Manchmal kann eine Pandemie alles verändern und es bleibt nicht mehr viel an kultureller Inspiration übrig. Oder? Damit ihr gut durch den Advents-Lockdown kommt, stellen wir für euch in unserer Artikelreihe „Die Kupferblau-Schmöker-Ecke“ regelmäßig thematisch abgestimmte Empfehlungen für Bücher, Podcasts und Serien zusammen. Diese Woche geht es um die vielfältigen Facetten des Alltags.
Podcast der Woche: “A mindful mess”
„Was ist Selbstliebe für dich?“, „Bist du gerade glücklich?“ – Es sind ganz schön schwierige Fragen, die Madeleine Alizadeh alias Dariadaria ihren Interviewpartner*innen zum Einstieg stellt. Vor allem aber bieten sie den Raum für eine ganz individuelle und persönliche Antwort. Generell ist der O-Ton von A mindful mess, der Podcast von Umweltaktivistin, Influencerin und Autorin Dariadaria sehr intim: Die Gäste haben bewegende Geschichten und geben persönliche Details von ihrem Leben preis.
Im Fokus stehen Themen rund um die eigene Persönlichkeit, die oft sehr konfliktbeladen sind und in der Öffentlichkeit oft keinen Platz haben. Episoden über Bodyshaming, Depressionen, Autismus oder Nonbinarität geben Betroffenen eine lang verwehrte Plattform. Gemeinsam mit Dariadaria reden sie über ihre ‚Makel‘. Das alles wirkt dabei gar nicht wie ein Interview, sondern eher wie ein Gespräch zwischen zwei engen Freund*innen: Unaufgeregt, empathisch und mit einer guten Prise Humor. Am Ende steht kein Urteil, sondern ein breiteres Verständnis. Der Podcast widersetzt sich ewigen Stigmata um psychische Krankheiten oder gesellschaftliche Tabus. Die Hörer*innen sind dazu eingeladen, die Geschichten auf sich selbst wirken zu lassen. Nach jedem Interview erscheint eine geleitete Meditation, die thematisch an die vorherige Episode anknüpft. Eine Meditation „für emotionales Bewusstsein“ oder „für die Körperwahrnehmung“ bietet 15 Minuten Entspannung vom Alltag und die Möglichkeit, sich selbst einmal die Fragen zu stellen: „Was ist Selbstliebe für mich?“, „Bin ich gerade glücklich?“
Der Podcast erscheint wöchentlich donnerstags, wobei die Episoden jede erste Woche ein Interview von etwa 40 Minuten und jede zweite Woche eine Meditation von etwa 15 Minuten beinhalten. Ihr könnt A mindful mess kostenlos auf gängigen Streaming-Plattformen wie Spotify, Apple Podcasts oder Soundcloud hören. Wenn euch nach einem Tag voller Zoom-Meetings mal wieder der Kopf dröhnt, macht es euch bequem und gönnt ihm mit diesem Podcast eine Auszeit.
Serie der Woche: “DRUCK”
Nora fühlt nichts mehr. Nicht den heißen Tee in ihrer Hand, nicht die Angst, wenn sie am Rand des Dachs steht, und nichts für ihren Freund Josh.
Das ist Thema in der neuesten Staffel der Webserie DRUCK: Der Umgang mit psychischen Störungen, aber auch Alkoholismus, Familie, Freundschaft, Liebe und vieles mehr. Das Onlineformat von funk ging 2018 als deutsche Adaptation der norwegischen Jugendserie SKAM an den Start. Nunmehr in der fünften Staffel gehen die Inhalte weit über jene des Originals hinaus. Das Format ist aber gleich geblieben: Über die Woche verteilt werden in Echtzeit Clips auf YouTube gepostet. Immer zu der Uhrzeit, zu der sie in der Geschichte auch passieren.
Nach dem Abschied von der ersten Generation der DRUCK-Charaktere am Ende der vierten Staffel wurde im September 2020 ein komplett neuer Cast eingeführt. Der Einstieg in diese Staffel dürfte also nicht schwerfallen. Unter der Regie von Faraz Shariat, Sophie Linnenbaum und Luzie Loose verfolgen wir die Geschichte von Nora Machwitz. Nora geht in die 11. Klasse und hat sich vor kurzem von ihrer alten Freundesgruppe losgesagt. Trotzdem scheint für sie alles großartig zu laufen: Sie findet schnell neue Freundinnen und beginnt eine Beziehung mit Josh, dem Inbegriff des „perfekten Freundes“. Hinter den Kulissen aber muss sie sich allein um ihre alkoholkranke Mutter kümmern, was sie vor ihren Freundinnen und Josh verheimlicht. Als die Mutter gezwungenermaßen eine Therapie beginnt, bröckelt nach und nach die Fassade. Nora vernachlässigt ihre Freunde, wirkt abwesend, lässt ihre Pflichten unbeachtet. Im Gegensatz zu ihren Freunden sehen wir als Zuschauer genau, wie Nora verzweifelt versucht, zu verstehen, was mit ihr passiert. Sie stürzt in eine Spirale aus Enttäuschungen und Lügen, bis sie schließlich zusammenbricht. Dann die Diagnose: Nora leidet an Depersonalisation. Eine psychische Störung aus der Gruppe der Dissoziativen Störungen, bei der sich das Bewusstsein vom körperlichen Empfinden „abspaltet“. Wie Nora fühlen die Betroffenen oft, dass ihre Umgebung nicht real sei oder sie selbst nicht wirklich existierten. Wie es weitergeht, könnt ihr ganz einfach auf YouTube verfolgen: (1) Alles neu! ? – DRUCK Nora – Folge 1 – YouTube
DRUCK schafft das, was viele Jugendformate krampfhaft (und vergeblich) versuchen: Die Serie zeichnet ein wahrhaftiges, realitätsnahes Bild der Jugend, ohne dabei verklärt oder angestrengt zu wirken. Schwierige Themen wie psychische Störungen erzählt sie geradeheraus, erscheint nie belehrend, auch nicht überzeichnet, sondern fast erschreckend real. Auch die Corona-Pandemie wird übrigens in die aktuelle Storyline eingebunden. Viel Spaß beim Anschauen!
Mehr Infos gibt es hier: DRUCK – funk ; DRUCK die Serie / SKAM Germany (@druckaddicts) • Instagram-Fotos und -Videos
Der Instagram-Account der Protagonistin: Nora (@norangensaft) • Instagram-Fotos und -Videos
Dokumentation der Woche: “Stress: Portrait of a Killer”
Ein warmes Orange legt sich über die sanften Graslandschaften der weiten Steppe Kenias, als sich die Sonne am Horizont erhebt. Von Stress keine Spur. Doch hier steht zunächst die goldene Regel für Dokumentationen im Zentrum: Tiere gehen immer! Da National Geographic das besser versteht als irgendjemand sonst, finden wir uns mit dem Verhaltensbiologen und Neurologen Robert Sapolsky im Osten Afrikas wieder. Dort begleitete dieser über 25 Jahre eine Gruppe von Pavianen und berichtet liebevoll über deren Sozialleben.
Wer sich jetzt wie im falschen Film fühlt, sei beruhigt. Die Dokumentation, die wenn man den Kommentaren trauen mag auch in diversen Psychologie- und Medizinvorlesungen geschaut wird, verbindet die Forschung des Biologen geschickt mit den modernen Auswüchsen von Stress. Dabei schlägt sie einen unterhaltsamen Bogen von den biologischen Ursprüngen und dem Alltagsstress der Paviane, aber auch Zebras und Löwen bei der Jagd in der Serengeti zum modernen Stress in der Zivilisation. Da die Doku sowohl die positiven Seiten des Stresses (z.B. Achterbahnfahrten), wie auch die negativen Seiten abdeckt, rückt vor allem gefährlicher Dauerstress, verursacht durch die Gestaltung unserer Zivilisation, in den Mittelpunkt.
„Es gibt einen Grund, dass Achterbahnfahrten keine drei Wochen dauern.“
So lebt die Dokumentation teils von der liebevollen Begleitung der Tiere und der Geschichte um diese, wie auch einer gewaltigen Portion Gesellschaftskritik. Während erläutert wird, wie Stress zu einer ernstzunehmenden Gefahr wird, rücken daher philosophische Fragen über die Strukturen unseres Zusammenlebens in den Mittelpunkt und bieten zugleich positive Perspektiven für das Überwinden des Stresses. Als Bonus darf man sich während der etwa einstündigen Doku zudem immer wieder am stattlichen Bart und freundlichen Gesicht von Dr. Sapolsky und der Geschichte um seine Paviane erfreuen, um zumindest das eigene Stresslevel zu senken.
Die etwa einstündige Dokumentation ist auf YouTube verfügbar.
Podcast-Empfehlung: Nathalie Waldenspuhl
Serien-Empfehlung: Anne Abraham
Doku-Empfehlung: Max Hansche