Manchmal kann eine Pandemie alles verändern. Bars und Kneipen sind plötzlich geschlossen, Konzerte und Partys wurden abgesagt – da bleibt nicht mehr viel an kultureller Inspiration übrig. Oder doch? In unserer neuen Artikelreihe „die Kupferblau-Schmöker-Ecke“ stellen wir euch thematisch abgestimmte Empfehlungen für Bücher, Podcasts und Serien zusammen. Von aktuellen Sachthemen, über True-Crime, bis hin zum interstellaren SciFi-Abenteuer – hier ist für alle etwas dabei. Zum Schmökern bieten wir euch heute Herzzerreißendes zum Thema “Romanze”.
Buch der Woche: „Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe“
Frankreich in den 1920er Jahren: Gabrielle Chanel – Coco wie sie genannt wird – hat sich einen Namen gemacht. Ganz Paris trägt ihre revolutionäre Mode, die sich weit von den einengenden Korsetten wegbewegt. Das Haus Chanel steht für kompromisslosen Stil und den Inbegriff von Eleganz.
Als ihre große Liebe Boy Capel bei einem Autounfall ums Leben kommt, bricht für sie eine Welt zusammen. Sie verfällt in eine tiefe Trauer und ihre Freunde machen sich zunehmend Sorgen um Cocos Zustand. Sie trinkt, sie schläft nicht mehr und stürzt sich schließlich auch in eine Affäre mit dem verheirateten Komponisten Igor Strawinski, um sich über den Verlust hinwegzutrösten.
Erst als sie den Plan entwickelt, ihrer Liebe zu Boy mit einem revolutionären Damenduft für die moderne Frau ein Denkmal zu setzen, wird sie von neuem Tatendrang erfasst. Auf der Suche nach den exquisitesten Düften in ganz Frankreich, lässt sie sich vom Parfüm Katharinas der Großen inspirieren. So begegnet sie schließlich dem im Exil lebenden russischen Großfürsten Dimitri Romanov, welcher sie nach Südfrankreich begleitet. Mit ihm kommt sie schließlich dem Duft der Liebe auf die Spur.
Der historische Roman von Michelle Marly ist 2018 im Aufbau-Verlag erschienen und inhaltlich um die Entstehungsgeschichte des erfolgreichsten Parfüms der Welt, das Chanel No5, gewoben. Die Autorin entführt ihre Leser hierfür in die schillernde französische Künstlerszene der Zwanziger Jahre, in der sich Coco Chanel bewegte. Marly gewährt auf 496 Seiten einen Einblick in das Leben der erfolgreichen und außergewöhnlichen Frau, die sich aus dem Nichts eines der berühmtesten Modehäuser der Welt aufgebaut hat. Die biografischen Aspekte verstrickt sie hierfür in eine gefühlvolle und romantische Geschichte und hebt die Stärke und den Charakter der Protagonistin gekonnt hervor.
Eine leichte Lektüre, perfekt für heiße Sommertage im Garten, auf dem Balkon oder am Baggersee!
Serie der Woche: „Normal People“
Die Serie zu Sally Rooneys Roman Normal People, eine Koproduktion von Hulu und BBC Three, löste einen ähnlichen Hype aus wie das Buch. Nicht nur die jungen Hauptdarsteller Paul Mescal und Daisy Edgar-Jones wurden über Nacht berühmt, sondern sogar die Halskette, die der Hauptcharakter Connell trägt – 186.000 Abonnenten auf Instagram zählt das Konto ‚Connell’s Chain‘ mittlerweile.
Was macht die Kette so besonders? Nicht viel – ein gewöhnliches Accessoire für ‚normal people‘, wie ihr Träger Connell und seine On-Off-Freundin Marianne es sein wollen. Warum lohnt es sich dann überhaupt, ein solches ‚normales‘ Liebespaar auf dem Bildschirm zu verfolgen? Zum einen: Es sind nicht einmal sechs Stunden deiner Lebenszeit, die Serie hat nur zwölf Folgen à 20-30 Minuten. Aber noch viel wichtiger: Connell und Marianne haben eine unerklärliche Anziehungskraft für den Zuschauer, ähnlich wie sie sie selbst füreinander verspüren.
Auf einer oberflächlichen Ebene ist der Plot schnell abgehandelt: Der coole Fußballtyp und die nerdige Outsiderin schlafen zu Highschool-Zeiten im irischen County Sligo heimlich miteinander. Als sie in Dublin am Trinity College anfangen, drehen sich die Rollen um, plötzlich findet er schwer Anschluss. Sie sind wieder zusammen, dann nicht mehr, dann wieder. Auf einer zweiten Ebene aber steckt mehr dahinter. Durch ihre emotionale Authentizität und ihre extreme Verletzlichkeit erschaffen Connell und Marianne etwas, das filmisch eigentlich schwer realisierbar ist: Enen komplexen psychologischen Raum aus intensiver Zweisamkeit trotz Missverständnissen und Unsicherheiten.
Ihr Verhältnis ist von Anfang an problematisch: Er sieht tatenlos zu, wie sie in der Schule gemobbt wird, sie bekommt das Haus von seiner Mutter geputzt. Diese Probleme werden mit Klassen- bzw. Stadt-Land-Konflikten korreliert. Während Mariannes College-Freund im Urlaub über die richtigen Champagner-Gläser philosophiert, kann sich Connell nur durch sein Stipendium überhaupt eine Europareise leisten. Auch wenn ihr Leben oft in entgegengesetzte Richtungen zu verlaufen scheint, bewegen sich die beiden dennoch aufeinander zu und entwickeln nach anfänglicher Fehlkommunikation ein Verständnis für die jeweiligen Probleme des anderen. Nur sie beide können sich als ‚normal people‘ akzeptieren, die geliebt werden wollen und können – trotz Depressionen, Missbrauchsvergangenheit und Selbstzweifeln.
Momentan ist die Serie nur auf BBC iPlayer und auf Hulu kostenpflichtig zugänglich. Wer bis zur DVD oder zum (hoffentlichen) Netflix-Upload nicht warten kann, dem sei der Roman Normal People empfohlen, an den sich die Serie strikt anschließt.
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=x1JQuWxt3cE
Text:
Buchempfehlung von Heike Beirle Serienempfehlung von Alexa Bornfleth