Kultur

Internationales Tanztheater XXIV – Wenn sich Gegensätze gegenüberstehen

Wir alle kennen Trennungen, Abschiede, aber auch den Schmerz, den sie in uns auslösen können. Manchmal ziehen sie uns den Boden unter den Füßen weg und lassen uns mit einem Gefühl der Hilflosigkeit und des Verlustes zurück. In einem Moment begleitet uns das Gefühl Kontrolle über unser Leben zu haben und im Nächsten drohen wir ins Chaos zu stürzen. Das Tanztheaterfestival XXIV hat eben diese Themen aufgegriffen und in zwei verschiedenen Choreografien zum Leben erweckt.

Zum vierundzwanzigsten Mal findet dieses Wochenende das internationale Tanztheater in Reutlingen statt. In diesem Jahr mit einem neuen Ansatz: Es werden zwei unterschiedliche, in sich abgeschlossene Choreografien hintereinander aufgeführt und so gleichzeitig miteinander verbunden. Bei einem Tanztheater handelt es sich nicht um klassisches Ballett, stattdessen kommen genreübergreifende Bewegungselemente in den Choreografien zur Anwendung. Ne me quitte pas und Imbalance, lauten die Titel der Stücke, welche ab dem 7.10 im Theater Die Tonne Reutlingen aufgeführt werden. Doch wovon handeln diese eigentlich?

Ne me quitte pas

Abschiede und Trennungen: Wie gehen wir mit ihnen um und was führt uns dazu auf Widersehen zu sagen? Die hiermit verbundenen Emotionen erwachen in der Choreografie des israelischen Choreograf Yaron Shamir durch die tänzerische Darbietung von Nina Hoehne und Simona Semeraro zum Leben. Vertanzt wird das Stück zum gleichnamigen Song Ne me quitte pas, welcher von Nina Simone, einer US-amerikanischen Jazz- und Bluessängerin gecovert wurde. In einer fünfzehnminütigen Darbietung werden die beiden Tänzerinnen zu Nina Simones Musik Abschiedsschmerz, Träume und Neubeginne verkörpern. Dabei dürfen die Darstellerinnen – welche durch ihre Zusammenarbeit ein starkes Vertrauensverhältnis zueinander aufgebaut haben – durch Improvisation auch ihre eigenen Erfahrungen vertanzen. Es ist außerdem das erste Mal, dass die Tonne selbst eine Produktion beisteuert.

Nina Hoehne und Simona Semeraro bei ihrer tänzerischen Darbietung in Ne me quitte pas. Foto: Beate Armbruster

Imbalance

Im Zentrum dieses Stückes steht der Widerspruch. Die Handlung dreht sich um den griechischen Halbgott Dionysos, Sohn des Zeus und einer sterblichen Frau, welcher auch als Gott der Exzesse und des Weins bekannt ist. Auf der einen Seite sanft, auf der anderen furchtbar. Es ist die Dualität des Halbgottes, die in Imbalance in den Vordergrund gerückt wird. Die Zweiseitigkeit zwischen dem Guten und Schaffenden sowie dem Zerstörerischen wird hierbei aufgezeigt. Es sind die Bewegungen der Choreografie von Clément Bugnon und Matthias Krass, welche stark mit diesem Gleichgewicht spielen. Sie nehmen die Zweischneidigkeit des Gottes auf und werden in einer tänzerischen Darbietung von der Company Idem dargestellt.

Imbalance – 2023 Matthias Kass & Clément Bugnon. Théâtre Benno Besson Yverdon-les-Bains. Foto: Ida Zenna

Warum werden die beiden Stücke zusammen aufgeführt?

Entgegen der allgemeinen Erwartung wird nach den letzten Takten von Ne me quitte pas keine Pause stattfinden. Stattdessen soll ein nahtloser Übergang zur achtzigminütigen Darbietung von Imbalance erfolgen, in deren Verlauf schließlich eine Pause eingerichtet wird. Das Zusammenspiel der beiden Stücke hat jedoch einen Grund: Die Choreografie-Handschriften sollen gegenübergestellt werden. Ziel ist es, den Zuschauer*innen etwas zu präsentieren, dass sich nicht ähnelt. Gegensätze sollen aufgezeigt werden.

Doch warum ist das Tanztheater gerade für Studierende interessant?

Die Choreografien der beiden Stücke sind für die jüngere Zielgruppe, aber auch für alle anderen Besucher*innen gerade deswegen interessant, da durch die starke Abstraktion der Aufführungen viele Andockpunkte geschaffen werden. Schließlich sind wir alle schon einmal mit Situationen konfrontiert worden, welche mit Trennung und Schmerz in Verbindung standen. Da die auf der Bühne verkörperten Emotionen auf jede*n Zuschauer*in eine andere Wirkung entfaltet, kann jede*r etwas anderes aus der Darbietung mitnehmen.

Der Tanzworkshop

Neben den Tanzaufführungen bietet Clément Bugnon einen zweistündigen Tanzworkshop an. Letzterer findet am achten Oktober von elf bis dreizehn Uhr statt und richtet sich an Leute mit Vorerfahrungen, da das Niveau hoch ansetzt. Das Angebot richtet sich an alle, die Lust haben sich an neuen Bewegungen auszuprobieren. Somit wird Lehrer*innen, Schüler*innen und Student*innen die Möglichkeit gegeben neue Erfahrungen zu sammeln.

Die Teilnahmegebühr für den Workshop beträgt 10 Euro und die Anmeldung läuft spätestens bis zum 6.10. über folgende E-Mail-Adresse: feucht@theater-reutlingen.de.

Karten und Spielplan

Wie die verschiedenen Emotionen bei Trennungen sowie die Dualität des Dionysos tänzerisch dargeboten werden, kann abends am 7.10 um 20:00 Uhr sowie am 8.10 um 18:00 Uhr in der Tonne bestaunt werden. Hier geht‘s zu den Karten für das internationale Tanztheater XXIV. Neben dem internationalen Tanztheater bietet die Tonne auch noch zahlreiche andere Vorstellungen: beispielsweise einen Drag-Showabend um die 20er-Jahre mit dem Titel Roaring Twentysomethings. Darüber hat das Theater noch ein weiteres, vielseitiges Spektrum an Programmen zu bieten. Hier geht’s zum Spielplan.  

Titelfoto: Ina Walter

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert