„Also wirklich gar keinen Alkohol?“ Diese ungläubige, fast schon kritische Frage hört man doch öfter auf einer Party, wenn einer der Gäste sich outet, keinen Alkohol zu trinken. „Nein, wirklich gar keinen.“, ist da meistens die Antwort darauf, was aber den Fragenden dann nur noch mehr zu verwirren scheint. Der Konsum von Alkohol ist in unserer Gesellschaft – und besonders unter Studierenden – fest verankert. Aber warum muss sich immer nur die eine Seite erklären und fast schon verteidigen?
In Deutschlands Geschichte gab es schon des Öfteren Krawalle auf Bierpreiserhöhungen (siehe Frankfurter Bierkrawalle,bei denen sogar 20 Menschen ums Leben kamen) und begleitet die Deutschen schon eine ganze Weile – ja, gehört sogar einfach dazu wie Daimler oder Porsche. Das Land ist voll von Weingegenden und Regionen, die das beste Bier brauen sollen. Alkohol ist eine Kulturdroge und hat sogar Fanclubs, die sich großer Mitgliederzahlen erfreuen. Das regionale Bier ist etwas, worauf die Region stolz sein kann (vorausgesetzt, es ist auch gut). Der Lieblingsgarten vieler Deutschen ist einfach der Biergarten. Es gibt das Feierabendbier, das Konterbier, das Bier am Mittag, das Bier nach Vier, das schlechte (letzte) Bier oder das Belohnungsbier nach der letzten. Für manche Menschen ist ein kleines, alkoholfreies Radler ein Sakrileg.
Im Film „The World’s End“ gibt es eine Szene, in der in einer schönen Montage drei Biere gezapft werden. Unter dem wohligen Geräusch der sich in das Glas ergießenden Flüssigkeit sieht man, wie drei Gläser unter dem Zapfhahn befüllt werden. Es ist ein virtuoser Anblick. Dann wird als viertes ein Mineralwasser gezapft. Das passiert zwar auf die gleiche Art wie auch schon bei den Bieren, jedoch wird das audiovisuell nicht so reißerisch inszeniert – es ist langweilig. Dann wird das Wasser dem serviert, der, zumindest am Anfang des Films, noch der große Langweiler der Gruppe ist. Kein Alkohol zu trinken ist, gerade unter Studierenden, wenig verbreitet und meistens negativ konnotiert. Viel Alkohol trinken zu können, wird als Talent gesehen, nicht als vorprophezeite Leberzirrhose.
Bei Trinkspielen wird man oft ausgeschlossen
Menschen, die keinen Alkohol trinken, haben es nicht leicht: Sie müssen sich dauernd erklären, Erniedrigungen hinnehmen und dann auch noch die immer betrunkener werdenden Partygäste ertragen (alle, die in einer Bar arbeiten, kennen das Gefühl immerhin auch). Bei Trinkspielen, wie Flunkyball oder Beer-Pong, wird man doch eher ausgeschlossen. Das hat für die meisten dann auch noch etwas mit Fairplay zu tun. Schlechte Witze, verschüttete Getränke und die ein oder andere Lache von Erbrochenem versüßen die Stimmung auch nicht gerade. Die Tanzfläche ist voll mit wankenden und (meistens irgendeinen Backstreet Boys Song) grölenden Menschen. Eine Cola oder eine Flasche Wasser in der Hand haben, ist für die anderen ein Zeichen, dass man gerade eine Pause einlegt und man kassiert verständnisvolles Nicken.
Wenn dann der Pegel immer höher wird, ist es dann langsam auch schwieriger, die Leute zu verstehen, die dir gerade lallend irgendeine Story auftischen oder ihre Meinung zu irgendeinem Thema abgeben, bevor sie dir sagen, dass du voll in Ordnung bist. Es gibt immer den Punkt, an dem es anstrengend wird. Man wird müde und die Leute um einen herum sind zunehmend fertig. Dazu ist die Musik langsam lahm und es sind meistens sowieso die gleichen Songs, von denen der Großteil die Texte können – oder das zumindest meinen. Auf dem Gang stehen Typen, die sich alkoholisiert endlich ihre Gefühle füreinander eingestehen können und irgendwo heult ein Mädel und wird von ihren Freundinnen getröstet.
Alkohol ist ein Nervengift
Aber mal ganz nüchtern betrachtet: Alkohol ist ein Nervengift. Das ist eigentlich bekannt. Warum also sollen Menschen sich immer wieder erklären müssen, die, aus welchen Gründen auch immer, keinen konsumieren? Sie können trotzdem tanzen, lachen und auf Partys für Unterhaltung sorgen. In den meisten Fällen sind sie nicht diejenigen, die in einer Ecke im eigenen Erbrochenen liegen oder grundlos gewalttätig werden.
Wie wäre es also, wenn das nächste Mal eine Person euch auf einer Party eröffnet, dass sie keinen Alkohol trinkt, ihr nicht so reagiert, als hätte sie euch gerade eröffnet, dass sie einen Aluhut in der Tasche hat, um sich gegen Aliens zu schützen und Chemtrails von der Regierung eingesetzt werden, um unseren Verstand gehörig zu machen? Es kann auch sehr erfrischend sein, wenn Menschen einfach mal Nein zu etwas sagen, das fast alle machen. Ein simples Kopfnicken oder ein kurzes „Cool“ ist schon mal um einiges besser als eine Belehrung wie man überhaupt Spaß haben kann. Freunde dieser Person wissen das und schätzen sie dafür. Gerade, wenn man auf dem Land wohnt, ist ein Fahrer ja auch super wichtig.
Titelfoto: Urs Winterhalder
Artikelfoto: Thomas Dinges