Man nehme ein Sinfonieorchester aus Prag, einen Hornisten aus Slowenien, zwei Pianisten aus Italien, etwa 900 Menschen und ein gerade angebrochenes Jahr – heraus kommt ein Neujahrskonzert, das am 7. Januar in der Neuen Aula nicht nur regelmäßigen Klassikkonzertbesucher*innen mundete, sondern auch Unbedarften ein musikalischer Leckerbissen war.
Vor der Neuen Aula stand am Sonntagabend der Bus aus Prag, drinnen schälte sich eine bunte Mischung aus jüngeren und älteren Generationen aus den ebenso bunt gemischten Mänteln und stilistisch unterschiedlichen Wintergarderoben – alles wie gewohnt bei den Klassikkonzerten in Tübingen. Ebenso wie gewohnt leitete Gudni A. Emilsson den musikalischen Abend. Auf dem Programm standen neben einer Ouvertüre von Rossini und einem Konzert für Horn und Orchester von Mozart wenig überraschend zwei Prager: eine Suite von Dvořák und ein Klavierkonzert für vier Hände von Koželuh.
Volles Haus zum Jahresstart
920 Menschen soll der Saal laut Kulturreferat Platz bieten, an diesem Abend schienen bis auf einzelne Lücken alle Plätze in Anspruch genommen worden zu sein. Waren die Konzerte während der Adventszeit noch teilweise ein wenig spärlicher besucht, so lockte das etablierte Neujahrskonzert wie in vorigen Jahren ganze Scharen an Besucher*innen aus der Feiertagsphase in den Festsaal.
Nach einer netten, nicht weiter weltbewegenden Eröffnung traten Marco Schiavo und Sergio Marchegiani an den Flügel auf der Mitte der Bühne. Marchegiani rückte die beiden Hocker am Instrument noch ein paar Zentimeter näher aneinander. Auch wenn das Pianistenduo aus Italien oft gleichzeitig mit zwei verschiedenen Flügeln auftritt, sollte an diesem Abend eine einzige Klaviatur geteilt werden – mit starker Wirkung: Leopold Koželuhs Konzert für Klavier zu vier Händen B-Dur, und viel mehr noch das Können und Charisma der beiden Pianisten, sorgte für Begeisterung im Festsaal.
Pianisten mit Charme und Fingerspitzengefühl
Denn das Duo überzeugte nicht nur musikalisch, sondern baute auch eine angenehme Nähe zu den Zuhörenden auf – beispielsweise indem Machegiani einen Griff über Schiavos Hand mit Mimik und Gestik betonte und so für Lachen im Publikum sorgte. Zur Belohnung für alle gab es dann auch gleich zwei Zugaben.
Das Konzert für Horn und Orchester (Nr. 3 Es-Dur KV 447) von Mozart bot den Wiedereinstieg nach der Pause mit Andrej Zust als Solist am Horn. Trotz der zweifelsfrei beeindruckenden Leistung des Hornisten konnte das für manche Ohren eigenwillig klingende Instrument allerdings nicht ganz mit den Klavier-Stars des Abends mithalten.
Zum Abschluss entließ die tschechische Suite in D-Dur (op. 39) das Publikum in die Sonntagnacht und ein neues Jahr mit Konzerten des Kulturreferats.
Das Kulturreferat wurde 1951 ins Leben gerufen und war zunächst Teil des Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA). Seit dessen Auflösung im Jahr 1978 gehört das Referat direkt zur Universität. Gemeinsam mit der Stadt sowie der Museumsgesellschaft werden im Festsaal der Neuen Aula Klassik-Konzerte ausgerichtet, zu denen Orchester, Ensembles und Solo-Musiker, oft auch größere Namen des Genres, nach Tübingen eingeladen werden. Seit über 60 Jahren findet eine Sommerkonzertreihe im Sommerrefektorium des Klosters Bebenhausen statt. Die Konzertreihen sollen Besuchern so abseits von Großstädten ein Angebot an klassischer Musik direkt in Tübingen bieten. |
Auch wenn für ganz nah am Orchester sitzende Zuhörer*innen die Kommunikation zwischen Dirigent und Orchester manchmal ein wenig holprig wirkte – wenn Emilsson beispielsweise beim Applaus alle Musiker*innen trotz deren anfänglichem Zögern doch noch einmal einzeln aufstehen ließ, so wollte er vermutlich einfach deren Leistung im Spotlight würdigen. Von der Auswahl der Stücke bis zu Darbietung auf der Bühne schien das Konzert sowohl Studierende in Jeans und Pullovern als auch ältere Herrschaften in Krawatte oder Kleid gefallen und unterhalten zu haben. Mit der Stimmung und dem Schwung steht das musikalische Jahr also unter einem guten Stern.
Beitragsbild: Duo Schiavo Marchegiani