Politik

Aufklärung gegen Rassismus: Ein Gespräch über Rassismus und aktive Konfrontation

Vergangenen Donnerstag fand im Deutsch-Amerikanischen Institut (d.a.i.) in Tübingen ein Gespräch mit Alice Hasters über ihr Buch “Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten” statt. Die Veranstaltung wurde über Zoom und YouTube übertragen und fesselte fast 3700 Zuschauer vor den Bildschirmen. Damit leitete das d.a.i. den Auftakt des “Black History Month” ein, welcher sich unter anderem mit rassistisch motivierter Polizeigewalt auseinandersetzt.

Die Autorin

Alice Hasters ist Journalistin und Autorin. Sie absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München und arbeitet nun unter anderem für die Tagesschau. Ihre Autobiographie “Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten” veröffentlichte sie 2019 im hanserblau Verlag. Ihr Buch erreichte Platz 5 bei den Spiegel-Bestsellern des Jahres 2020.

Um was geht’s denn genau?

In ihrem Buch schreibt Hasters über Erfahrungen mit Rassismus in ihrem Leben als Schwarze* Frau mit einem weißen* Elternteil. Sie berichtet von unangenehmen Fragen wie “Aber wo kommst du wirklich her?” oder “Darf ich mal deine Haare anfassen?” Mit diesen Fragen wird und wurde sie im Alltag konfrontiert. Sie nimmt ihre Leser*innen mit und zeigt, wie es für sie war, in Deutschland aufzuwachsen. Anhand persönlicher Erlebnisse macht sie auf die Diskriminierung und den Alltagsrassismus aufmerksam, den Black, Indigenous, and People of Color (BIPOC) hier täglich erleben.

Gespräch mit Alice Hasters

Im Anschluss an die Lesung des ersten Kapitels ihres Buches fand eine Fragerunde statt, welche von Micha Himpel moderiert wurde. Eine der Fragen bezog sich auf die gewünschten Veränderungen für die Zukunft. Frau Hasters begründete die nur langsame Verbesserung durch die lange Zeit der Sozialisierung der rassistischen Gesellschaftsstrukturen. Da diese rassistischen Strukturen so lange in der Gesellschaft als “normal” bewertet wurden, ist es ein langwieriger Prozess, diese Verhaltensweisen zu überwinden.

Aber wann ist Rassismus vorbei?

Eine weitere Frage bezog sich auf die “blind spots”. Jenem systemischen Rassismus, der unauffällig, aber sehr fest in der Gesellschaft verankert ist. Wie ist es nun aber möglich, auch diese Form des Alltagsrassismus zu verlernen und abzuschaffen? Frau Hasters erläuterte, dass viel zu früh behauptet wurde, Rassismus sei überwunden. “Wir erzählen uns immer diese Geschichte, ja Rassismus, das gab es in der Vergangenheit, aber heute nicht mehr.” Das verdeutlichte sie an der Frage: “Wann wurde Rassismus denn überwunden?” Natürlich kann man hierauf nicht mit einer Jahreszahl oder einem konkreten Datum antworten und doch seien die meisten davon überzeugt, Rassismus sei ein Teil der Vergangenheit. Da die rassistischen Strukturen über die letzten Jahrhunderte in Politik und Gesellschaft so fest verankert waren, müsse man sich bewusst sein, wie viel Aufwand es erfordere, diese Strukturen aufzubrechen und zu verändern. Frau Hasters betonte, dass wir zum Beispiel neue Begriffe finden müssen, um Rassismus und Diskriminierung in der Sprache abzuschaffen. Damit sind die Wörter und Sprichwörter gemeint, die rassistisch konnotiert oder beleidigend sind. Als Beispiel führte sie das N-Wort an, für welches sie sich als ersten Schritt eine Zensur wünscht. Eine solche Beleidigung solle nicht mehr in der deutschen Sprache zu finden sein. Die Überwindung von Rassismus sei aber nicht durch die Einhaltung von Verboten möglich, sondern nur dann, wenn die Menschen die Hintergründe der Zensur verstehen.

Was kann man als Einzelne*r gegen Alltagsrassismus tun?

Herr Himpel fragte, wie man die Reflexionsfähigkeit weißer Menschen stärken kann, um sich selbst und andere auf rassistische Umgangsformen aufmerksam zu machen. Alice Hasters betonte, dass es wichtig sei, sich auf negative Reaktionen gefasst zu machen, wenn man Rassismus offen anspricht. Das liege daran, dass sich die angesprochenen Menschen oft persönlich angegriffen fühlen und daraufhin extremer reagieren. Sie betonte, dass man häufig nicht die gewünschte Erkenntnis beim Gegenüber erzielt. Die meisten Angesprochenen fühlten sich nur vor den Kopf gestoßen. “Meine Hoffnung ist immer, dass es trotzdem einen Unterschied macht, dass bestimmte Situationen in Leuten nachwirken und gären.” Erst, wenn der Widerspruch deutlich werde, könne ein Umdenken durch aktive Auseinandersetzung anfangen. Das sei sehr wichtig, “auch wenn dann kurz mal die Stimmung unbequem ist.” Außerdem betont Alice Hasters, man müsse nicht die Person sein, die die diskriminierende Umgangsform perfekt erklären kann, um andere darauf hinzuweisen: “Eine nicht perfekte Reaktion bei etwas Rassistischem oder eine nicht perfekte Konfrontation ist immer noch besser als keine Konfrontation.”

„Black Lives Matter“-Proteste und Friedensnobelpreis

Nach dem Tod von George Floyd flammten in den USA die “Black Lives Matter”-Proteste (BLM) auf und schwappten auch nach Deutschland über. Jedoch ist Frau Hasters der Meinung, dass man die BLM-Bewegung aus den USA “nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen kann.” Dennoch sei es auch hier wichtig, da hinter der Bewegung der Kampf gegen strukturellen und institutionellen Rassismus sowie rassistisch motivierte Polizeigewalt steht. Das ist leider auch in Deutschland ein Problem. “Der Rassismus ist hier aber anders verteilt als in den USA.” Er beziehe sich nicht nur auf Schwarze Mitmenschen, sondern auch auf Menschen mit Migrationshintergrund. “Antischwarzer Rassismus besteht in Deutschland, aber hat nicht so eine hervorgehobene Stellung wie in den USA.” Die Nominierung der “Black Lives Matter”-Proteste für den Friedensnobelpreis sieht sie als einen sehr guten Schritt an. Die Anerkennung des Kampfes für Gleichberechtigung empfindet sie als ein “sehr gutes institutionelles Signal” gegen den Hass.

Zum Abschluss motivierte Frau Hasters die Zuschauer*innen, immer weiterzudenken und immer zu reden, auch wenn es anstrengend sei!

Zusammenfassend kann man von einem erfolgreichen und sehr interessanten Abend sprechen, der vielen Zuschauer*innen neue Einblicke gegeben hat. Auch wenn wir noch einen weiten Weg vor uns haben, ist die Beschäftigung mit Büchern wie diesem von Alice Hasters ein wichtiger Schritt, um einer Gesellschaft mit mehr Gleichberechtigung und weniger Diskriminierung ein Stück näher zu kommen.

Mehr von Alice Hasters: Podcast Feuer und Brot
Ihr Buch kann man in der Bibliothek des d.a.i. ausleihen oder auch kostenlos auf Spotify anhören.

*Anm. d. Red.: Die Großschreibung der Bezeichnung “Schwarz” sowie die kursive Schreibweise von “weiß” sollen hier symbolisieren, dass keine Beschreibung der Hautfarbe gemeint ist, sondern die Zugehörigkeit zu einer aufgrund der Hautfarbe von Diskriminierung betroffener bzw. privilegierter Personengruppe.

Beitragsbild: Maren Schrabback

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