst deshalb nicht nur die Vorfreude, sondern auch die Erwartungen an das Wochenende. Doch die Geduld zahlt sich aus: Veranstalter*innen, Besuchende und Ausstellende scheinen gleichermaßen zufrieden mit dem kunterbunten Event.

Zwischen Welten und Galaxien

Auf dem Stuttgarter Schlossplatz wird der erste Glühwein der Saison ausgeschenkt. Der Duft von Sternarnis, Zimt und Nelken liegt in der Luft. Unter den Weihnachtsmarktbesucher*innen befinden sich auch einige Tübinger Student*innen, auf der Flucht vor dem feierlichen Unistress. Ihre heißen Tassen halten sie fest umklammert und die roten Nasen hängen über dem aufsteigenden Dampf. Ohne Frage, 2024 neigt sich dem Ende zu. Doch nicht nur der Weihnachtsmann kommt alle Jahre wieder. Auch die  Comic Convention (CCON) kehrt zurück nach Stuttgart. Folglich spazieren nicht alle flüchtenden Studis zwischen den festlich geschmückten Buden der Stuttgarter Innenstadt umher. Für einige findet die Reise zu den Sternen stattdessen in den riesigen Messehallen statt.

Anstelle von Weihnachtsgeschenken haben sie ihr Geld in Tickets für die Stuttgarter CCON 2024 investiert. Ob es jetzt der Glühwein am Marktstand oder der Kaffee im Messefoyer ist, der einen ganze vier Euro kostet, macht dann auch keinen Unterschied mehr. Als Student*in kann man sein Wochenbudget in jedem Fall vergessen. Somit verzichten sie auf das Winterwunderland und begeben sich lieber auf ein Abenteuer in weit entfernte Galaxien. Nichtsdestotrotz, schleicht sich dann doch so manche Weihnachtsmütze unter die Kostümen und die Stimmung unter den Anwesenden scheint mindestens genauso ausgelassen.

Cosplay Contest – Craftsmanship, Sewing & Performance

Meist in kleinen Gruppen, ob mit Familie oder Freund*innen, strömen die unzähligen Fans über das Gelände. Denn es gibt viel zu sehen. Über drei riesige Hallen erstreckt sich das intergalaktische Spektakel. Mit mehr als 100.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche bietet die Landesmesse den Veranstalter*innen mehr als genug Raum für ein umfangreiches Programm. Während am Sonntag ab 14 Uhr die Aids-Hilfe Stuttgart in Halle 6 wichtige Bildungsarbeit zum Welt-Aids-Tag leistet, findet zwei Hallen weiter die Siegerehrung des Star Wars Cosplay Contest statt.

R2-D2 fährt durch die Masse an Star Wars Fans auf der Comic Convention in Stuttgart 2024. Bild: Nela Seebacher

Nachdem am Samstag bereits der klassische Cosplay Contest auf dem Programm stand, wird am Folgetag Cosplayer*innen aus zweierlei Communities erneut die Chance auf einen Siegestitel geboten. Neben den Jedi-Rittern und Sith-Lords, die in Halle vier darauf hoffen, dass die Macht mit ihnen sei und ihnen auf die Tribüne verhilft, kommt auch die Gaming-Community nochmal zum Zug. Der Gaming Cosplay Contest wird am Sonntagmittag zum krönenden Abschluss des Wettbewerbstrios und bekommt dazu sogar die Star Stage (Hauptbühne) zu ihrer freien Verfügung. Nur so ist es möglich, sowohl die harte Arbeit als auch die unzähligen Stunden, die in den Umhängen, Rüstungen und Reifröcken stecken, gebührend wertzuschätzen.  

In zweien der insgesamt vier Kategorien, nach denen die Jury die Teilnehmenden bewertet, spiegelt sich eben diese Absicht wieder. Sie lauten „Craftsmanship“ und „Sewing“. Erstere gewinnt ohne Frage Raimund Cosplay als Legionär mit seiner 34 Kilogramm schweren Legionärsrüstung. Mit der Aussage, es sei allein schon eine Leistung darin laufen zu können, erhält er die Hochachtung der Preisrichter*innen. Auch das Zeldakostüm, welches den Nähpreis gewinnt, bleibt nicht unkommentiert. „So würde ich auch gern nähen können!“, lauten die lobenden Worte, die der*m Künstler*in zu Teil werden. Außer Kreativität und Handwerkskunst ist ebenso die schauspielerische Leistung gefordert. Denn unter der dritten Kategorie „Performance“ wird die Bühnenpräsenz der Teilnehmenden auf die Probe gestellt. In nur 30 Sekunden gilt es, alle Anwesenden vom eigenen Auftritt zu überzeugen. Mit passender Musik und einstudierter Choreografie betreten die Gamer*innen nacheinander die Hauptbühne.

Gaming Cosplay Contest bei der Stuttgarter Comic Con 2024. Bild: Romina Palazzo

In der übergreifenden Kategorie „Overall“ stellt das Siegeskostüm jedoch eine völlig neue Komponente in den Mittelpunkt. Hier überzeugt der Charakter Yuri, the Last Scholar aus dem beliebten Play-Station-4-Ära-Spiel Bloodborne. Nicht nur die authentische Darbietung sowie die ästhetische Spitzenleistung begeistern  Publikum und Jury.  Es ist die Geschichte, die hinter den einzelnen Teilen steckt. Die verwendete Spitze, stammt vom Hochzeitskleid der Mutter, der Gürtel war einmal ein Stück von Opas Gartenzaun und die Parfümflasche von Oma ist auch mit dabei. Man hat es hier ohne Frage mit keiem Standard-Cosplay zu tun. Für das Panel der vier Expert*innen handelt es sich vielmehr um ein wunderschönes Familienprojekt.

Kuscheltierstand in der “Artist Alley” der Stuttgarter Comic Con 2024. Bild: Romina Palazzo

Leidenschaft, Talent und Fleiß findet sich auch außerhalb des Rampenlichts. Abseits der weiten Bühne geht es in die engen Gassen, genauer gesagt die „Artist Alley“. Hier treffen gleichermaßen Künstler*innen und Kunstbegeisterte aufeinander. Denn während die Ausstellenden hinter ihrer meist handgefertigten Ware das Geschehen geduldig beobachten, wimmeln die Besucher*innen mit gezücktem Geldbeutel von Stand zu Stand.  Die Reihen scheinen endlos und jede Auslage noch bunter als die vorherige. Da findet sich dann  womöglich doch noch das ein oder andere Weihnachtsgeschenk. Mit einem Pokémonplüschtier unter dem Tannenbaum kann man doch gar nichts falsch machen.

An der Straßenkreuzung der Kunst – Von der Artist Alley zur Queeren Avenue

Wer nach dem Kauf der Tickets weitere große Ausgaben erstmal vermeiden möchte, sollte aber auch hier gut aufs Preisschild schauen. Wer heute schon das „Early Bird“ Ticket für 2025 kauft, zahlt 35 Euro und das für nur einen der beiden Tage. Mit dem „VIP-Ticket“ sind es dann schon rund 400 Euro. Nachdem ein Großteil des Budgets vor der eigentlichen Convention bereits ausgegeben ist, bleibt für Andenken nicht mehr so viel übrig. Zumindest ein Sticker des eigenen Fandoms ist für ein bis zwei Euro noch jede*m sicher. Durch die riesige Kundschaft lohnt sich auch der Verkauf von solch kleinen Schätzen wie Postkarten und Pins für die Händler*innen.

Außerdem bietet das Wochenende auch die Gelegenheit, die eigene Kunst höchstpersönlich unter die Menschen zu bringen. Der direkte Kontakt an solchen Wochenenden ist für die Händlerin Haruempathy mitunter das wichtigste. Nach jahrelanger Erfahrung hat sie gelernt, dass die neuen Beziehungen essentiell für den Erfolg des eigenen Geschäfts sind. Als hauptberufliche Künstlerin hat sie den ganzen Weg von Finnland auf sich genommen und reist quer durch Europa; von Convention zu Convention. Was Stuttgart so besonders macht, sind ihr zufolge die Menschen. Jede*r zeigt sich freundlich und respektvoll. Gemeinsam kreieren sie ein herzliches Miteinander. Deshalb rät sie allen, die das zum ersten Mal miterleben, die Atmosphäre einfach zu genießen.

„Just enjoy the vibes.“

Haruempathy (she/ her)

Nur wenige Meter entfernt wartet schon der nächste Stand. Dort verkauft Franci Nevada liebevoll gestaltete Postkarten, Pins und Schlüsselanhänger. Auf fast all ihren Designs findet sich eine oder gleich mehrere Enten. Zu einem spezifischen Fandom gehört das bei ihrer Kundschaft sehr beliebte Motiv jedoch nicht. Denn zwischen zahlreichen Auslagen mit vertrauten Charakteren von Studio Ghibli, Marvel, Herr der Ringe, Star Wars und auch einigen Star-Trek-Offizieren gibt es auch mehrere freie Künstler*innen. Durch die großen Fandoms mit ihren ikonischen Motiven und festen Kundschaft, sind sie natürlich etwas im Nachteil. Nichtsdestotrotz lohnt sich die Teilnahme an der Comic Con auch für sie auf allen Ebenen.

Franci Nevadas Stand in der „Artist Alley“ der Stuttgarter Comic Con 2024. Bild: Nela Seebacher.

Denn selbst wenn sie länger brauchen, um sich als feste Größe zu etablieren, Networking bleibt Networking. Auch Franci ist begeistert von dem regen Treiben der Masse und den zwischenmenschlichen Begegnungen. Über den online Verkauf fehlt ihr dieser direkte Austausch im Alltagsgeschäft. Deshalb sind für Franci Nevada Conventions immer ein Highlight.

“Bunter als hier geht’s nicht” – Von der Artist Alley zur Queer Avenue

Zu einem farbenfrohen Erlebnis wird die Comic Con 2024 aber nicht nur durch die Vielfalt an Fanartikeln. Denn die Queere Repräsentation in Stuttgart stellt laut Thefriendlypigeon selbst die Berliner Convention in den Schatten. Nur eine Kreuzung weiter folgt auf die Artist Alley nämlich sogleich die Queer Avenue. Sowohl samstags als auch sonntags liefern die Drag Queens eine unvergessliche Live-Show. Außerdem erhalten angehende Queens die Chance, Tipps und Tricks von ihren großen Vorbilder wie Katy Bähm, Bähmbähmwigs von der Fernsehsendung Queen of Drags oder Nikita Vegaz von der ersten Staffel  Drag Race Germany zu erhalten. Trotz ihrer Flucht vom Uni-Campus, gibt es für die Tübinger Studis also eine Menge zu lernen.

Doch im Gegensatz zur Study-Session in der UB geht es hier nicht darum, die eigene To-do-Liste abzuarbeiten. Stattdessen kommen Drag Queens und Fans von überall zusammen und teilen ihr Wissen. Von der Vielfalt und Fülle an neuen Kontakten rührt die wahre Begeisterung aller Anwesenden. Thefriendlypigeon bringt den einzigartigen Charakter der Stuttgarter Comic Con mit nur einem Satz perfekt auf den Punkt: „Bunter als hier geht’s nicht.“

Beitragsbild: Nela Seebacher

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