Die jüngsten Forschungen legen nahe, dass die Geburt von Jesus Christus tatsächlich nicht in Bethlehem stattgefunden haben soll, sondern in Tübingen am Neckar, tief in der Schwäbischen Provinz. Inspiriert von diesen bahnbrechenden Erkenntnissen haben wir uns daran gemacht, dieses historische Ereignis in all seinen Facetten und mit maximaler Präzision zu rekonstruieren.
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Winfried Kretschmann ausging, dass ganz Baden-Württemberg geschätzt würde. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Geburtsstadt. Da machte sich auch Josef aus Herrenberg auf den Weg, denn er war vom Geschlechte Eberhard-Karls aus der Stadt Tübingen. Mit ihm machte sich auch Maria, die ihm zur Ehe versprochen war und ein Kind erwartete, auf den beschwerlichen Weg zum Bahnhof. Doch als sie nun im dichten Nebel am Gleise standen, erschien vor ihrem Antlitz keine Eisenbahn. Augenblicklich lichtete sich der Nebel und es tat sich vor ihnen auf eine Gestalt im burgunderroten Gewand. „Oh höret, einfaches Volk, vernehmet diese Botschaft von der Deutschen Bahn! Zu dieser Stund’ ward die Ammertalbahn aufgrund einer Stellwerksstörung zum Ruhen verdammt. Wir bitten um Ihr Verständnis.”
So begaben sie sich zurück in ihre Behausung, wobei Marias Schritte schwer waren von der Last, die sie trug, und führten ihren Drahtesel aus seinem Unterstand. Maria nahm vorne auf der Ladefläche des Lastenrades Platz und Josef begann, in die Pedale zu treten. So fuhren sie dahin, und hinter Unterjesingen ward der Weg beschwerlich und glatt. „Maria, da fällt mir ein, ach Kruzifix!” sprach Josef, und: „Wir haben bald Weihnachten und wir haben immer noch die Sommerreifen auf dem Drahtesel!” Maria jedoch blieb gefasst. Während Josef seinen Drahtesel die Hügel hinauftrieb, war sein angetrautes Weib schon auf der Suche nach einer Herberge, denn sie spürte, dass bald die Niederkunft kommen möge. Versunken in ihre flimmernde Wundertafel drang sie ein in die Tiefen von WG-Gesucht. In Lustnau ward sie fündig, und so schlugen sie den Weg in das Dorfe am Rande Tübingens ein.
Als sie vor dem Hause standen, schlug Josef den Messingring an die schwere Holztür, und sogleich tat sich ein Spalt auf in dem Eichenholz, und ein Augenpaar sah ihm missgünstig entgegen. „Was wollt ihr, Fremder? Was wagt ihr es, unsere Nachmittagsruhe zu stören?” sprach der Mann. Doch Josef erwiderte: „Gebietet Einhalt, guter Mann, mein Weib und ich, wir kündigten uns an, habt ihr nicht unser Schreiben auf eurer Flimmertafel erhalten? Meine Angetraute ist in froher Erwartung eines Sohnes, und es bedarf uns einer Herberge! Habt Erbarmen, oh guter Mann!” So öffnete der Mann ihnen die Tür und vor Maria und Josef erschien er, so wie der HERR ihn schuf und er sprach: „Ihr müsset wissen, guter Mann, dass man hier in unserem Hause keine Gewänder tragen kann.” Da kehrte Josef sich um zu seinem Weibe und er sprach: „Hör mich an, Maria, jene Herberge ist unsere letzte Hoffnung, so lass uns eintreten!” Maria jedoch zauderte vor ihrem Mann: „Josef, um meine Jungfräulichkeit zu wahren, darf ich deine Blöße nicht vor meine Augen führen.” Als der Mann im Adamsgewand dies jedoch vernahm, sprach er: „Ist mir das richtig zu Ohren gekommen, dass ihr noch jungfräulich seid? Jene Tugend ist in diesem Hause nicht erwünscht!” Der Wind war kalt und er wehte steif, und der Mann deutete in die Ferne und er sprach: „Wenn ihr Herberge sucht, guter Mann, versuchet euer Glücke am Österberg!”
So brachen sie auf und erreichten die Herberge, die da hieß, Germania Golgota. Josef bat erneut um Unterkunft, jedoch erblickte der Jüngling, dessen Angesicht noch gänzlich ohne Barthaar war, schon bald die Maria, die da in dem Korbe des Lastenrades wartete. „Wie waget ihr es,” rief der Bursche, „zu entehren dieses Herrenhaus mit einem Weibe in eurem Beisein!” Und die schwere Tür aus Walnussholz krachte schallend in ihr eisernes Schloss. Und als sie dann standen am Lustnauer Tor, da zog sich der Himmel zu und es fing ganz fürchterlich an zu schneien und es ward düster. Die Flocken fielen dicht und Maria und Josef schauderten und ihre Gewänder wehten im kalten Wind.
Sie waren ohne Hoffnung, und als ihr Drahtesel sie die Wilhelmstraße entlang trug, so erschien ihnen in der Ferne ein Licht, und es wurde ihnen ganz warm zumute, und es war der Brechtbau. Maria spürte, dass die Zeit der Niederkunft bald kommen würde, und sie gebat dem Angetrauten Eile, und Josef bemühte sich, den Drahtesel mit dem Zahlenschlosse an den Fahrradständer zu sichern, doch er fluchte fürchterlich, denn seine Finger waren kalt. So traten sie ein und fanden Unterkunft auf der Liegewiese im ersten Stock. „Jesus Christus!” entzürnte sich die Maria, „Oh Herr, wie soll ich deinen Sohn in einer solch’ schäbigen Behausung gebären?” Und als Josef das hörte, da wurden ihm die Augen licht: „Ach Maria, welcher betörender Name das doch ist! Jesus heißen soll unser Sohn!” Und so gebar Maria einen gesunden Buben, ihren ersten Sohn. Im Brechtbau wickelte sie ihn in Kopierpapier und bettete ihn auf der glänzenden Fläche eines Druckers, welcher der einzige Ursprung von Wärme war, denn die Universität hatte die Heizungen im Gebäude während der Weihnachtsferien abgeschaltet.
Es geschah zur selbigen Zeit, dass Hirten im Bota über ihre Schafe wachten, doch es waren keine Hirten, sondern Studierende, und es waren keine Schafe, sondern es war Glühwein. Sie hielten ihre Becher nah an ihrer Brust, um sich zu wärmen in dieser bitterkalten Winternacht. Aus dem Blauzahnsprecher tönten die süßen Klänge von „Last Christmas”, doch alsbald tat sich am Himmel eine mächtige Erscheinung auf, und es ward hell wie am Tage. Und es war der Erzengel Sigmar Gabriel, der ein Salamibrötchen mampfte und da wussten die Hirten: Er war nicht von dieser Welt. „Fürchtet euch nicht!” drang hernieder der schwere Schall seiner göttlichen Stimme. Und die Hirten wurden geblendet von der kraftvollen Erscheinung und sie fürchteten sich doch, und sie gelobten, von nun an den Rücken zu kehren dem Brokkoli des Satans. Und weiter schallte der donnernde Klang der Stimme des Erzengels Sigmar Gabriel: „Sehet, ich verkündige euch große Freude, die aller Studierendenschaft widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der HERR, in der Stadt Boris’. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Kopierpapier gewickelt und auf einem Drucker liegend!” Und so zogen die Hirten los nach dem hellen Leuchten des Brechtbaues.
Und als sie erblickten das Kinde auf dem Drucker, da überkam sie eine große Freude. „Der Heiland ist geboren! Nun sollen wir befreit sein von der Tyrannei des Bafög-Amtes! Darauf lasset uns anstoßen!” und sie hoben ihre Becher und sie tranken noch mehr Glühwein. Und als sie da tanzten und frohlockten und an der Geburt des Kindes sich erquickten, so tat sich auf die Tür des Fahrstuhles und heraus traten die drei Weisen von der Morgenstelle. Und sie brachten dem Jesuskinde heilige Gaben: Zuerst trat die Rektorin Karla Pollmann an den Drucker heran und sprach: „Du sollst nicht frieren, oh Heilsbringer, wie das niedere Volk der Studierenden”, und legte zu dem Kinde eine Wärmflasche. Darauf trat Alexander Hunger hervor und überreichte dem Kinde dessen Steuer-ID. „Du sollst alle Beiträge fristgerecht zahlen, oh Heilsbringer, damit ich dich nicht daran erinnern muss, so wie das niedere Volk der Studierenden.” Zuletzt trat Boris Palmer zu dem Kinde und schenkte ihm ein Bildnis seiner selbst und er sprach: “Du sollst dich an meinem Abbilde immer erfreuen, oh Heilsbringer, so wie das niedere Volk der Studierenden.”
Als nun aber der Vorabend des achten Januar gekommen war, so suchte Frau Pollmann erneut das traute Paar mit dem Kinde auf, und wies auf den Weiterbetrieb des Semesters hin. „Ihr müsset nun weiterziehn, ihr guten Leut’, denn es nahet die Zeit, in der die Präsenzlehre fortgeführt werden muss. Wenn ihr frieret, gedenket der Wärmflasche, die ich euch überreicht in der heiligen Nacht.” So verließen Maria und Josef mit dem hochheiligen Kinde den Brechtbau noch am selben Tage. Die Weihnachtszeit war nun vorbei.
Dieser Artikel entstand unter dem Einfluss von Spekulatius.
Beitragsbild: Kupferblau
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