Politik Satire

Ansichten einer Giftspinne

Auf der Suche nach einem der Exemplare, welche ursprünglich in den Kellerräumen des Hörsaalzentrums Morgenstelle gefunden und seitdem in anderen Gebäuden in Berg und Tal nachgewiesen wurden, machten wir uns auf eine Expedition in die Stahlbeton-Eingeweide des Campus Berg. Ein Kontakt vor Ort blieb allerdings aus. 

Trotz des getakteten Alltags der Spinnen, welche kürzlich ihre neuen Büros auf der Morgenstelle bezogen, war eine neue Mitarbeiterin bereit, unseren Fragenkatalog schriftlich zu beantworten. Obwohl sie ihre eindeutigen Präferenzen vis-à-vis des politischen Lagers nicht offenlegte, kommentierte sie bereitwillig die angespannten Verhältnisse des politischen Chiles.

Der Aushang der von den Giftspinnen warnt, die Betonwände der Kellerräume der Morgenstelle im Hintergrund.
Obwohl die Diensträume der Spinnen bereits ausgeschildert sind, bleiben die Bürozeiten ein Mysterium. Bild: Sebastian Hoffmann

Während die süd-südamerikanische Republik — die sich von Peru bis Feuerland von Norden nach Süden und von den Anden im Osten bis zum Pazifischen Ozean im Westen erstreckt — sich heute durch eine hoch entwickelte Wirtschaft und recht robuste politische Institutionen auszeichnet, ist ihre jüngere Vergangenheit von brutaler Gewaltherrschaft geprägt. Die Spinne meint dazu nur: „Der Putsch Pinochets beendete Allendes Experiment des Sozialismus ohne Diktatur und läutete Liberalismus ohne Demokratie ein.“

„Es wäre nicht fair, die Leiter hinter mir hochzuziehen.“

Die blutige Regierung unter dem Militärdiktator Pinochet, dessen Handschrift noch über Jahre in der chilenischen Verfassung unverkennbar war und ist, stellte allerdings keinen Einzelfall von spürbaren, amerikanischen Präferenzen in südamerikanischer Politik dar. Die Spinne kommentiert weiter: „Man denke an die Wahlen in Argentinien, unserem großen Nachbar in Chiles Osten. Amerika unterstütze die Währung des Landes mit vielen Milliarden Dollar und die Ergebnisse reflektierten dies in einem Sieg der Regierung. […] Wenn eines der mächtigsten Länder der Welt seinen Willen äußert, dann macht das etwas mit den politischen Verhältnissen in deinem Land.“

Folgen der Vergangenheit

Seitdem hat Chile trotz all seines Wohlstandes, der gegebenen Naturschönheiten und der intakten Demokratie ein zutiefst gestörtes Verhältnis zu seiner eigenen Verfassung — welches auch heute noch auf den ehemaligen Diktator zurückzuführen ist und deren Reform oder Neuauffassung seitdem scheiterte. Ob dies ein Grund für die Emigration war, wollte die Spinne nicht angeben. Mit Blick auf die kommende Wahl will sie sich ebenfalls nicht festlegen, merkt aber an, dass “[d]ie marktfreundliche Politik, die prokapitalistische Verfassung und die Privatisierung von Wasser extreme, soziale Konsequenzen [haben], sie [eine] eine ungleiche Verteilung [fördern] und die falschen Anreize in puncto Klima- und Umweltschutz [liefern]. Aber der dadurch geschaffene, exportorientierte Agrarsektor schafft auch Möglichkeiten, die ich selbst genutzt habe.“ Weiter fügt sie hinzu: „Es wäre nicht fair, die Leiter hinter mir hochzuziehen.“

Als wir daraufhin fragten, ob die Spinne darauf anspiele, dass sie sich in Obst- oder Gemüsetransporten geschmuggelt und so auf den Weg nach Deutschland gemacht habe — etwa in einer Kiste Avocados — antwortete die Spinne nur: „Ich werde keine Snitch für Frontex sein!“ Damit beendete sie bedauerlicherweise die Korrespondenz.

Beitragsbild: Sebastian Hoffmann

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